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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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dessen, was wir Seele nennen, zum Körper, die verschieden-
sten Ansichten erzeugt worden sind. -- Hier können und sol-
len nur kürzlich diejenigen Regeln zusammengestellt werden,
welche Vernunft und Erfahrung als die mindest zweydeutigen
und als die einfachsten darstellen.

§. 258.

Zuerst aber bemerken wir in dieser Hinsicht, daß, in-
dem offenbar in so vielen Fällen es sich erkennen läßt, wie
Störungen in den niedern Funktionen auf die höhern zurück-
wirken, es das vorzügliche Augenmerk des Arztes seyn müsse,
in den oben betrachteten Zufällen der Entwicklungsperiode des
weiblichen Geschlechts den Stand der niedern organischen Ver-
richtungen genau zu untersuchen, auf krankhafte Zustände der
Verdauungswerkzeuge, Verschleimung, Obstruktionen, fehler-
hafte Gallenabsonderung, hinlängliche Rücksicht zu nehmen,
ferner den Zustand des Lymphsystems so wie des Gefäßsystems
und insbesondre der venösen Gefäße, endlich aber die Bil-
dung und Thätigkeit der Geschlechtsorgane zu beachten. Fin-
den sich nun hier auf irgend eine Art bedeutende Störungen
vor, so wird die Behandlung und Beseitigung derselben, nach
den Regeln, welche theils die specielle Therapie, theils die
Lehre von den Geschlechtskrankheiten aufstellt, den Arzt stets
zuerst beschäftigen müssen, indem entweder das Leiden des
Nervensystems selbst hierdurch verschwinden, oder doch eine
die Heilung desselben erschwerende oder gänzlich hindernde
Complication dadurch entfernt werden wird.

§. 259.

Einen zweyten Hauptpunkt ärztlicher Behandlung muß fer-
ner die Untersuchung und Regulirung der gesammten Lebensord-
nung der Kranken ausmachen. Es wird ganz vergebens seyn,
für die meisten Fälle von Krämpfen, von überspannter Empfind-
lichkeit u. s. w. einen noch so zweckmäßigen Heilplan zu ent-
werfen, gelingt es dem Arzte nicht, die vielfachen Diätfeh-
ler, den Mißbrauch von warmen, erhitzenden und erschlaffen-
den Geträuken, die Reitzung der Phantasie durch ungewählte
Lektüre und unpassenden Umgang, das Nachtschwärmen und

deſſen, was wir Seele nennen, zum Koͤrper, die verſchieden-
ſten Anſichten erzeugt worden ſind. — Hier koͤnnen und ſol-
len nur kuͤrzlich diejenigen Regeln zuſammengeſtellt werden,
welche Vernunft und Erfahrung als die mindeſt zweydeutigen
und als die einfachſten darſtellen.

§. 258.

Zuerſt aber bemerken wir in dieſer Hinſicht, daß, in-
dem offenbar in ſo vielen Faͤllen es ſich erkennen laͤßt, wie
Stoͤrungen in den niedern Funktionen auf die hoͤhern zuruͤck-
wirken, es das vorzuͤgliche Augenmerk des Arztes ſeyn muͤſſe,
in den oben betrachteten Zufaͤllen der Entwicklungsperiode des
weiblichen Geſchlechts den Stand der niedern organiſchen Ver-
richtungen genau zu unterſuchen, auf krankhafte Zuſtaͤnde der
Verdauungswerkzeuge, Verſchleimung, Obſtruktionen, fehler-
hafte Gallenabſonderung, hinlaͤngliche Ruͤckſicht zu nehmen,
ferner den Zuſtand des Lymphſyſtems ſo wie des Gefaͤßſyſtems
und insbeſondre der venoͤſen Gefaͤße, endlich aber die Bil-
dung und Thaͤtigkeit der Geſchlechtsorgane zu beachten. Fin-
den ſich nun hier auf irgend eine Art bedeutende Stoͤrungen
vor, ſo wird die Behandlung und Beſeitigung derſelben, nach
den Regeln, welche theils die ſpecielle Therapie, theils die
Lehre von den Geſchlechtskrankheiten aufſtellt, den Arzt ſtets
zuerſt beſchaͤftigen muͤſſen, indem entweder das Leiden des
Nervenſyſtems ſelbſt hierdurch verſchwinden, oder doch eine
die Heilung deſſelben erſchwerende oder gaͤnzlich hindernde
Complication dadurch entfernt werden wird.

§. 259.

Einen zweyten Hauptpunkt aͤrztlicher Behandlung muß fer-
ner die Unterſuchung und Regulirung der geſammten Lebensord-
nung der Kranken ausmachen. Es wird ganz vergebens ſeyn,
fuͤr die meiſten Faͤlle von Kraͤmpfen, von uͤberſpannter Empfind-
lichkeit u. ſ. w. einen noch ſo zweckmaͤßigen Heilplan zu ent-
werfen, gelingt es dem Arzte nicht, die vielfachen Diaͤtfeh-
ler, den Mißbrauch von warmen, erhitzenden und erſchlaffen-
den Getraͤuken, die Reitzung der Phantaſie durch ungewaͤhlte
Lektuͤre und unpaſſenden Umgang, das Nachtſchwaͤrmen und

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[198/0218] deſſen, was wir Seele nennen, zum Koͤrper, die verſchieden- ſten Anſichten erzeugt worden ſind. — Hier koͤnnen und ſol- len nur kuͤrzlich diejenigen Regeln zuſammengeſtellt werden, welche Vernunft und Erfahrung als die mindeſt zweydeutigen und als die einfachſten darſtellen. §. 258. Zuerſt aber bemerken wir in dieſer Hinſicht, daß, in- dem offenbar in ſo vielen Faͤllen es ſich erkennen laͤßt, wie Stoͤrungen in den niedern Funktionen auf die hoͤhern zuruͤck- wirken, es das vorzuͤgliche Augenmerk des Arztes ſeyn muͤſſe, in den oben betrachteten Zufaͤllen der Entwicklungsperiode des weiblichen Geſchlechts den Stand der niedern organiſchen Ver- richtungen genau zu unterſuchen, auf krankhafte Zuſtaͤnde der Verdauungswerkzeuge, Verſchleimung, Obſtruktionen, fehler- hafte Gallenabſonderung, hinlaͤngliche Ruͤckſicht zu nehmen, ferner den Zuſtand des Lymphſyſtems ſo wie des Gefaͤßſyſtems und insbeſondre der venoͤſen Gefaͤße, endlich aber die Bil- dung und Thaͤtigkeit der Geſchlechtsorgane zu beachten. Fin- den ſich nun hier auf irgend eine Art bedeutende Stoͤrungen vor, ſo wird die Behandlung und Beſeitigung derſelben, nach den Regeln, welche theils die ſpecielle Therapie, theils die Lehre von den Geſchlechtskrankheiten aufſtellt, den Arzt ſtets zuerſt beſchaͤftigen muͤſſen, indem entweder das Leiden des Nervenſyſtems ſelbſt hierdurch verſchwinden, oder doch eine die Heilung deſſelben erſchwerende oder gaͤnzlich hindernde Complication dadurch entfernt werden wird. §. 259. Einen zweyten Hauptpunkt aͤrztlicher Behandlung muß fer- ner die Unterſuchung und Regulirung der geſammten Lebensord- nung der Kranken ausmachen. Es wird ganz vergebens ſeyn, fuͤr die meiſten Faͤlle von Kraͤmpfen, von uͤberſpannter Empfind- lichkeit u. ſ. w. einen noch ſo zweckmaͤßigen Heilplan zu ent- werfen, gelingt es dem Arzte nicht, die vielfachen Diaͤtfeh- ler, den Mißbrauch von warmen, erhitzenden und erſchlaffen- den Getraͤuken, die Reitzung der Phantaſie durch ungewaͤhlte Lektuͤre und unpaſſenden Umgang, das Nachtſchwaͤrmen und

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/218>, abgerufen am 21.11.2024.