Nervensystem diese Störungen wahrnimmt, sondern auch in wiefern seine Bildung selbst leidet. Wird daher die Krankheit fortwährend mit sogenannten Nervenmitteln, krampf- widrigen Mitteln u. s. w. bekämpft, auf die Wurzel aller Bil- dungsthätigkeit aber, d. i. auf Digestion und Sanguifikation keine oder nicht genügende Rücksicht genommen, so kann es leicht der Fall seyn daß, obwohl hin und wieder die Krank- heit etwas erleichtert wird, sie doch im Ganzen immer tiefer einwurzelt, immer mehr die Quellen des Lebens untergräbt, und immer unheilbarer wird.
§. 318.
Es wird sonach auch hier Aufgabe der Behandlung, zuvörderst dem Gange der Krankheit, den in irgend einem gegebenen Falle vorhandenen besondern Ursachen ihrer Entste- hung nachzuspüren und diese zu bekämpfen. Finden sich da- her, was hier so häufig bemerkt wird, in Folge früherer scrofulöser Zustände Auftreibungen der Unterleibseingeweide, verschleimter Zustand des Darmkanals, fehlerhafte Gallenbe- reitung, Obstruktion u. s. w., so muß abgesehen von allen andern Symptomen (von palliativer Behandlung der drin- gendsten sprechen wir weiter unten), durch zweckmäßige An- wendung resolvirender Mittel, des Extract. Taraxaci, Sa- ponariae, Chelidonii, der Mittelsalze, mit Rheum, Senna u. s. w., der Seife, der Antimonialien, der frischen Kräuter- säfte, durch Besuchung des Karlsbades, durch Anordnung einer sehr einfachen strengen Diät, bey fleißiger Körperbewe- gung im Freien, äußerlich durch Friktionen des Unterleibes und Seifenbäder, zunächst die Beseitigung der abnormen Zu- stände des Darmkanals, Zweck der Behandlung bleiben. Gleichermaaßen kann aber auch das Gefäßsystem selbst der Sitz der Krankheit seyn, die Blutbereitung ist bey Hysteri- schen oft sehr reichlich, das Blut selbst oft, aus der Ader gelassen, dick und sehr wenig geröthet, es bilden sich dann Ueberfüllungen, namentlich des Venensystems, und ganz be- sonders des durch einen Zwischenkreislauf (in der Leber) vom allgemeinen Kreislaufe und der Einwirkung des Herzens mehr entfernten Pfortadersystems, es wird dadurch das Gan-
Nervenſyſtem dieſe Stoͤrungen wahrnimmt, ſondern auch in wiefern ſeine Bildung ſelbſt leidet. Wird daher die Krankheit fortwaͤhrend mit ſogenannten Nervenmitteln, krampf- widrigen Mitteln u. ſ. w. bekaͤmpft, auf die Wurzel aller Bil- dungsthaͤtigkeit aber, d. i. auf Digeſtion und Sanguifikation keine oder nicht genuͤgende Ruͤckſicht genommen, ſo kann es leicht der Fall ſeyn daß, obwohl hin und wieder die Krank- heit etwas erleichtert wird, ſie doch im Ganzen immer tiefer einwurzelt, immer mehr die Quellen des Lebens untergraͤbt, und immer unheilbarer wird.
§. 318.
Es wird ſonach auch hier Aufgabe der Behandlung, zuvoͤrderſt dem Gange der Krankheit, den in irgend einem gegebenen Falle vorhandenen beſondern Urſachen ihrer Entſte- hung nachzuſpuͤren und dieſe zu bekaͤmpfen. Finden ſich da- her, was hier ſo haͤufig bemerkt wird, in Folge fruͤherer ſcrofuloͤſer Zuſtaͤnde Auftreibungen der Unterleibseingeweide, verſchleimter Zuſtand des Darmkanals, fehlerhafte Gallenbe- reitung, Obſtruktion u. ſ. w., ſo muß abgeſehen von allen andern Symptomen (von palliativer Behandlung der drin- gendſten ſprechen wir weiter unten), durch zweckmaͤßige An- wendung reſolvirender Mittel, des Extract. Taraxaci, Sa- ponariae, Chelidonii, der Mittelſalze, mit Rheum, Senna u. ſ. w., der Seife, der Antimonialien, der friſchen Kraͤuter- ſaͤfte, durch Beſuchung des Karlsbades, durch Anordnung einer ſehr einfachen ſtrengen Diaͤt, bey fleißiger Koͤrperbewe- gung im Freien, aͤußerlich durch Friktionen des Unterleibes und Seifenbaͤder, zunaͤchſt die Beſeitigung der abnormen Zu- ſtaͤnde des Darmkanals, Zweck der Behandlung bleiben. Gleichermaaßen kann aber auch das Gefaͤßſyſtem ſelbſt der Sitz der Krankheit ſeyn, die Blutbereitung iſt bey Hyſteri- ſchen oft ſehr reichlich, das Blut ſelbſt oft, aus der Ader gelaſſen, dick und ſehr wenig geroͤthet, es bilden ſich dann Ueberfuͤllungen, namentlich des Venenſyſtems, und ganz be- ſonders des durch einen Zwiſchenkreislauf (in der Leber) vom allgemeinen Kreislaufe und der Einwirkung des Herzens mehr entfernten Pfortaderſyſtems, es wird dadurch das Gan-
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Nervenſyſtem dieſe Stoͤrungen wahrnimmt, ſondern auch in
wiefern ſeine Bildung ſelbſt leidet. Wird daher die
Krankheit fortwaͤhrend mit ſogenannten Nervenmitteln, krampf-
widrigen Mitteln u. ſ. w. bekaͤmpft, auf die Wurzel aller Bil-
dungsthaͤtigkeit aber, d. i. auf Digeſtion und Sanguifikation
keine oder nicht genuͤgende Ruͤckſicht genommen, ſo kann es
leicht der Fall ſeyn daß, obwohl hin und wieder die Krank-
heit etwas erleichtert wird, ſie doch im Ganzen immer tiefer
einwurzelt, immer mehr die Quellen des Lebens untergraͤbt,
und immer unheilbarer wird.
§. 318.
Es wird ſonach auch hier Aufgabe der Behandlung,
zuvoͤrderſt dem Gange der Krankheit, den in irgend einem
gegebenen Falle vorhandenen beſondern Urſachen ihrer Entſte-
hung nachzuſpuͤren und dieſe zu bekaͤmpfen. Finden ſich da-
her, was hier ſo haͤufig bemerkt wird, in Folge fruͤherer
ſcrofuloͤſer Zuſtaͤnde Auftreibungen der Unterleibseingeweide,
verſchleimter Zuſtand des Darmkanals, fehlerhafte Gallenbe-
reitung, Obſtruktion u. ſ. w., ſo muß abgeſehen von allen
andern Symptomen (von palliativer Behandlung der drin-
gendſten ſprechen wir weiter unten), durch zweckmaͤßige An-
wendung reſolvirender Mittel, des Extract. Taraxaci, Sa-
ponariae, Chelidonii, der Mittelſalze, mit Rheum, Senna
u. ſ. w., der Seife, der Antimonialien, der friſchen Kraͤuter-
ſaͤfte, durch Beſuchung des Karlsbades, durch Anordnung
einer ſehr einfachen ſtrengen Diaͤt, bey fleißiger Koͤrperbewe-
gung im Freien, aͤußerlich durch Friktionen des Unterleibes
und Seifenbaͤder, zunaͤchſt die Beſeitigung der abnormen Zu-
ſtaͤnde des Darmkanals, Zweck der Behandlung bleiben.
Gleichermaaßen kann aber auch das Gefaͤßſyſtem ſelbſt der
Sitz der Krankheit ſeyn, die Blutbereitung iſt bey Hyſteri-
ſchen oft ſehr reichlich, das Blut ſelbſt oft, aus der Ader
gelaſſen, dick und ſehr wenig geroͤthet, es bilden ſich dann
Ueberfuͤllungen, namentlich des Venenſyſtems, und ganz be-
ſonders des durch einen Zwiſchenkreislauf (in der Leber)
vom allgemeinen Kreislaufe und der Einwirkung des Herzens
mehr entfernten Pfortaderſyſtems, es wird dadurch das Gan-
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/266>, abgerufen am 21.11.2024.
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