Die unvollkommene Entwickelung des Kör- pers giebt sich zu erkennen in der Zartheit des Körperbaues überhaupt, in der Kleinheit der Extremitäten, den kindlichen Gesichtszügen, so wie aus Berücksichtigung des Alters und der vorhergegangenen Lebensverhältnisse. Solche Personen nun, welche entweder nach kaum entfalteter Pubertät schon concipir- ten, oder deren Körper durch Krankheiten oder frühe Aus- schweifungen in seiner Bildung zurückgehalten worden ist, wer- den nothwendig von dem Geburtsgeschäft, welches für eine gewiße Reife des Lebens von der Natur bestimmt ist, weit stärker als andere afficirt, sie ermatten weit leichter, Convul- sionen, krampfhaftes Erbrechen, Schluchzen, Blutungen u. s. w. treten weit leichter ein, und führen oft für Mutter und Kind höchst nachtheilige Zustände herbei.
§. 1321.
Die Behandlung einer solchen Gebärenden kann blos pro- phylaktisch seyn, indem man durch nöthige Vorsicht alles was das Nervensystem erregen könnte, vermeidet, und nichts was irgend das Geburtsgeschäft erleichtern könnte, unterläßt. Es ist daher sehr zweckmäßig, solchen Personen, noch unter den vorhersagenden Wehen welche hier gewöhnlich längere Zeit an- halten, ein lauwarmes Bad brauchen zu lassen, für eine recht zweckmäßige Umgebung bei der fortschreitenden Geburtsthätig- keit Sorge zu tragen, zeitig schon das Beibehalten einer be- quemen ruhigen Lage im Bette anzuempfehlen, die Kräfte auf alle Weise zu schonen, und wenn im Verlaufe der Geburt die Anwendung künstlicher Hülfe nöthig werden sollte, dieselbe nicht zu lange zu verschieben, überhaupt aber anderweitige eintre- tende Abnormitäten ihrer Natur nach zu behandeln.
§. 1322.
Sehr bejahrte Gebärende, vorzüglich Erstgebärende machen eine ähnliche Sorgfalt nöthig. Meistens gebären sie langsam (vorzüglich was die zweite Geburtsperiode anbelangt) und es ist dieses insbesondere deßhald zu berücksichtigen, da-
§. 1320.
Die unvollkommene Entwickelung des Koͤr- pers giebt ſich zu erkennen in der Zartheit des Koͤrperbaues uͤberhaupt, in der Kleinheit der Extremitaͤten, den kindlichen Geſichtszuͤgen, ſo wie aus Beruͤckſichtigung des Alters und der vorhergegangenen Lebensverhaͤltniſſe. Solche Perſonen nun, welche entweder nach kaum entfalteter Pubertaͤt ſchon concipir- ten, oder deren Koͤrper durch Krankheiten oder fruͤhe Aus- ſchweifungen in ſeiner Bildung zuruͤckgehalten worden iſt, wer- den nothwendig von dem Geburtsgeſchaͤft, welches fuͤr eine gewiße Reife des Lebens von der Natur beſtimmt iſt, weit ſtaͤrker als andere afficirt, ſie ermatten weit leichter, Convul- ſionen, krampfhaftes Erbrechen, Schluchzen, Blutungen u. ſ. w. treten weit leichter ein, und fuͤhren oft fuͤr Mutter und Kind hoͤchſt nachtheilige Zuſtaͤnde herbei.
§. 1321.
Die Behandlung einer ſolchen Gebaͤrenden kann blos pro- phylaktiſch ſeyn, indem man durch noͤthige Vorſicht alles was das Nervenſyſtem erregen koͤnnte, vermeidet, und nichts was irgend das Geburtsgeſchaͤft erleichtern koͤnnte, unterlaͤßt. Es iſt daher ſehr zweckmaͤßig, ſolchen Perſonen, noch unter den vorherſagenden Wehen welche hier gewoͤhnlich laͤngere Zeit an- halten, ein lauwarmes Bad brauchen zu laſſen, fuͤr eine recht zweckmaͤßige Umgebung bei der fortſchreitenden Geburtsthaͤtig- keit Sorge zu tragen, zeitig ſchon das Beibehalten einer be- quemen ruhigen Lage im Bette anzuempfehlen, die Kraͤfte auf alle Weiſe zu ſchonen, und wenn im Verlaufe der Geburt die Anwendung kuͤnſtlicher Huͤlfe noͤthig werden ſollte, dieſelbe nicht zu lange zu verſchieben, uͤberhaupt aber anderweitige eintre- tende Abnormitaͤten ihrer Natur nach zu behandeln.
§. 1322.
Sehr bejahrte Gebaͤrende, vorzuͤglich Erſtgebaͤrende machen eine aͤhnliche Sorgfalt noͤthig. Meiſtens gebaͤren ſie langſam (vorzuͤglich was die zweite Geburtsperiode anbelangt) und es iſt dieſes insbeſondere deßhald zu beruͤckſichtigen, da-
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§. 1320.
Die unvollkommene Entwickelung des Koͤr-
pers giebt ſich zu erkennen in der Zartheit des Koͤrperbaues
uͤberhaupt, in der Kleinheit der Extremitaͤten, den kindlichen
Geſichtszuͤgen, ſo wie aus Beruͤckſichtigung des Alters und
der vorhergegangenen Lebensverhaͤltniſſe. Solche Perſonen nun,
welche entweder nach kaum entfalteter Pubertaͤt ſchon concipir-
ten, oder deren Koͤrper durch Krankheiten oder fruͤhe Aus-
ſchweifungen in ſeiner Bildung zuruͤckgehalten worden iſt, wer-
den nothwendig von dem Geburtsgeſchaͤft, welches fuͤr eine
gewiße Reife des Lebens von der Natur beſtimmt iſt, weit
ſtaͤrker als andere afficirt, ſie ermatten weit leichter, Convul-
ſionen, krampfhaftes Erbrechen, Schluchzen, Blutungen u. ſ.
w. treten weit leichter ein, und fuͤhren oft fuͤr Mutter und
Kind hoͤchſt nachtheilige Zuſtaͤnde herbei.
§. 1321.
Die Behandlung einer ſolchen Gebaͤrenden kann blos pro-
phylaktiſch ſeyn, indem man durch noͤthige Vorſicht alles was
das Nervenſyſtem erregen koͤnnte, vermeidet, und nichts was
irgend das Geburtsgeſchaͤft erleichtern koͤnnte, unterlaͤßt. Es
iſt daher ſehr zweckmaͤßig, ſolchen Perſonen, noch unter den
vorherſagenden Wehen welche hier gewoͤhnlich laͤngere Zeit an-
halten, ein lauwarmes Bad brauchen zu laſſen, fuͤr eine recht
zweckmaͤßige Umgebung bei der fortſchreitenden Geburtsthaͤtig-
keit Sorge zu tragen, zeitig ſchon das Beibehalten einer be-
quemen ruhigen Lage im Bette anzuempfehlen, die Kraͤfte auf
alle Weiſe zu ſchonen, und wenn im Verlaufe der Geburt die
Anwendung kuͤnſtlicher Huͤlfe noͤthig werden ſollte, dieſelbe nicht
zu lange zu verſchieben, uͤberhaupt aber anderweitige eintre-
tende Abnormitaͤten ihrer Natur nach zu behandeln.
§. 1322.
Sehr bejahrte Gebaͤrende, vorzuͤglich Erſtgebaͤrende
machen eine aͤhnliche Sorgfalt noͤthig. Meiſtens gebaͤren ſie
langſam (vorzuͤglich was die zweite Geburtsperiode anbelangt)
und es iſt dieſes insbeſondere deßhald zu beruͤckſichtigen, da-
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/428>, abgerufen am 21.11.2024.
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