oft übergangen wird. -- Um ein richtiges Bild derselben zu entwerfen, ist es daher, wie auch namentlich von H. Cla- rus, welchem wir eine treffliche Abhandlung über diesen Ge- genstand verdanken, *) geschehen ist, unerlaßlich, auf die Ver- hältnisse unter welchen die Krankheit gewöhnlich entsteht, auf- merksam zu machen, indem hieran sie oft mehr, als aus ihren äußerlich wahrnehmbaren Zeichen, erkennbar ist.
§. 533.
Man sieht sie aber vorzüglich bey sehr sinnlichen, durch Romanenleserey, frühe Ausschweifungen u. s. w. verdorbenen Personen, und zwar wohl nur innerhalb der zeugungsfähigen Jahre, und die Ausbildung der Entzündung kommt gewöhn- lich durch Einflüsse zu Stande, welche entweder physisch durch Veranlassung heftiger Congestionen und Stockungen in den in- nern Genitalien wirken, wie plötzliche Unterdrückung der Men- struation, in Folge heftig reizender Purgir- oder treibender Mittel, der häufig Statt findende Geschlechtsreiz, ohne da- durch bewirkte Schwangerschaft, übermäßiger Genuß geistiger Getränke und stark gewürzter Speisen, plötzliche Erkältungen u. s. w.; oder von der psychischen Seite aus, das Geschlechts- system heftig erregen, als unglückliche Liebe, plötzliche Um- wandlung der Lebensweise, zumal wo bey unbefriedigtem Ge- schlechtsbedürfniß die Phantasie um so gewaltsamer aufgeregt wird, daher, wie H. Clarus bemerkt, das Uebel, nament- lich bey feilen Dirnen, wenn sie wegen Syphilis oder Krätze in Heilanstalten oder Zuchthäuser gebracht werden, ausbricht.
§. 534.
Die Zeichen, welche die ausgebrochene Krankheit charak- terisiren, sind: 1) Schmerzhaftigkeit des afficirten Organs, welche indeß oft nur bey angebrachtem äußern Drucke em- pfunden wird; 2) das Gefühl einer Anschwellung, etwa von der Größe einer welschen Nuß, bey tieferem Eingreifen
*) S. Annalen des klinischen Instituts zu Leipzig In Bds 2e Abth. 1812. S. 194.
I. Theil. 26
oft uͤbergangen wird. — Um ein richtiges Bild derſelben zu entwerfen, iſt es daher, wie auch namentlich von H. Cla- rus, welchem wir eine treffliche Abhandlung uͤber dieſen Ge- genſtand verdanken, *) geſchehen iſt, unerlaßlich, auf die Ver- haͤltniſſe unter welchen die Krankheit gewoͤhnlich entſteht, auf- merkſam zu machen, indem hieran ſie oft mehr, als aus ihren aͤußerlich wahrnehmbaren Zeichen, erkennbar iſt.
§. 533.
Man ſieht ſie aber vorzuͤglich bey ſehr ſinnlichen, durch Romanenleſerey, fruͤhe Ausſchweifungen u. ſ. w. verdorbenen Perſonen, und zwar wohl nur innerhalb der zeugungsfaͤhigen Jahre, und die Ausbildung der Entzuͤndung kommt gewoͤhn- lich durch Einfluͤſſe zu Stande, welche entweder phyſiſch durch Veranlaſſung heftiger Congeſtionen und Stockungen in den in- nern Genitalien wirken, wie ploͤtzliche Unterdruͤckung der Men- ſtruation, in Folge heftig reizender Purgir- oder treibender Mittel, der haͤufig Statt findende Geſchlechtsreiz, ohne da- durch bewirkte Schwangerſchaft, uͤbermaͤßiger Genuß geiſtiger Getraͤnke und ſtark gewuͤrzter Speiſen, ploͤtzliche Erkaͤltungen u. ſ. w.; oder von der pſychiſchen Seite aus, das Geſchlechts- ſyſtem heftig erregen, als ungluͤckliche Liebe, ploͤtzliche Um- wandlung der Lebensweiſe, zumal wo bey unbefriedigtem Ge- ſchlechtsbeduͤrfniß die Phantaſie um ſo gewaltſamer aufgeregt wird, daher, wie H. Clarus bemerkt, das Uebel, nament- lich bey feilen Dirnen, wenn ſie wegen Syphilis oder Kraͤtze in Heilanſtalten oder Zuchthaͤuſer gebracht werden, ausbricht.
§. 534.
Die Zeichen, welche die ausgebrochene Krankheit charak- teriſiren, ſind: 1) Schmerzhaftigkeit des afficirten Organs, welche indeß oft nur bey angebrachtem aͤußern Drucke em- pfunden wird; 2) das Gefuͤhl einer Anſchwellung, etwa von der Groͤße einer welſchen Nuß, bey tieferem Eingreifen
*) S. Annalen des kliniſchen Inſtituts zu Leipzig In Bds 2e Abth. 1812. S. 194.
I. Theil. 26
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oft uͤbergangen wird. — Um ein richtiges Bild derſelben zu
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rus, welchem wir eine treffliche Abhandlung uͤber dieſen Ge-
genſtand verdanken, *) geſchehen iſt, unerlaßlich, auf die Ver-
haͤltniſſe unter welchen die Krankheit gewoͤhnlich entſteht, auf-
merkſam zu machen, indem hieran ſie oft mehr, als aus
ihren aͤußerlich wahrnehmbaren Zeichen, erkennbar iſt.
§. 533.
Man ſieht ſie aber vorzuͤglich bey ſehr ſinnlichen, durch
Romanenleſerey, fruͤhe Ausſchweifungen u. ſ. w. verdorbenen
Perſonen, und zwar wohl nur innerhalb der zeugungsfaͤhigen
Jahre, und die Ausbildung der Entzuͤndung kommt gewoͤhn-
lich durch Einfluͤſſe zu Stande, welche entweder phyſiſch durch
Veranlaſſung heftiger Congeſtionen und Stockungen in den in-
nern Genitalien wirken, wie ploͤtzliche Unterdruͤckung der Men-
ſtruation, in Folge heftig reizender Purgir- oder treibender
Mittel, der haͤufig Statt findende Geſchlechtsreiz, ohne da-
durch bewirkte Schwangerſchaft, uͤbermaͤßiger Genuß geiſtiger
Getraͤnke und ſtark gewuͤrzter Speiſen, ploͤtzliche Erkaͤltungen
u. ſ. w.; oder von der pſychiſchen Seite aus, das Geſchlechts-
ſyſtem heftig erregen, als ungluͤckliche Liebe, ploͤtzliche Um-
wandlung der Lebensweiſe, zumal wo bey unbefriedigtem Ge-
ſchlechtsbeduͤrfniß die Phantaſie um ſo gewaltſamer aufgeregt
wird, daher, wie H. Clarus bemerkt, das Uebel, nament-
lich bey feilen Dirnen, wenn ſie wegen Syphilis oder Kraͤtze
in Heilanſtalten oder Zuchthaͤuſer gebracht werden, ausbricht.
§. 534.
Die Zeichen, welche die ausgebrochene Krankheit charak-
teriſiren, ſind: 1) Schmerzhaftigkeit des afficirten Organs,
welche indeß oft nur bey angebrachtem aͤußern Drucke em-
pfunden wird; 2) das Gefuͤhl einer Anſchwellung, etwa
von der Groͤße einer welſchen Nuß, bey tieferem Eingreifen
*) S. Annalen des kliniſchen Inſtituts zu Leipzig In Bds 2e Abth.
1812. S. 194.
I. Theil. 26
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/421>, abgerufen am 21.11.2024.
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