Ist die Erschöpfung sehr groß und anhaltend, so muß man auch hier zuerst durch dynamische Hülfsmittel zu wir- ken suchen, und die §. 1363. genannten Aufgüße und Me- dicamente, das gelinde (immer genau auf dem Gebärmutter- grunde vorzunehmende) Frottiren des Unterleibes durch die flache Hand allein, oder nach aufgetröpfeltem Linim. volat. oder Naphtha, endlich das in horizontaler Lage der Neuent- bundenen einige Stunden nach der Geburt veranstaltete Anlegen des Kindes an die Brust (ein wegen des Consensus vorzüglich kräf- tiges Hülfsmittel) in Anwendung bringen. Auch wird man sich bei diesen Mitteln um so mehr beruhigen können, da das von bloßer Schwäche des Uterus (nicht zugleich von zu fester Ad- häsion) abhängige längere Zurückbleiben der Placenta, theils fast nie über 10 bis 12 Stunden sich ausdehnt, theils, so lange keine Blutergießung Statt findet, durchaus nichts vor- handen ist, was der Neuentbundenen Gefahr drohte und au- genblickliche Entfernung der Placenta indicirte, vielmehr von einem vor wiedererwachter Zusammenziehungskraft im Uterus unternommenen künstlichen Lösen der Placenta erst die gefähr- lichsten Blutflüße zu besorgen seyn würden.
§. 1370.
Was hingegen die Fälle betrifft, wo partiell eingetretene Lösung der Nachgeburt Blutung verursacht, so erfordert diese zunächst auch wie jeder Gebärmutterblutfluß (s. 1. Thl. §. 358.) vollkommene Ruhe und horizontale Lage, sodann gleich- falls die Anwendung der auf Erregung stärkerer Contraktionen abzweckenden Mittel (s. §. 1363.) mit Zuziehung der aroma- tischen durch Wein oder Brandtwein und Essig verstärkten, nur wenig (etwa zu 16 bis 20° Reaum.) erwärmten Injek- tionen. Wird hingegen trotz dem die Blutung heftiger und erwacht die zusammenziehende Kraft nicht stärker, so wird das Lösen und Hinwegnehmen der bei starker Blutung gewöhnlich schon größtentheils getrennten Placenta durchaus nothwendig, wobei theils der mechanische Reitz der eingebrachten Hand
§. 1369.
Iſt die Erſchoͤpfung ſehr groß und anhaltend, ſo muß man auch hier zuerſt durch dynamiſche Huͤlfsmittel zu wir- ken ſuchen, und die §. 1363. genannten Aufguͤße und Me- dicamente, das gelinde (immer genau auf dem Gebaͤrmutter- grunde vorzunehmende) Frottiren des Unterleibes durch die flache Hand allein, oder nach aufgetroͤpfeltem Linim. volat. oder Naphtha, endlich das in horizontaler Lage der Neuent- bundenen einige Stunden nach der Geburt veranſtaltete Anlegen des Kindes an die Bruſt (ein wegen des Consensus vorzuͤglich kraͤf- tiges Huͤlfsmittel) in Anwendung bringen. Auch wird man ſich bei dieſen Mitteln um ſo mehr beruhigen koͤnnen, da das von bloßer Schwaͤche des Uterus (nicht zugleich von zu feſter Ad- haͤſion) abhaͤngige laͤngere Zuruͤckbleiben der Placenta, theils faſt nie uͤber 10 bis 12 Stunden ſich ausdehnt, theils, ſo lange keine Blutergießung Statt findet, durchaus nichts vor- handen iſt, was der Neuentbundenen Gefahr drohte und au- genblickliche Entfernung der Placenta indicirte, vielmehr von einem vor wiedererwachter Zuſammenziehungskraft im Uterus unternommenen kuͤnſtlichen Loͤſen der Placenta erſt die gefaͤhr- lichſten Blutfluͤße zu beſorgen ſeyn wuͤrden.
§. 1370.
Was hingegen die Faͤlle betrifft, wo partiell eingetretene Loͤſung der Nachgeburt Blutung verurſacht, ſo erfordert dieſe zunaͤchſt auch wie jeder Gebaͤrmutterblutfluß (ſ. 1. Thl. §. 358.) vollkommene Ruhe und horizontale Lage, ſodann gleich- falls die Anwendung der auf Erregung ſtaͤrkerer Contraktionen abzweckenden Mittel (ſ. §. 1363.) mit Zuziehung der aroma- tiſchen durch Wein oder Brandtwein und Eſſig verſtaͤrkten, nur wenig (etwa zu 16 bis 20° Réaum.) erwaͤrmten Injek- tionen. Wird hingegen trotz dem die Blutung heftiger und erwacht die zuſammenziehende Kraft nicht ſtaͤrker, ſo wird das Loͤſen und Hinwegnehmen der bei ſtarker Blutung gewoͤhnlich ſchon groͤßtentheils getrennten Placenta durchaus nothwendig, wobei theils der mechaniſche Reitz der eingebrachten Hand
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§. 1369.
Iſt die Erſchoͤpfung ſehr groß und anhaltend, ſo muß
man auch hier zuerſt durch dynamiſche Huͤlfsmittel zu wir-
ken ſuchen, und die §. 1363. genannten Aufguͤße und Me-
dicamente, das gelinde (immer genau auf dem Gebaͤrmutter-
grunde vorzunehmende) Frottiren des Unterleibes durch die
flache Hand allein, oder nach aufgetroͤpfeltem Linim. volat.
oder Naphtha, endlich das in horizontaler Lage der Neuent-
bundenen einige Stunden nach der Geburt veranſtaltete Anlegen
des Kindes an die Bruſt (ein wegen des Consensus vorzuͤglich kraͤf-
tiges Huͤlfsmittel) in Anwendung bringen. Auch wird man ſich
bei dieſen Mitteln um ſo mehr beruhigen koͤnnen, da das von
bloßer Schwaͤche des Uterus (nicht zugleich von zu feſter Ad-
haͤſion) abhaͤngige laͤngere Zuruͤckbleiben der Placenta, theils
faſt nie uͤber 10 bis 12 Stunden ſich ausdehnt, theils, ſo
lange keine Blutergießung Statt findet, durchaus nichts vor-
handen iſt, was der Neuentbundenen Gefahr drohte und au-
genblickliche Entfernung der Placenta indicirte, vielmehr von
einem vor wiedererwachter Zuſammenziehungskraft im Uterus
unternommenen kuͤnſtlichen Loͤſen der Placenta erſt die gefaͤhr-
lichſten Blutfluͤße zu beſorgen ſeyn wuͤrden.
§. 1370.
Was hingegen die Faͤlle betrifft, wo partiell eingetretene
Loͤſung der Nachgeburt Blutung verurſacht, ſo erfordert dieſe
zunaͤchſt auch wie jeder Gebaͤrmutterblutfluß (ſ. 1. Thl. §.
358.) vollkommene Ruhe und horizontale Lage, ſodann gleich-
falls die Anwendung der auf Erregung ſtaͤrkerer Contraktionen
abzweckenden Mittel (ſ. §. 1363.) mit Zuziehung der aroma-
tiſchen durch Wein oder Brandtwein und Eſſig verſtaͤrkten,
nur wenig (etwa zu 16 bis 20° Réaum.) erwaͤrmten Injek-
tionen. Wird hingegen trotz dem die Blutung heftiger und
erwacht die zuſammenziehende Kraft nicht ſtaͤrker, ſo wird das
Loͤſen und Hinwegnehmen der bei ſtarker Blutung gewoͤhnlich
ſchon groͤßtentheils getrennten Placenta durchaus nothwendig,
wobei theils der mechaniſche Reitz der eingebrachten Hand
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/456>, abgerufen am 21.11.2024.
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