Ihr Vorkommen betrifft vorzüglich Personen von schlaffem, phlegmatischem Habitus durch deprimirende Affekte, schlechte Luft und Nahrung geschwächt, und wird auch durch naßkalte Witterung begünstigt. Während der Schwangerschaft selbst äußert sie sich fast gar nicht, außer durch Abnahme der Kräfte, blaßes kachecktisches Ansehen und Verminderung der Ausdehnung und Derbheit des Uterus, weßhalb selbst Boer ihr für diese Zeit keine bestimmten Symptome, an welchen sie jeden Falls zu erkennen wäre, beizulegen wagt. Nach der Geburt (welche hierbei leicht ebenfalls theils zu zeitig, theils mit manchen krankhaften Zufällen verbunden einzutreten pflegt) äußern sich hingegen die Folgen des innern Leidens deutliche, die Wochenbettsfunktionen gehen unregelmäßig von Statten, die Haut zeigt wie die Brüste eine nur unvollkommene Thä- tigkeit, die Lochien erfolgen unrein und mit ihnen entleer sich eine faulige Jauche, Fieberbewegungen, örtliche Entzün- dungen an einzelnen Stellen des Unterleibes, ja selbst Abson- derungen milchähnlicher, eiterartiger Flüßigkeiten kommen hinzu, und so erfolgt unter mancherlei Colliquationen häufig der Tod.
§. 1065.
Das Wesentliche der Krankheit ist von H. Jörg neuer- lich in einen durch unzulängliche Bildungskraft be- dingten Absterbungsprozeß der hinfälligen Haut, welche Mortification sodann bis in die Substanz des Uterus eindringt, gesetzt worden, und wie fügen dieser scharfsinnigen Ansicht hier nur die Bemerkung bei: 1) daß der Uterus, vermöge seiner überwiegend vegetativen Na- tur, einer, unter geeigneten Umständen, unmittelbar eintreten- den Fäulniß, gewiß unter allen Organen vorzüglich fähig sey (an den Vegetabilien sehen wir eben so Fäulniß einzelner Theile, ohne daß wir hier einen Entzündungszustand kennten); 2) daß ein solches Absterben und Faulen allerdings in der überhaupt zur Auflösung bestimmten Membrana deoidua vor- züglich gedacht werden könne.
Ihr Vorkommen betrifft vorzuͤglich Perſonen von ſchlaffem, phlegmatiſchem Habitus durch deprimirende Affekte, ſchlechte Luft und Nahrung geſchwaͤcht, und wird auch durch naßkalte Witterung beguͤnſtigt. Waͤhrend der Schwangerſchaft ſelbſt aͤußert ſie ſich faſt gar nicht, außer durch Abnahme der Kraͤfte, blaßes kachecktiſches Anſehen und Verminderung der Ausdehnung und Derbheit des Uterus, weßhalb ſelbſt Boër ihr fuͤr dieſe Zeit keine beſtimmten Symptome, an welchen ſie jeden Falls zu erkennen waͤre, beizulegen wagt. Nach der Geburt (welche hierbei leicht ebenfalls theils zu zeitig, theils mit manchen krankhaften Zufaͤllen verbunden einzutreten pflegt) aͤußern ſich hingegen die Folgen des innern Leidens deutliche, die Wochenbettsfunktionen gehen unregelmaͤßig von Statten, die Haut zeigt wie die Bruͤſte eine nur unvollkommene Thaͤ- tigkeit, die Lochien erfolgen unrein und mit ihnen entleer ſich eine faulige Jauche, Fieberbewegungen, oͤrtliche Entzuͤn- dungen an einzelnen Stellen des Unterleibes, ja ſelbſt Abſon- derungen milchaͤhnlicher, eiterartiger Fluͤßigkeiten kommen hinzu, und ſo erfolgt unter mancherlei Colliquationen haͤufig der Tod.
§. 1065.
Das Weſentliche der Krankheit iſt von H. Joͤrg neuer- lich in einen durch unzulaͤngliche Bildungskraft be- dingten Abſterbungsprozeß der hinfaͤlligen Haut, welche Mortification ſodann bis in die Subſtanz des Uterus eindringt, geſetzt worden, und wie fuͤgen dieſer ſcharfſinnigen Anſicht hier nur die Bemerkung bei: 1) daß der Uterus, vermoͤge ſeiner uͤberwiegend vegetativen Na- tur, einer, unter geeigneten Umſtaͤnden, unmittelbar eintreten- den Faͤulniß, gewiß unter allen Organen vorzuͤglich faͤhig ſey (an den Vegetabilien ſehen wir eben ſo Faͤulniß einzelner Theile, ohne daß wir hier einen Entzuͤndungszuſtand kennten); 2) daß ein ſolches Abſterben und Faulen allerdings in der uͤberhaupt zur Aufloͤſung beſtimmten Membrana deoidua vor- zuͤglich gedacht werden koͤnne.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0272"n="248"/>
Ihr Vorkommen betrifft vorzuͤglich Perſonen von ſchlaffem,<lb/>
phlegmatiſchem Habitus durch deprimirende Affekte, ſchlechte<lb/>
Luft und Nahrung geſchwaͤcht, und wird auch durch naßkalte<lb/>
Witterung beguͤnſtigt. Waͤhrend der Schwangerſchaft ſelbſt<lb/>
aͤußert ſie ſich faſt gar nicht, außer durch Abnahme der<lb/>
Kraͤfte, blaßes kachecktiſches Anſehen und Verminderung der<lb/>
Ausdehnung und Derbheit des Uterus, weßhalb ſelbſt <hirendition="#g">Boër</hi><lb/>
ihr fuͤr dieſe Zeit keine beſtimmten Symptome, an welchen<lb/>ſie jeden Falls zu erkennen waͤre, beizulegen wagt. Nach der<lb/>
Geburt (welche hierbei leicht ebenfalls theils zu zeitig, theils<lb/>
mit manchen krankhaften Zufaͤllen verbunden einzutreten pflegt)<lb/>
aͤußern ſich hingegen die Folgen des innern Leidens deutliche,<lb/>
die Wochenbettsfunktionen gehen unregelmaͤßig von Statten,<lb/>
die Haut zeigt wie die Bruͤſte eine nur unvollkommene Thaͤ-<lb/>
tigkeit, die Lochien erfolgen unrein und mit ihnen entleer<lb/>ſich eine faulige Jauche, Fieberbewegungen, oͤrtliche Entzuͤn-<lb/>
dungen an einzelnen Stellen des Unterleibes, ja ſelbſt Abſon-<lb/>
derungen milchaͤhnlicher, eiterartiger Fluͤßigkeiten kommen hinzu,<lb/>
und ſo erfolgt unter mancherlei Colliquationen haͤufig der Tod.</p></div><lb/><divn="7"><head>§. 1065.</head><lb/><p>Das Weſentliche der Krankheit iſt von H. <hirendition="#g">Joͤrg</hi> neuer-<lb/>
lich in einen <hirendition="#g">durch unzulaͤngliche Bildungskraft be-<lb/>
dingten Abſterbungsprozeß der hinfaͤlligen Haut,<lb/>
welche Mortification ſodann bis in die Subſtanz<lb/>
des Uterus eindringt</hi>, geſetzt worden, und wie fuͤgen<lb/>
dieſer ſcharfſinnigen Anſicht hier nur die Bemerkung bei: 1)<lb/>
daß der Uterus, vermoͤge ſeiner uͤberwiegend vegetativen Na-<lb/>
tur, einer, unter geeigneten Umſtaͤnden, unmittelbar eintreten-<lb/>
den Faͤulniß, gewiß unter allen Organen vorzuͤglich faͤhig ſey<lb/>
(an den Vegetabilien ſehen wir eben ſo Faͤulniß einzelner<lb/>
Theile, ohne daß wir hier einen Entzuͤndungszuſtand kennten);<lb/>
2) daß ein ſolches Abſterben und Faulen allerdings in der<lb/>
uͤberhaupt zur Aufloͤſung beſtimmten <hirendition="#aq">Membrana deoidua</hi> vor-<lb/>
zuͤglich gedacht werden koͤnne.</p></div><lb/></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[248/0272]
Ihr Vorkommen betrifft vorzuͤglich Perſonen von ſchlaffem,
phlegmatiſchem Habitus durch deprimirende Affekte, ſchlechte
Luft und Nahrung geſchwaͤcht, und wird auch durch naßkalte
Witterung beguͤnſtigt. Waͤhrend der Schwangerſchaft ſelbſt
aͤußert ſie ſich faſt gar nicht, außer durch Abnahme der
Kraͤfte, blaßes kachecktiſches Anſehen und Verminderung der
Ausdehnung und Derbheit des Uterus, weßhalb ſelbſt Boër
ihr fuͤr dieſe Zeit keine beſtimmten Symptome, an welchen
ſie jeden Falls zu erkennen waͤre, beizulegen wagt. Nach der
Geburt (welche hierbei leicht ebenfalls theils zu zeitig, theils
mit manchen krankhaften Zufaͤllen verbunden einzutreten pflegt)
aͤußern ſich hingegen die Folgen des innern Leidens deutliche,
die Wochenbettsfunktionen gehen unregelmaͤßig von Statten,
die Haut zeigt wie die Bruͤſte eine nur unvollkommene Thaͤ-
tigkeit, die Lochien erfolgen unrein und mit ihnen entleer
ſich eine faulige Jauche, Fieberbewegungen, oͤrtliche Entzuͤn-
dungen an einzelnen Stellen des Unterleibes, ja ſelbſt Abſon-
derungen milchaͤhnlicher, eiterartiger Fluͤßigkeiten kommen hinzu,
und ſo erfolgt unter mancherlei Colliquationen haͤufig der Tod.
§. 1065.
Das Weſentliche der Krankheit iſt von H. Joͤrg neuer-
lich in einen durch unzulaͤngliche Bildungskraft be-
dingten Abſterbungsprozeß der hinfaͤlligen Haut,
welche Mortification ſodann bis in die Subſtanz
des Uterus eindringt, geſetzt worden, und wie fuͤgen
dieſer ſcharfſinnigen Anſicht hier nur die Bemerkung bei: 1)
daß der Uterus, vermoͤge ſeiner uͤberwiegend vegetativen Na-
tur, einer, unter geeigneten Umſtaͤnden, unmittelbar eintreten-
den Faͤulniß, gewiß unter allen Organen vorzuͤglich faͤhig ſey
(an den Vegetabilien ſehen wir eben ſo Faͤulniß einzelner
Theile, ohne daß wir hier einen Entzuͤndungszuſtand kennten);
2) daß ein ſolches Abſterben und Faulen allerdings in der
uͤberhaupt zur Aufloͤſung beſtimmten Membrana deoidua vor-
zuͤglich gedacht werden koͤnne.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/272>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.