Die Beschwerden, welche ein Mutterscheidenvorfall veran- laßt und wodurch er sich dem Gefühle der Kranken selbst zu er- kennen giebt, sind Drängen und Vollseyn in den Geburtstheilen, Hinderungen beym Urinlassen und Stuhlgange, so wie beym Coitus beschwerte Conception, Veranlassung des weißen Flusses, und bey weit hervortretendem Vorfalle Excoriationen durch den Harnabfluß, Degenerationen, Entzündung und selbst Gan- grän. *) Außerdem entstehen durch bedeutende Scheidenvorfälle nach und nach gewöhnlich Vorfälle der Gebärmutter, so wie dadurch bey eintretender Schwangerschaft und Geburt manche regelwidrige Zufälle veranlaßt werden können.
516.
Die Ursachen des Mutterscheidenvorfalls sind theils Schlaffheit der Geschlechtsorgane und der dieselben zunächst um- gebenden Theile überhaupt, in Folge öfterer Blutflüsse, häufiger Wochenbetten, unzeitiger Geburten, ausschweifender Lebens- weise, und begünstigt durch ein sehr weites Becken, theils Ato- nie in den Wänden des Scheidenkanals insbesondre, welche ver- anlaßt werden kann durch heftige und lang dauernde Ausdehnun- gen derselben bey schweren Geburten, durch erlittene Quetschun- gen oder partielle Zerreißungen, vorzüglich durch beträchtliche Einrisse des Mittelfleisches, durch langwierigen weißen Fluß u. s. w. Plötzlich kann dieser Vorfall erzeugt, oder wenigstens seine allmählige Entstehung sehr befördert werden durch Heben schwerer Lasten, Springen, Fallen, anhaltenden Husten, Stuhl- zwang oder heftiges Erbrechen, durch heftiges Verarbeiten der Geburtswehen, vorzüglich in einer unangemessenen Lage, z. B. auf einem Geburtsstuhle mit senkrechter Rückenlehne u. s. w. Zuweilen endlich entsteht der Mutterscheidenvorfall auch in Folge von Krankheiten benachbarter Organe, in Folge von Senkungen
*) Ein merkwürdiges Beyspiel dieser Art wird von Winzmann er- zählt in v. Siebold's Journ. f. Geburtsh. Bd. I. St. 2. S. 244.
§. 515.
Die Beſchwerden, welche ein Mutterſcheidenvorfall veran- laßt und wodurch er ſich dem Gefuͤhle der Kranken ſelbſt zu er- kennen giebt, ſind Draͤngen und Vollſeyn in den Geburtstheilen, Hinderungen beym Urinlaſſen und Stuhlgange, ſo wie beym Coitus beſchwerte Conception, Veranlaſſung des weißen Fluſſes, und bey weit hervortretendem Vorfalle Excoriationen durch den Harnabfluß, Degenerationen, Entzuͤndung und ſelbſt Gan- graͤn. *) Außerdem entſtehen durch bedeutende Scheidenvorfaͤlle nach und nach gewoͤhnlich Vorfaͤlle der Gebaͤrmutter, ſo wie dadurch bey eintretender Schwangerſchaft und Geburt manche regelwidrige Zufaͤlle veranlaßt werden koͤnnen.
516.
Die Urſachen des Mutterſcheidenvorfalls ſind theils Schlaffheit der Geſchlechtsorgane und der dieſelben zunaͤchſt um- gebenden Theile uͤberhaupt, in Folge oͤfterer Blutfluͤſſe, haͤufiger Wochenbetten, unzeitiger Geburten, ausſchweifender Lebens- weiſe, und beguͤnſtigt durch ein ſehr weites Becken, theils Ato- nie in den Waͤnden des Scheidenkanals insbeſondre, welche ver- anlaßt werden kann durch heftige und lang dauernde Ausdehnun- gen derſelben bey ſchweren Geburten, durch erlittene Quetſchun- gen oder partielle Zerreißungen, vorzuͤglich durch betraͤchtliche Einriſſe des Mittelfleiſches, durch langwierigen weißen Fluß u. ſ. w. Ploͤtzlich kann dieſer Vorfall erzeugt, oder wenigſtens ſeine allmaͤhlige Entſtehung ſehr befoͤrdert werden durch Heben ſchwerer Laſten, Springen, Fallen, anhaltenden Huſten, Stuhl- zwang oder heftiges Erbrechen, durch heftiges Verarbeiten der Geburtswehen, vorzuͤglich in einer unangemeſſenen Lage, z. B. auf einem Geburtsſtuhle mit ſenkrechter Ruͤckenlehne u. ſ. w. Zuweilen endlich entſteht der Mutterſcheidenvorfall auch in Folge von Krankheiten benachbarter Organe, in Folge von Senkungen
*) Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel dieſer Art wird von Winzmann er- zaͤhlt in v. Siebold’s Journ. f. Geburtsh. Bd. I. St. 2. S. 244.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><pbfacs="#f0411"n="391"/><divn="9"><head>§. 515.</head><lb/><p>Die Beſchwerden, welche ein Mutterſcheidenvorfall veran-<lb/>
laßt und wodurch er ſich dem Gefuͤhle der Kranken ſelbſt zu er-<lb/>
kennen giebt, ſind Draͤngen und Vollſeyn in den Geburtstheilen,<lb/>
Hinderungen beym Urinlaſſen und Stuhlgange, ſo wie beym<lb/>
Coitus beſchwerte Conception, Veranlaſſung des weißen Fluſſes,<lb/>
und bey weit hervortretendem Vorfalle Excoriationen durch den<lb/>
Harnabfluß, Degenerationen, Entzuͤndung und ſelbſt Gan-<lb/>
graͤn. <noteplace="foot"n="*)">Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel dieſer Art wird von <hirendition="#g">Winzmann</hi> er-<lb/>
zaͤhlt in v. <hirendition="#g">Siebold</hi>’s Journ. f. Geburtsh. Bd. <hirendition="#aq">I.</hi> St. 2. S. 244.</note> Außerdem entſtehen durch bedeutende Scheidenvorfaͤlle<lb/>
nach und nach gewoͤhnlich Vorfaͤlle der Gebaͤrmutter, ſo wie<lb/>
dadurch bey eintretender Schwangerſchaft und Geburt manche<lb/>
regelwidrige Zufaͤlle veranlaßt werden koͤnnen.</p></div><lb/><divn="9"><head>516.</head><lb/><p>Die <hirendition="#g">Urſachen</hi> des Mutterſcheidenvorfalls ſind theils<lb/>
Schlaffheit der Geſchlechtsorgane und der dieſelben zunaͤchſt um-<lb/>
gebenden Theile uͤberhaupt, in Folge oͤfterer Blutfluͤſſe, haͤufiger<lb/>
Wochenbetten, unzeitiger Geburten, ausſchweifender Lebens-<lb/>
weiſe, und beguͤnſtigt durch ein ſehr weites Becken, theils Ato-<lb/>
nie in den Waͤnden des Scheidenkanals insbeſondre, welche ver-<lb/>
anlaßt werden kann durch heftige und lang dauernde Ausdehnun-<lb/>
gen derſelben bey ſchweren Geburten, durch erlittene Quetſchun-<lb/>
gen oder partielle Zerreißungen, vorzuͤglich durch betraͤchtliche<lb/>
Einriſſe des Mittelfleiſches, durch langwierigen weißen Fluß u.<lb/>ſ. w. Ploͤtzlich kann dieſer Vorfall erzeugt, oder wenigſtens<lb/>ſeine allmaͤhlige Entſtehung ſehr befoͤrdert werden durch Heben<lb/>ſchwerer Laſten, Springen, Fallen, anhaltenden Huſten, Stuhl-<lb/>
zwang oder heftiges Erbrechen, durch heftiges Verarbeiten der<lb/>
Geburtswehen, vorzuͤglich in einer unangemeſſenen Lage, z. B.<lb/>
auf einem Geburtsſtuhle mit ſenkrechter Ruͤckenlehne u. ſ. w.<lb/>
Zuweilen endlich entſteht der Mutterſcheidenvorfall auch in Folge<lb/>
von Krankheiten benachbarter Organe, in Folge von Senkungen<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[391/0411]
§. 515.
Die Beſchwerden, welche ein Mutterſcheidenvorfall veran-
laßt und wodurch er ſich dem Gefuͤhle der Kranken ſelbſt zu er-
kennen giebt, ſind Draͤngen und Vollſeyn in den Geburtstheilen,
Hinderungen beym Urinlaſſen und Stuhlgange, ſo wie beym
Coitus beſchwerte Conception, Veranlaſſung des weißen Fluſſes,
und bey weit hervortretendem Vorfalle Excoriationen durch den
Harnabfluß, Degenerationen, Entzuͤndung und ſelbſt Gan-
graͤn. *) Außerdem entſtehen durch bedeutende Scheidenvorfaͤlle
nach und nach gewoͤhnlich Vorfaͤlle der Gebaͤrmutter, ſo wie
dadurch bey eintretender Schwangerſchaft und Geburt manche
regelwidrige Zufaͤlle veranlaßt werden koͤnnen.
516.
Die Urſachen des Mutterſcheidenvorfalls ſind theils
Schlaffheit der Geſchlechtsorgane und der dieſelben zunaͤchſt um-
gebenden Theile uͤberhaupt, in Folge oͤfterer Blutfluͤſſe, haͤufiger
Wochenbetten, unzeitiger Geburten, ausſchweifender Lebens-
weiſe, und beguͤnſtigt durch ein ſehr weites Becken, theils Ato-
nie in den Waͤnden des Scheidenkanals insbeſondre, welche ver-
anlaßt werden kann durch heftige und lang dauernde Ausdehnun-
gen derſelben bey ſchweren Geburten, durch erlittene Quetſchun-
gen oder partielle Zerreißungen, vorzuͤglich durch betraͤchtliche
Einriſſe des Mittelfleiſches, durch langwierigen weißen Fluß u.
ſ. w. Ploͤtzlich kann dieſer Vorfall erzeugt, oder wenigſtens
ſeine allmaͤhlige Entſtehung ſehr befoͤrdert werden durch Heben
ſchwerer Laſten, Springen, Fallen, anhaltenden Huſten, Stuhl-
zwang oder heftiges Erbrechen, durch heftiges Verarbeiten der
Geburtswehen, vorzuͤglich in einer unangemeſſenen Lage, z. B.
auf einem Geburtsſtuhle mit ſenkrechter Ruͤckenlehne u. ſ. w.
Zuweilen endlich entſteht der Mutterſcheidenvorfall auch in Folge
von Krankheiten benachbarter Organe, in Folge von Senkungen
*) Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel dieſer Art wird von Winzmann er-
zaͤhlt in v. Siebold’s Journ. f. Geburtsh. Bd. I. St. 2. S. 244.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/411>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.