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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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Ansicht gewiß nur zum Nachtheil der Kranken lange Zeit ver-
folgt wurde, gegen welche wir uns daher gleich im Eingange
verwahren wollten, verhoffend, daß die oben angestellten Be-
trachtungen über nächsten Grund solcher Krankheitserscheinun-
gen noch bey Erwägung der entfernten Ursachen sich
immer mehr bestätigen werden. Zu diesen rechnen wir aber
zuvörderst die Constitution. Gerade schwammige, phlegmati-
sche Naturen aber, bey welchen im Allgemeinen schon die
höhern Thätigkeiten unter der Last einer wuchernden Repro-
duction darnieder liegen, zeigen vorzügliche Disposition zur
Leukorrhöe, und die Krankheit bildet sich um so leichter aus,
je mehr die Sensibilität und Contraktilität der Geschlechtsorgane
durch häufige Erregungen ihrer Reproduction, öftere Schwanger-
schaften, ausschweifende Lebensart, erlittene Blutflüsse u. s. w.
niedergedrückt, oder auch, was die Sensibilität betrifft, theils
durch ähnliche Einflüsse, theils durch Mißbrauch erhitzender Ge-
tränke und Speisen krankhaft erhöht ist. Eben so muß zu
diesen Ursachen gezählt werden alles, was die Entwickelung
einer solchen atonischen Constitution befördert, als üppige, un-
thätige Lebensweise, Aufenthalt in feuchter, warmer Luft
u. s. w.

§. 385.

Durch örtliche Erregung des Geschlechtssystems entsteht
ferner der weiße Fluß zuweilen bey jungen Mädchen in Folge
der thätigern Reproduction dieses Systems in den Jahren ein-
tretender Pubertät, ferner in der Schwangerschaft selbst; eben
so, wo in Folge anderer Kraukheitszustände, z. B. verhärteter
Unterleibsdrüsen, Obstructionen größerer Eingeweide u. s. w.,
oder in Folge von Metastasen rheumatischer, exanthematischer
und gichtischer Krankheitsstoffe, Congestionen gegen die Uterin-
gefäße sich bilden, oder durch Mißbrauch drastischer Abführ-
mittel, treibender, zur Wiederherstellung der Menstruation an-
gewandter Arzneyen; durch schwerverdauliche, oder die Schleim-
häute besonders anregende, gesalzene, eyweißstoffreiche Spei-
sen (z. B. Fische, Krebse) verursacht werden. Ferner gehört
hierher die Ansteckung selbst, oder auch, ohne dieselbe der zu

Anſicht gewiß nur zum Nachtheil der Kranken lange Zeit ver-
folgt wurde, gegen welche wir uns daher gleich im Eingange
verwahren wollten, verhoffend, daß die oben angeſtellten Be-
trachtungen uͤber naͤchſten Grund ſolcher Krankheitserſcheinun-
gen noch bey Erwaͤgung der entfernten Urſachen ſich
immer mehr beſtaͤtigen werden. Zu dieſen rechnen wir aber
zuvoͤrderſt die Conſtitution. Gerade ſchwammige, phlegmati-
ſche Naturen aber, bey welchen im Allgemeinen ſchon die
hoͤhern Thaͤtigkeiten unter der Laſt einer wuchernden Repro-
duction darnieder liegen, zeigen vorzuͤgliche Dispoſition zur
Leukorrhoͤe, und die Krankheit bildet ſich um ſo leichter aus,
je mehr die Senſibilitaͤt und Contraktilitaͤt der Geſchlechtsorgane
durch haͤufige Erregungen ihrer Reproduction, oͤftere Schwanger-
ſchaften, ausſchweifende Lebensart, erlittene Blutfluͤſſe u. ſ. w.
niedergedruͤckt, oder auch, was die Senſibilitaͤt betrifft, theils
durch aͤhnliche Einfluͤſſe, theils durch Mißbrauch erhitzender Ge-
traͤnke und Speiſen krankhaft erhoͤht iſt. Eben ſo muß zu
dieſen Urſachen gezaͤhlt werden alles, was die Entwickelung
einer ſolchen atoniſchen Conſtitution befoͤrdert, als uͤppige, un-
thaͤtige Lebensweiſe, Aufenthalt in feuchter, warmer Luft
u. ſ. w.

§. 385.

Durch oͤrtliche Erregung des Geſchlechtsſyſtems entſteht
ferner der weiße Fluß zuweilen bey jungen Maͤdchen in Folge
der thaͤtigern Reproduction dieſes Syſtems in den Jahren ein-
tretender Pubertaͤt, ferner in der Schwangerſchaft ſelbſt; eben
ſo, wo in Folge anderer Kraukheitszuſtaͤnde, z. B. verhaͤrteter
Unterleibsdruͤſen, Obſtructionen groͤßerer Eingeweide u. ſ. w.,
oder in Folge von Metaſtaſen rheumatiſcher, exanthematiſcher
und gichtiſcher Krankheitsſtoffe, Congeſtionen gegen die Uterin-
gefaͤße ſich bilden, oder durch Mißbrauch draſtiſcher Abfuͤhr-
mittel, treibender, zur Wiederherſtellung der Menſtruation an-
gewandter Arzneyen; durch ſchwerverdauliche, oder die Schleim-
haͤute beſonders anregende, geſalzene, eyweißſtoffreiche Spei-
ſen (z. B. Fiſche, Krebſe) verurſacht werden. Ferner gehoͤrt
hierher die Anſteckung ſelbſt, oder auch, ohne dieſelbe der zu

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[299/0319] Anſicht gewiß nur zum Nachtheil der Kranken lange Zeit ver- folgt wurde, gegen welche wir uns daher gleich im Eingange verwahren wollten, verhoffend, daß die oben angeſtellten Be- trachtungen uͤber naͤchſten Grund ſolcher Krankheitserſcheinun- gen noch bey Erwaͤgung der entfernten Urſachen ſich immer mehr beſtaͤtigen werden. Zu dieſen rechnen wir aber zuvoͤrderſt die Conſtitution. Gerade ſchwammige, phlegmati- ſche Naturen aber, bey welchen im Allgemeinen ſchon die hoͤhern Thaͤtigkeiten unter der Laſt einer wuchernden Repro- duction darnieder liegen, zeigen vorzuͤgliche Dispoſition zur Leukorrhoͤe, und die Krankheit bildet ſich um ſo leichter aus, je mehr die Senſibilitaͤt und Contraktilitaͤt der Geſchlechtsorgane durch haͤufige Erregungen ihrer Reproduction, oͤftere Schwanger- ſchaften, ausſchweifende Lebensart, erlittene Blutfluͤſſe u. ſ. w. niedergedruͤckt, oder auch, was die Senſibilitaͤt betrifft, theils durch aͤhnliche Einfluͤſſe, theils durch Mißbrauch erhitzender Ge- traͤnke und Speiſen krankhaft erhoͤht iſt. Eben ſo muß zu dieſen Urſachen gezaͤhlt werden alles, was die Entwickelung einer ſolchen atoniſchen Conſtitution befoͤrdert, als uͤppige, un- thaͤtige Lebensweiſe, Aufenthalt in feuchter, warmer Luft u. ſ. w. §. 385. Durch oͤrtliche Erregung des Geſchlechtsſyſtems entſteht ferner der weiße Fluß zuweilen bey jungen Maͤdchen in Folge der thaͤtigern Reproduction dieſes Syſtems in den Jahren ein- tretender Pubertaͤt, ferner in der Schwangerſchaft ſelbſt; eben ſo, wo in Folge anderer Kraukheitszuſtaͤnde, z. B. verhaͤrteter Unterleibsdruͤſen, Obſtructionen groͤßerer Eingeweide u. ſ. w., oder in Folge von Metaſtaſen rheumatiſcher, exanthematiſcher und gichtiſcher Krankheitsſtoffe, Congeſtionen gegen die Uterin- gefaͤße ſich bilden, oder durch Mißbrauch draſtiſcher Abfuͤhr- mittel, treibender, zur Wiederherſtellung der Menſtruation an- gewandter Arzneyen; durch ſchwerverdauliche, oder die Schleim- haͤute beſonders anregende, geſalzene, eyweißſtoffreiche Spei- ſen (z. B. Fiſche, Krebſe) verurſacht werden. Ferner gehoͤrt hierher die Anſteckung ſelbſt, oder auch, ohne dieſelbe der zu

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/319>, abgerufen am 21.11.2024.