in höherem Grade mit aufgeregt und unwillkührlich zum Mitverarbeiten der Wehen gezwungen.
§. 809.
Unter diesen stärkern Wehen nun, bei oft laut werdenden Klagen der Kreisenden, und erhöhter Hautwärme, verbunden mit Drängen auf den Stuhl und Urin, häufig auch mit Erbrechen, Schweiß, selbst Zittern, Ohnmachten u. s. w., drängt sich der vorliegende Kindestheil, und am häufigsten der Kopf in den geöffneten Muttermund und zugleich tiefer in das Becken herein. Sobald der Kopf von der Oeffnung des Muttermundes ringförmig umgeben wird, pflegt man zu sagen: er habe sich gekrönt, oder er stehe in der Krö- nung, und es werden hierbei dann oft die Einrisse im Muttermunde, welche insgemein bei der Eröffnung desselben entstehen, noch vergrößert. -- Der Kopf selbst rückt hierbei bis in die Beckenhöhle herab, verläßt den Uterus und tritt in die Vagina, welches sodann die dritte Periode endigt, und zwar nach einer Dauer, welche mitunter nur einige Mi- nuten, häufig jedoch auch eine Stunde, und in ungewöhn- lichen Fällen selbst 2 bis 4 Stunden beträgt.
§. 810.
Zu bemerken sind übrigens bei dem Herabtreten des vor- liegenden Kindestheils in das Becken, sehr deutliche Spuren der Geburtskraft an demselben. Am Kopfe fühlt man das Zusammendrücken und zuletzt selbst Uebereinander- schieben der Näthe, es entsteht dadurch nothwendig eine Faltung der Kopfhaut (Kopffalte) und nach und nach bildet sich bei fortgehendem Druck, aus dieser Falte eine umschrie- bene ödematöse Geschwulst, welche wir mit dem Namen des Vorkopfs oder der Kopfgeschwulst (Caput succeda- neum) belegen. Geht das Gesicht voraus, so schwillt dieses, und geht die Steisfläche voraus, so schwellen vorzüglich die Geschlechtstheile aus ähnlichen Ursachen an. -- Je länger indeß diese Periode dauert, und je kräftiger die Wehen sind, um so stärker wird auch immer die entstehende Geschwulst
in hoͤherem Grade mit aufgeregt und unwillkuͤhrlich zum Mitverarbeiten der Wehen gezwungen.
§. 809.
Unter dieſen ſtaͤrkern Wehen nun, bei oft laut werdenden Klagen der Kreiſenden, und erhoͤhter Hautwaͤrme, verbunden mit Draͤngen auf den Stuhl und Urin, haͤufig auch mit Erbrechen, Schweiß, ſelbſt Zittern, Ohnmachten u. ſ. w., draͤngt ſich der vorliegende Kindestheil, und am haͤufigſten der Kopf in den geoͤffneten Muttermund und zugleich tiefer in das Becken herein. Sobald der Kopf von der Oeffnung des Muttermundes ringfoͤrmig umgeben wird, pflegt man zu ſagen: er habe ſich gekroͤnt, oder er ſtehe in der Kroͤ- nung, und es werden hierbei dann oft die Einriſſe im Muttermunde, welche insgemein bei der Eroͤffnung deſſelben entſtehen, noch vergroͤßert. — Der Kopf ſelbſt ruͤckt hierbei bis in die Beckenhoͤhle herab, verlaͤßt den Uterus und tritt in die Vagina, welches ſodann die dritte Periode endigt, und zwar nach einer Dauer, welche mitunter nur einige Mi- nuten, haͤufig jedoch auch eine Stunde, und in ungewoͤhn- lichen Faͤllen ſelbſt 2 bis 4 Stunden betraͤgt.
§. 810.
Zu bemerken ſind uͤbrigens bei dem Herabtreten des vor- liegenden Kindestheils in das Becken, ſehr deutliche Spuren der Geburtskraft an demſelben. Am Kopfe fuͤhlt man das Zuſammendruͤcken und zuletzt ſelbſt Uebereinander- ſchieben der Naͤthe, es entſteht dadurch nothwendig eine Faltung der Kopfhaut (Kopffalte) und nach und nach bildet ſich bei fortgehendem Druck, aus dieſer Falte eine umſchrie- bene oͤdematoͤſe Geſchwulſt, welche wir mit dem Namen des Vorkopfs oder der Kopfgeſchwulſt (Caput succeda- neum) belegen. Geht das Geſicht voraus, ſo ſchwillt dieſes, und geht die Steisflaͤche voraus, ſo ſchwellen vorzuͤglich die Geſchlechtstheile aus aͤhnlichen Urſachen an. — Je laͤnger indeß dieſe Periode dauert, und je kraͤftiger die Wehen ſind, um ſo ſtaͤrker wird auch immer die entſtehende Geſchwulſt
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in hoͤherem Grade mit aufgeregt und unwillkuͤhrlich zum
Mitverarbeiten der Wehen gezwungen.
§. 809.
Unter dieſen ſtaͤrkern Wehen nun, bei oft laut werdenden
Klagen der Kreiſenden, und erhoͤhter Hautwaͤrme, verbunden
mit Draͤngen auf den Stuhl und Urin, haͤufig auch mit
Erbrechen, Schweiß, ſelbſt Zittern, Ohnmachten u. ſ. w.,
draͤngt ſich der vorliegende Kindestheil, und am haͤufigſten
der Kopf in den geoͤffneten Muttermund und zugleich tiefer
in das Becken herein. Sobald der Kopf von der Oeffnung
des Muttermundes ringfoͤrmig umgeben wird, pflegt man zu
ſagen: er habe ſich gekroͤnt, oder er ſtehe in der Kroͤ-
nung, und es werden hierbei dann oft die Einriſſe im
Muttermunde, welche insgemein bei der Eroͤffnung deſſelben
entſtehen, noch vergroͤßert. — Der Kopf ſelbſt ruͤckt hierbei
bis in die Beckenhoͤhle herab, verlaͤßt den Uterus und tritt
in die Vagina, welches ſodann die dritte Periode endigt,
und zwar nach einer Dauer, welche mitunter nur einige Mi-
nuten, haͤufig jedoch auch eine Stunde, und in ungewoͤhn-
lichen Faͤllen ſelbſt 2 bis 4 Stunden betraͤgt.
§. 810.
Zu bemerken ſind uͤbrigens bei dem Herabtreten des vor-
liegenden Kindestheils in das Becken, ſehr deutliche Spuren
der Geburtskraft an demſelben. Am Kopfe fuͤhlt man das
Zuſammendruͤcken und zuletzt ſelbſt Uebereinander-
ſchieben der Naͤthe, es entſteht dadurch nothwendig eine
Faltung der Kopfhaut (Kopffalte) und nach und nach bildet
ſich bei fortgehendem Druck, aus dieſer Falte eine umſchrie-
bene oͤdematoͤſe Geſchwulſt, welche wir mit dem Namen des
Vorkopfs oder der Kopfgeſchwulſt (Caput succeda-
neum) belegen. Geht das Geſicht voraus, ſo ſchwillt dieſes,
und geht die Steisflaͤche voraus, ſo ſchwellen vorzuͤglich die
Geſchlechtstheile aus aͤhnlichen Urſachen an. — Je laͤnger
indeß dieſe Periode dauert, und je kraͤftiger die Wehen ſind,
um ſo ſtaͤrker wird auch immer die entſtehende Geſchwulſt
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/125>, abgerufen am 21.11.2024.
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