Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

ter Geschlechtstrieb, Unterdrückungen der Menstruation, des
Hämorrhoidal- oder weißen Flusses; ferner wird noch be-
stimmtere Veranlassung dazu gegeben durch schwere Geburten,
besonders durch gewaltsame, mit Instrumenten verrichtete
künstliche Eröffnung des Muttermundes, roh ausgeführte Zan-
genentbindungen bey nicht sattsam erweitertem Muttermunde,
gewaltsame Lostrennung der Nachgeburt; durch ausschwei-
fende Lebensart, stark zusammenziehende, kalte oder reizende
Injectionen oder Tampons. Alles Dinge, welche vorzüglich
den Muttermund und die Vaginalportion heftig reizen, wo-
durch, zumal da gerade diese Gegend die nervenreichste am
Uterus ist (in sofern man diesen Ausdruck von einem über-
haupt so nervenarmen Gebilde brauchen kann), Congestionen,
Entzündungen und Degenerationen so leicht verursacht werden,
und wodurch es erklärlich wird, warum, wenn unter Be-
günstigung der allgemeinen Constitution Krebs entsteht, dieser
fast immer vom Muttermunde beginnt.

§. 453.

Noch nähere Veranlassung zu Entstehung skirrhöser Ver-
härtungen geben ferner oft unvollkommen zertheilte Entzün-
dungen bey vernachlässigten Puerperalfiebern oder nach Unter-
drückungen gewohnter Secretionen entstanden, Mißbrauch er-
hitzender Abführ- oder treibender Mittel; ferner das unter-
lassene Selbststillen bey Personen, welche doch ihrem Allge-
meinbefinden nach recht wohl hätten stillen können (eine in
unsern Tagen gewiß nebst dem Uebermaaße im Geschlechts-
genusse nicht selten Statt findende Ursache); eben so die Aus-
schweifungen im Genuß spirituöser, gewürzhafter Dinge, das
unter den Damen nicht selten herrschende übermäßige Kaffee-
und Theetrinken, der Genuß von Liqueur, Chokolade u. s. w. --
Endlich auch die Periode des weiblichen Lebens selbst, in wel-
cher die Menstruation naturgemäß cessirt, namentlich wenn
auch hier fruchtlose Geschlechtsreizungen und sonst ungeordnete
Lebensweise andauern. -- Von welchen Einflüssen denn sämmt-
lich noch zu bemerken ist, daß so wie sie eines Theils im
Stande sind, die skirrhöse Verhärtung zunächst zu erzeugen,

ter Geſchlechtstrieb, Unterdruͤckungen der Menſtruation, des
Haͤmorrhoidal- oder weißen Fluſſes; ferner wird noch be-
ſtimmtere Veranlaſſung dazu gegeben durch ſchwere Geburten,
beſonders durch gewaltſame, mit Inſtrumenten verrichtete
kuͤnſtliche Eroͤffnung des Muttermundes, roh ausgefuͤhrte Zan-
genentbindungen bey nicht ſattſam erweitertem Muttermunde,
gewaltſame Lostrennung der Nachgeburt; durch ausſchwei-
fende Lebensart, ſtark zuſammenziehende, kalte oder reizende
Injectionen oder Tampons. Alles Dinge, welche vorzuͤglich
den Muttermund und die Vaginalportion heftig reizen, wo-
durch, zumal da gerade dieſe Gegend die nervenreichſte am
Uterus iſt (in ſofern man dieſen Ausdruck von einem uͤber-
haupt ſo nervenarmen Gebilde brauchen kann), Congeſtionen,
Entzuͤndungen und Degenerationen ſo leicht verurſacht werden,
und wodurch es erklaͤrlich wird, warum, wenn unter Be-
guͤnſtigung der allgemeinen Conſtitution Krebs entſteht, dieſer
faſt immer vom Muttermunde beginnt.

§. 453.

Noch naͤhere Veranlaſſung zu Entſtehung ſkirrhoͤſer Ver-
haͤrtungen geben ferner oft unvollkommen zertheilte Entzuͤn-
dungen bey vernachlaͤſſigten Puerperalfiebern oder nach Unter-
druͤckungen gewohnter Secretionen entſtanden, Mißbrauch er-
hitzender Abfuͤhr- oder treibender Mittel; ferner das unter-
laſſene Selbſtſtillen bey Perſonen, welche doch ihrem Allge-
meinbefinden nach recht wohl haͤtten ſtillen koͤnnen (eine in
unſern Tagen gewiß nebſt dem Uebermaaße im Geſchlechts-
genuſſe nicht ſelten Statt findende Urſache); eben ſo die Aus-
ſchweifungen im Genuß ſpirituoͤſer, gewuͤrzhafter Dinge, das
unter den Damen nicht ſelten herrſchende uͤbermaͤßige Kaffee-
und Theetrinken, der Genuß von Liqueur, Chokolade u. ſ. w. —
Endlich auch die Periode des weiblichen Lebens ſelbſt, in wel-
cher die Menſtruation naturgemaͤß ceſſirt, namentlich wenn
auch hier fruchtloſe Geſchlechtsreizungen und ſonſt ungeordnete
Lebensweiſe andauern. — Von welchen Einfluͤſſen denn ſaͤmmt-
lich noch zu bemerken iſt, daß ſo wie ſie eines Theils im
Stande ſind, die ſkirrhoͤſe Verhaͤrtung zunaͤchſt zu erzeugen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <p><pb facs="#f0368" n="348"/>
ter Ge&#x017F;chlechtstrieb, Unterdru&#x0364;ckungen der Men&#x017F;truation, des<lb/>
Ha&#x0364;morrhoidal- oder weißen Flu&#x017F;&#x017F;es; ferner wird noch be-<lb/>
&#x017F;timmtere Veranla&#x017F;&#x017F;ung dazu gegeben durch &#x017F;chwere Geburten,<lb/>
be&#x017F;onders durch gewalt&#x017F;ame, mit In&#x017F;trumenten verrichtete<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tliche Ero&#x0364;ffnung des Muttermundes, roh ausgefu&#x0364;hrte Zan-<lb/>
genentbindungen bey nicht &#x017F;att&#x017F;am erweitertem Muttermunde,<lb/>
gewalt&#x017F;ame Lostrennung der Nachgeburt; durch aus&#x017F;chwei-<lb/>
fende Lebensart, &#x017F;tark zu&#x017F;ammenziehende, kalte oder reizende<lb/>
Injectionen oder Tampons. Alles Dinge, welche vorzu&#x0364;glich<lb/>
den Muttermund und die Vaginalportion heftig reizen, wo-<lb/>
durch, zumal da gerade die&#x017F;e Gegend die nervenreich&#x017F;te am<lb/>
Uterus i&#x017F;t (in &#x017F;ofern man die&#x017F;en Ausdruck von einem u&#x0364;ber-<lb/>
haupt &#x017F;o nervenarmen Gebilde brauchen kann), Conge&#x017F;tionen,<lb/>
Entzu&#x0364;ndungen und Degenerationen &#x017F;o leicht verur&#x017F;acht werden,<lb/>
und wodurch es erkla&#x0364;rlich wird, warum, wenn unter Be-<lb/>
gu&#x0364;n&#x017F;tigung der allgemeinen Con&#x017F;titution Krebs ent&#x017F;teht, die&#x017F;er<lb/>
fa&#x017F;t immer vom Muttermunde beginnt.</p>
                        </div><lb/>
                        <div n="10">
                          <head>§. 453.</head><lb/>
                          <p>Noch na&#x0364;here Veranla&#x017F;&#x017F;ung zu Ent&#x017F;tehung &#x017F;kirrho&#x0364;&#x017F;er Ver-<lb/>
ha&#x0364;rtungen geben ferner oft unvollkommen zertheilte Entzu&#x0364;n-<lb/>
dungen bey vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igten Puerperalfiebern oder nach Unter-<lb/>
dru&#x0364;ckungen gewohnter Secretionen ent&#x017F;tanden, Mißbrauch er-<lb/>
hitzender Abfu&#x0364;hr- oder treibender Mittel; ferner das unter-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ene Selb&#x017F;t&#x017F;tillen bey Per&#x017F;onen, welche doch ihrem Allge-<lb/>
meinbefinden nach recht wohl ha&#x0364;tten &#x017F;tillen ko&#x0364;nnen (eine in<lb/>
un&#x017F;ern Tagen gewiß neb&#x017F;t dem Uebermaaße im Ge&#x017F;chlechts-<lb/>
genu&#x017F;&#x017F;e nicht &#x017F;elten Statt findende Ur&#x017F;ache); eben &#x017F;o die Aus-<lb/>
&#x017F;chweifungen im Genuß &#x017F;pirituo&#x0364;&#x017F;er, gewu&#x0364;rzhafter Dinge, das<lb/>
unter den Damen nicht &#x017F;elten herr&#x017F;chende u&#x0364;berma&#x0364;ßige Kaffee-<lb/>
und Theetrinken, der Genuß von Liqueur, Chokolade u. &#x017F;. w. &#x2014;<lb/>
Endlich auch die Periode des weiblichen Lebens &#x017F;elb&#x017F;t, in wel-<lb/>
cher die Men&#x017F;truation naturgema&#x0364;ß ce&#x017F;&#x017F;irt, namentlich wenn<lb/>
auch hier fruchtlo&#x017F;e Ge&#x017F;chlechtsreizungen und &#x017F;on&#x017F;t ungeordnete<lb/>
Lebenswei&#x017F;e andauern. &#x2014; Von welchen Einflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en denn &#x017F;a&#x0364;mmt-<lb/>
lich noch zu bemerken i&#x017F;t, daß &#x017F;o wie &#x017F;ie eines Theils im<lb/>
Stande &#x017F;ind, die &#x017F;kirrho&#x0364;&#x017F;e Verha&#x0364;rtung zuna&#x0364;ch&#x017F;t zu erzeugen,<lb/></p>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0368] ter Geſchlechtstrieb, Unterdruͤckungen der Menſtruation, des Haͤmorrhoidal- oder weißen Fluſſes; ferner wird noch be- ſtimmtere Veranlaſſung dazu gegeben durch ſchwere Geburten, beſonders durch gewaltſame, mit Inſtrumenten verrichtete kuͤnſtliche Eroͤffnung des Muttermundes, roh ausgefuͤhrte Zan- genentbindungen bey nicht ſattſam erweitertem Muttermunde, gewaltſame Lostrennung der Nachgeburt; durch ausſchwei- fende Lebensart, ſtark zuſammenziehende, kalte oder reizende Injectionen oder Tampons. Alles Dinge, welche vorzuͤglich den Muttermund und die Vaginalportion heftig reizen, wo- durch, zumal da gerade dieſe Gegend die nervenreichſte am Uterus iſt (in ſofern man dieſen Ausdruck von einem uͤber- haupt ſo nervenarmen Gebilde brauchen kann), Congeſtionen, Entzuͤndungen und Degenerationen ſo leicht verurſacht werden, und wodurch es erklaͤrlich wird, warum, wenn unter Be- guͤnſtigung der allgemeinen Conſtitution Krebs entſteht, dieſer faſt immer vom Muttermunde beginnt. §. 453. Noch naͤhere Veranlaſſung zu Entſtehung ſkirrhoͤſer Ver- haͤrtungen geben ferner oft unvollkommen zertheilte Entzuͤn- dungen bey vernachlaͤſſigten Puerperalfiebern oder nach Unter- druͤckungen gewohnter Secretionen entſtanden, Mißbrauch er- hitzender Abfuͤhr- oder treibender Mittel; ferner das unter- laſſene Selbſtſtillen bey Perſonen, welche doch ihrem Allge- meinbefinden nach recht wohl haͤtten ſtillen koͤnnen (eine in unſern Tagen gewiß nebſt dem Uebermaaße im Geſchlechts- genuſſe nicht ſelten Statt findende Urſache); eben ſo die Aus- ſchweifungen im Genuß ſpirituoͤſer, gewuͤrzhafter Dinge, das unter den Damen nicht ſelten herrſchende uͤbermaͤßige Kaffee- und Theetrinken, der Genuß von Liqueur, Chokolade u. ſ. w. — Endlich auch die Periode des weiblichen Lebens ſelbſt, in wel- cher die Menſtruation naturgemaͤß ceſſirt, namentlich wenn auch hier fruchtloſe Geſchlechtsreizungen und ſonſt ungeordnete Lebensweiſe andauern. — Von welchen Einfluͤſſen denn ſaͤmmt- lich noch zu bemerken iſt, daß ſo wie ſie eines Theils im Stande ſind, die ſkirrhoͤſe Verhaͤrtung zunaͤchſt zu erzeugen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/368
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/368>, abgerufen am 21.12.2024.