nicht immer) ein gänzliches Unvermögen, den Urin zurück- zuhalten, entstehen sah. Die Ursache dieser Erweiterung wird immer durch äußere mechanische Kraft gegeben, und theils kann sie durch gewaltsames Einbringen fremder Körper in die Harnblase *), theils durch den Coitus bewerkstelligt werden, welcher vorzüglich bey Frauen mit völlig oder größ- tentheils verwachsener Mutterscheide oft lange Zeit auf die- sem Wege ausgeübt worden ist, wovon Champion im Journal universel des sciences medicales (Mai 1819. p. 241.) einen merkwürdigen Fall bekannt mächt, und daselbst zugleich die Beobachtungen von Turner, Latour, Mor- gagni und Andern zusammenstellt.
§. 613.
Die Behandlung einer solchen krankhaften Ausdehnung wird zunächst auf Beseitigung der erregenden Ursache gerich- tet seyn, daher in mehreren solchen Fällen die Operation der Atresia hymenaica (s. §. 137.) und die Eröffnung des na- türlichen Geschlechtsweges die vollkommenste Hülfe gewährt; außerdem aber können und müssen, namentlich sobald In- continentia urinae sich eingestellt hat, Mittel, welche ört- lich die Contraktilität erhöhen, angewendet werden, und kalte Fomentationen von rothem Wein, dem Aufguß von Serpil- lum, Absynthium, mit der TR. terrae Catechu, nebst Ein- bringen eines Schwammes durch ähnliche Flüssigkeiten be- feuchtet, in die Vagina, sind deßhalb zu empfehlen.
*) Ein Beyspiel, wo ein Mädchen sich absichtlich, um ihre Aerzte zu täuschen, Steine u. s. w. in die Urethra brachte, ist oben (§. 236.) erwähnt worden.
nicht immer) ein gaͤnzliches Unvermoͤgen, den Urin zuruͤck- zuhalten, entſtehen ſah. Die Urſache dieſer Erweiterung wird immer durch aͤußere mechaniſche Kraft gegeben, und theils kann ſie durch gewaltſames Einbringen fremder Koͤrper in die Harnblaſe *), theils durch den Coitus bewerkſtelligt werden, welcher vorzuͤglich bey Frauen mit voͤllig oder groͤß- tentheils verwachſener Mutterſcheide oft lange Zeit auf die- ſem Wege ausgeuͤbt worden iſt, wovon Champion im Journal universel des sciences mèdicales (Mai 1819. p. 241.) einen merkwuͤrdigen Fall bekannt maͤcht, und daſelbſt zugleich die Beobachtungen von Turner, Latour, Mor- gagni und Andern zuſammenſtellt.
§. 613.
Die Behandlung einer ſolchen krankhaften Ausdehnung wird zunaͤchſt auf Beſeitigung der erregenden Urſache gerich- tet ſeyn, daher in mehreren ſolchen Faͤllen die Operation der Atresia hymenaica (ſ. §. 137.) und die Eroͤffnung des na- tuͤrlichen Geſchlechtsweges die vollkommenſte Huͤlfe gewaͤhrt; außerdem aber koͤnnen und muͤſſen, namentlich ſobald In- continentia urinae ſich eingeſtellt hat, Mittel, welche oͤrt- lich die Contraktilitaͤt erhoͤhen, angewendet werden, und kalte Fomentationen von rothem Wein, dem Aufguß von Serpil- lum, Absynthium, mit der TR. terrae Catechu, nebſt Ein- bringen eines Schwammes durch aͤhnliche Fluͤſſigkeiten be- feuchtet, in die Vagina, ſind deßhalb zu empfehlen.
*) Ein Beyſpiel, wo ein Maͤdchen ſich abſichtlich, um ihre Aerzte zu taͤuſchen, Steine u. ſ. w. in die Urethra brachte, iſt oben (§. 236.) erwaͤhnt worden.
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nicht immer) ein gaͤnzliches Unvermoͤgen, den Urin zuruͤck-
zuhalten, entſtehen ſah. Die Urſache dieſer Erweiterung
wird immer durch aͤußere mechaniſche Kraft gegeben, und
theils kann ſie durch gewaltſames Einbringen fremder Koͤrper
in die Harnblaſe *), theils durch den Coitus bewerkſtelligt
werden, welcher vorzuͤglich bey Frauen mit voͤllig oder groͤß-
tentheils verwachſener Mutterſcheide oft lange Zeit auf die-
ſem Wege ausgeuͤbt worden iſt, wovon Champion im
Journal universel des sciences mèdicales (Mai 1819. p.
241.) einen merkwuͤrdigen Fall bekannt maͤcht, und daſelbſt
zugleich die Beobachtungen von Turner, Latour, Mor-
gagni und Andern zuſammenſtellt.
§. 613.
Die Behandlung einer ſolchen krankhaften Ausdehnung
wird zunaͤchſt auf Beſeitigung der erregenden Urſache gerich-
tet ſeyn, daher in mehreren ſolchen Faͤllen die Operation der
Atresia hymenaica (ſ. §. 137.) und die Eroͤffnung des na-
tuͤrlichen Geſchlechtsweges die vollkommenſte Huͤlfe gewaͤhrt;
außerdem aber koͤnnen und muͤſſen, namentlich ſobald In-
continentia urinae ſich eingeſtellt hat, Mittel, welche oͤrt-
lich die Contraktilitaͤt erhoͤhen, angewendet werden, und kalte
Fomentationen von rothem Wein, dem Aufguß von Serpil-
lum, Absynthium, mit der TR. terrae Catechu, nebſt Ein-
bringen eines Schwammes durch aͤhnliche Fluͤſſigkeiten be-
feuchtet, in die Vagina, ſind deßhalb zu empfehlen.
*) Ein Beyſpiel, wo ein Maͤdchen ſich abſichtlich, um ihre Aerzte zu
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/466>, abgerufen am 21.11.2024.
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