namentlich auf zweyerley Wege die Krankheit zu erzeugen vermögen, nämlich entweder vom Gemüth aus, oder vom Organ. Zu den disponirenden Ursachen gehören aber lebhafte Phantasie, auf wollüstige Gegenstände durch häufige unschickliche Lektüre, durch schlüpfrigen Umgang und vieles Tanzen gerichtet; ferner Vollblütigkeit, lebhaftes Tempera- ment, Genuß stark nährender und zugleich erhitzender, Con- gestionen nach den Geschlechtsorganen herbeyführender Speisen und Getränke, Schlafen in sehr warmen Betten, Mißbrauch der Kohlentöpfe, übermäßige Befriedigung des Geschlechtstrie- bes, zumal während der Schwangerschaft (wo um so eher bey der an sich stärkern Erregung des Geschlechtssystems und Unstatthaftigkeit neuer Conception die chronische Entzündung der Ovarien eintreten kann), Wurmbeschwerden, vorzüglich Askariden (welche sich zuweilen wohl selbst zu den Geschlechts- organen verbreiten), scharfer weißer Fluß, Steine in den Harnwegen u. s. w. -- Gelegenheitsursachen können fast die meisten derer, das Gemüth oder die Geschlechtsor- gane afficirenden heftigen Reitze werden; wir zählen dahin namentlich Unglück in der Liebe (eine sehr häufige Veran- lassung), plötzliche Entziehung des gewohnten Geschlechtsge- nußes (weßhalb die Krankheit bey jungen Wittwen nicht sel- ten beobachtet wird), Reitzung der Genitalien durch unpassend schlecht verfertigte oder gelegte Pessarien, durch drastische Ab- führmittel, durch Emmenagoga, zur Unzeit bey Amenorrhöe vollsaftiger Personen angewendet, durch stark reitzende Einspri- tzungen, syphilitische Ansteckung, heiße Dampfbäder u. s. w. -- Alles Ursachen, deren Natur dem oben angegebenen entzünd- lichen Charakter der Krankheit vollkommen entspricht.
§. 282.
Die Prognose ist bey dieser Krankheit immer mißlich, jedoch am übelsten, wenn sie bereits den zweiten oder gar den dritten Grad erreicht hat, in welchem letztern sie in der Regel unheilbar zu seyn pflegt, vielmehr in vollkommner Tollheit, durch Epilepsie oder die übrigen §. 278. erwähnten Arten sich endigt: günstiger wird daher die Voraussagung nur da seyn können, wo die Krankheit auf einer niedern
namentlich auf zweyerley Wege die Krankheit zu erzeugen vermoͤgen, naͤmlich entweder vom Gemuͤth aus, oder vom Organ. Zu den disponirenden Urſachen gehoͤren aber lebhafte Phantaſie, auf wolluͤſtige Gegenſtaͤnde durch haͤufige unſchickliche Lektuͤre, durch ſchluͤpfrigen Umgang und vieles Tanzen gerichtet; ferner Vollbluͤtigkeit, lebhaftes Tempera- ment, Genuß ſtark naͤhrender und zugleich erhitzender, Con- geſtionen nach den Geſchlechtsorganen herbeyfuͤhrender Speiſen und Getraͤnke, Schlafen in ſehr warmen Betten, Mißbrauch der Kohlentoͤpfe, uͤbermaͤßige Befriedigung des Geſchlechtstrie- bes, zumal waͤhrend der Schwangerſchaft (wo um ſo eher bey der an ſich ſtaͤrkern Erregung des Geſchlechtsſyſtems und Unſtatthaftigkeit neuer Conception die chroniſche Entzuͤndung der Ovarien eintreten kann), Wurmbeſchwerden, vorzuͤglich Aſkariden (welche ſich zuweilen wohl ſelbſt zu den Geſchlechts- organen verbreiten), ſcharfer weißer Fluß, Steine in den Harnwegen u. ſ. w. — Gelegenheitsurſachen koͤnnen faſt die meiſten derer, das Gemuͤth oder die Geſchlechtsor- gane afficirenden heftigen Reitze werden; wir zaͤhlen dahin namentlich Ungluͤck in der Liebe (eine ſehr haͤufige Veran- laſſung), ploͤtzliche Entziehung des gewohnten Geſchlechtsge- nußes (weßhalb die Krankheit bey jungen Wittwen nicht ſel- ten beobachtet wird), Reitzung der Genitalien durch unpaſſend ſchlecht verfertigte oder gelegte Peſſarien, durch draſtiſche Ab- fuͤhrmittel, durch Emmenagoga, zur Unzeit bey Amenorrhoͤe vollſaftiger Perſonen angewendet, durch ſtark reitzende Einſpri- tzungen, ſyphilitiſche Anſteckung, heiße Dampfbaͤder u. ſ. w. — Alles Urſachen, deren Natur dem oben angegebenen entzuͤnd- lichen Charakter der Krankheit vollkommen entſpricht.
§. 282.
Die Prognoſe iſt bey dieſer Krankheit immer mißlich, jedoch am uͤbelſten, wenn ſie bereits den zweiten oder gar den dritten Grad erreicht hat, in welchem letztern ſie in der Regel unheilbar zu ſeyn pflegt, vielmehr in vollkommner Tollheit, durch Epilepſie oder die uͤbrigen §. 278. erwaͤhnten Arten ſich endigt: guͤnſtiger wird daher die Vorausſagung nur da ſeyn koͤnnen, wo die Krankheit auf einer niedern
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namentlich auf zweyerley Wege die Krankheit zu erzeugen
vermoͤgen, naͤmlich entweder vom Gemuͤth aus, oder vom
Organ. Zu den disponirenden Urſachen gehoͤren aber
lebhafte Phantaſie, auf wolluͤſtige Gegenſtaͤnde durch haͤufige
unſchickliche Lektuͤre, durch ſchluͤpfrigen Umgang und vieles
Tanzen gerichtet; ferner Vollbluͤtigkeit, lebhaftes Tempera-
ment, Genuß ſtark naͤhrender und zugleich erhitzender, Con-
geſtionen nach den Geſchlechtsorganen herbeyfuͤhrender Speiſen
und Getraͤnke, Schlafen in ſehr warmen Betten, Mißbrauch
der Kohlentoͤpfe, uͤbermaͤßige Befriedigung des Geſchlechtstrie-
bes, zumal waͤhrend der Schwangerſchaft (wo um ſo eher
bey der an ſich ſtaͤrkern Erregung des Geſchlechtsſyſtems und
Unſtatthaftigkeit neuer Conception die chroniſche Entzuͤndung
der Ovarien eintreten kann), Wurmbeſchwerden, vorzuͤglich
Aſkariden (welche ſich zuweilen wohl ſelbſt zu den Geſchlechts-
organen verbreiten), ſcharfer weißer Fluß, Steine in den
Harnwegen u. ſ. w. — Gelegenheitsurſachen koͤnnen
faſt die meiſten derer, das Gemuͤth oder die Geſchlechtsor-
gane afficirenden heftigen Reitze werden; wir zaͤhlen dahin
namentlich Ungluͤck in der Liebe (eine ſehr haͤufige Veran-
laſſung), ploͤtzliche Entziehung des gewohnten Geſchlechtsge-
nußes (weßhalb die Krankheit bey jungen Wittwen nicht ſel-
ten beobachtet wird), Reitzung der Genitalien durch unpaſſend
ſchlecht verfertigte oder gelegte Peſſarien, durch draſtiſche Ab-
fuͤhrmittel, durch Emmenagoga, zur Unzeit bey Amenorrhoͤe
vollſaftiger Perſonen angewendet, durch ſtark reitzende Einſpri-
tzungen, ſyphilitiſche Anſteckung, heiße Dampfbaͤder u. ſ. w. —
Alles Urſachen, deren Natur dem oben angegebenen entzuͤnd-
lichen Charakter der Krankheit vollkommen entſpricht.
§. 282.
Die Prognoſe iſt bey dieſer Krankheit immer mißlich,
jedoch am uͤbelſten, wenn ſie bereits den zweiten oder gar
den dritten Grad erreicht hat, in welchem letztern ſie in der
Regel unheilbar zu ſeyn pflegt, vielmehr in vollkommner
Tollheit, durch Epilepſie oder die uͤbrigen §. 278. erwaͤhnten
Arten ſich endigt: guͤnſtiger wird daher die Vorausſagung
nur da ſeyn koͤnnen, wo die Krankheit auf einer niedern
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/240>, abgerufen am 03.12.2024.
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