Absterben desselben leicht erfolgen. Die Zeit innerhalb wel- cher dieß zu befürchten steht, ist nach den Umständen verschie- den. Bei vorausgehendem Kopfe kann die dritte und vierte Periode, so lange blos Unthätigkeit der Wehen die Ursache ist, oft sich auf 6, 8, ja 12 Stunden ausdehnen, und das Kind leidet dabei nichts, eben weil die Pressung des Kopfs nur gering ist, die Placenta nicht zu fest gegen das Kind gepreßt wird (welches, indem dadurch der Kreislauf in der- selben leiden muß, sicher in vielen Fällen ein wichtiges, bis- her fast ganz übersehenes Moment zur Veranlassung des To- des abgiebt) und der Uterus selbst, rücksichtlich seiner Gefäß- thätigkeit, in keinem krankhaften Zustande sich befindet, folg- lich die Wechselwirkung zwischen Mutter und Kind, wie in der Schwangerschaft, ungestört fortdauert. --
§. 1365.
Weit schneller hingegen wird es für das Kind gefährlich, wenn der Kopf, als zuletzt durch das Becken gehender Theil, in dessen Höhle eingetreten ist, und in derselben durch Man- gel an Geburtskraft verweilt. Hier reicht oft eine Zeit von wenigen Minuten hin, um das Kind zu tödten. Die Erklä- rung dieses so schnell eintretenden Todes, der Kopf mag in dieser Stellung durch Schwäche oder mechanische Hinder- nisse länger als gewöhnlich verweilen, ist nicht ohne Schwie- rigkeit. Offenbar wirken hierbei mehrere Ursachen zusammen; eine der wichtigsten ist der Druck auf die Nabelschnur, allein dieses allein erklärt es noch nicht völlig, da nicht selten asphyktische Kinder mit nicht mehr pulsirendem Nabel- strange doch wieder belebt werden, ja nach der Beob- achtung mancher Geburtshelfer (womit auch meine Beobach- tungen mehrfach übereinstimmen) die scheintodten Kinder wo während des Austritts kein Herzschlag (und folglich auch kein Klopfen im Nabelstrange) gefühlt wird, leichter zu sich kom- men als andere asphyktische mit pulsirendem Herzen. Zwei- tens ist daher zu berücksichtigen die unvollkommene Respira- tion durch die Lungen, welche bei Einwirkung der Luft auf
Abſterben deſſelben leicht erfolgen. Die Zeit innerhalb wel- cher dieß zu befuͤrchten ſteht, iſt nach den Umſtaͤnden verſchie- den. Bei vorausgehendem Kopfe kann die dritte und vierte Periode, ſo lange blos Unthaͤtigkeit der Wehen die Urſache iſt, oft ſich auf 6, 8, ja 12 Stunden ausdehnen, und das Kind leidet dabei nichts, eben weil die Preſſung des Kopfs nur gering iſt, die Placenta nicht zu feſt gegen das Kind gepreßt wird (welches, indem dadurch der Kreislauf in der- ſelben leiden muß, ſicher in vielen Faͤllen ein wichtiges, bis- her faſt ganz uͤberſehenes Moment zur Veranlaſſung des To- des abgiebt) und der Uterus ſelbſt, ruͤckſichtlich ſeiner Gefaͤß- thaͤtigkeit, in keinem krankhaften Zuſtande ſich befindet, folg- lich die Wechſelwirkung zwiſchen Mutter und Kind, wie in der Schwangerſchaft, ungeſtoͤrt fortdauert. —
§. 1365.
Weit ſchneller hingegen wird es fuͤr das Kind gefaͤhrlich, wenn der Kopf, als zuletzt durch das Becken gehender Theil, in deſſen Hoͤhle eingetreten iſt, und in derſelben durch Man- gel an Geburtskraft verweilt. Hier reicht oft eine Zeit von wenigen Minuten hin, um das Kind zu toͤdten. Die Erklaͤ- rung dieſes ſo ſchnell eintretenden Todes, der Kopf mag in dieſer Stellung durch Schwaͤche oder mechaniſche Hinder- niſſe laͤnger als gewoͤhnlich verweilen, iſt nicht ohne Schwie- rigkeit. Offenbar wirken hierbei mehrere Urſachen zuſammen; eine der wichtigſten iſt der Druck auf die Nabelſchnur, allein dieſes allein erklaͤrt es noch nicht voͤllig, da nicht ſelten aſphyktiſche Kinder mit nicht mehr pulſirendem Nabel- ſtrange doch wieder belebt werden, ja nach der Beob- achtung mancher Geburtshelfer (womit auch meine Beobach- tungen mehrfach uͤbereinſtimmen) die ſcheintodten Kinder wo waͤhrend des Austritts kein Herzſchlag (und folglich auch kein Klopfen im Nabelſtrange) gefuͤhlt wird, leichter zu ſich kom- men als andere aſphyktiſche mit pulſirendem Herzen. Zwei- tens iſt daher zu beruͤckſichtigen die unvollkommene Reſpira- tion durch die Lungen, welche bei Einwirkung der Luft auf
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Abſterben deſſelben leicht erfolgen. Die Zeit innerhalb wel-
cher dieß zu befuͤrchten ſteht, iſt nach den Umſtaͤnden verſchie-
den. Bei vorausgehendem Kopfe kann die dritte und vierte
Periode, ſo lange blos Unthaͤtigkeit der Wehen die Urſache
iſt, oft ſich auf 6, 8, ja 12 Stunden ausdehnen, und das
Kind leidet dabei nichts, eben weil die Preſſung des Kopfs
nur gering iſt, die Placenta nicht zu feſt gegen das Kind
gepreßt wird (welches, indem dadurch der Kreislauf in der-
ſelben leiden muß, ſicher in vielen Faͤllen ein wichtiges, bis-
her faſt ganz uͤberſehenes Moment zur Veranlaſſung des To-
des abgiebt) und der Uterus ſelbſt, ruͤckſichtlich ſeiner Gefaͤß-
thaͤtigkeit, in keinem krankhaften Zuſtande ſich befindet, folg-
lich die Wechſelwirkung zwiſchen Mutter und Kind, wie in
der Schwangerſchaft, ungeſtoͤrt fortdauert. —
§. 1365.
Weit ſchneller hingegen wird es fuͤr das Kind gefaͤhrlich,
wenn der Kopf, als zuletzt durch das Becken gehender Theil,
in deſſen Hoͤhle eingetreten iſt, und in derſelben durch Man-
gel an Geburtskraft verweilt. Hier reicht oft eine Zeit von
wenigen Minuten hin, um das Kind zu toͤdten. Die Erklaͤ-
rung dieſes ſo ſchnell eintretenden Todes, der Kopf mag in
dieſer Stellung durch Schwaͤche oder mechaniſche Hinder-
niſſe laͤnger als gewoͤhnlich verweilen, iſt nicht ohne Schwie-
rigkeit. Offenbar wirken hierbei mehrere Urſachen zuſammen;
eine der wichtigſten iſt der Druck auf die Nabelſchnur, allein
dieſes allein erklaͤrt es noch nicht voͤllig, da nicht ſelten
aſphyktiſche Kinder mit nicht mehr pulſirendem Nabel-
ſtrange doch wieder belebt werden, ja nach der Beob-
achtung mancher Geburtshelfer (womit auch meine Beobach-
tungen mehrfach uͤbereinſtimmen) die ſcheintodten Kinder wo
waͤhrend des Austritts kein Herzſchlag (und folglich auch kein
Klopfen im Nabelſtrange) gefuͤhlt wird, leichter zu ſich kom-
men als andere aſphyktiſche mit pulſirendem Herzen. Zwei-
tens iſt daher zu beruͤckſichtigen die unvollkommene Reſpira-
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/453>, abgerufen am 21.11.2024.
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