Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.gespannten Leib. Rücksichtlich des Gefäßsystems bemerkt §. 216. Ueber die Ursachen der Bleichsucht ist man stets sehr *) So ist mir ein Fall bekannt, wo ein bleichsüchtiges Mädchen, bey welchem die Menstruation noch gar nicht erschienen war, mehrere Jahre stets in der Frühlingszeit einen starken Hämorrhoidalblutfluß bekam; eine andere litt in der Herbstzeit an Blutbrechen. **) So sagt z. B. v. Siebold (Handb. d. Frauenzimmerkrankheiten. Th. 1. S. 281.): "Die Bleichsucht ist eine Krankheit der Repro- duktion, und ihre nächste Ursache liegt in der so sehr gesunkenen Thätigkeit ihrer einen Seite der Produktivität." Allein was unter- scheidet dann Bleichsucht von jedem andern atrophischen Zustand, von Auszehrung, Marasmus u. s. w.? ***) S. Heinroth Lehrb. d. Seelenstörungen. Thl. 1. S. 193. I. Theil. 11
geſpannten Leib. Ruͤckſichtlich des Gefaͤßſyſtems bemerkt §. 216. Ueber die Urſachen der Bleichſucht iſt man ſtets ſehr *) So iſt mir ein Fall bekannt, wo ein bleichſuͤchtiges Maͤdchen, bey welchem die Menſtruation noch gar nicht erſchienen war, mehrere Jahre ſtets in der Fruͤhlingszeit einen ſtarken Haͤmorrhoidalblutfluß bekam; eine andere litt in der Herbſtzeit an Blutbrechen. **) So ſagt z. B. v. Siebold (Handb. d. Frauenzimmerkrankheiten. Th. 1. S. 281.): „Die Bleichſucht iſt eine Krankheit der Repro- duktion, und ihre naͤchſte Urſache liegt in der ſo ſehr geſunkenen Thaͤtigkeit ihrer einen Seite der Produktivitaͤt.“ Allein was unter- ſcheidet dann Bleichſucht von jedem andern atrophiſchen Zuſtand, von Auszehrung, Marasmus u. ſ. w.? ***) S. Heinroth Lehrb. d. Seelenſtoͤrungen. Thl. 1. S. 193. I. Theil. 11
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geſpannten Leib. Ruͤckſichtlich des Gefaͤßſyſtems bemerkt
man einen kleinen, zuweilen langſamen, zuweilen aber auch
fieberhaften und frequenten Puls, ſeltener Neigung zu Con-
geſtionen oder periodiſchen Blutungen aus ungewoͤhnlichen
Organen *). Die animalen Funktionen betreffend, ſo zeigt
ſich allgemeine Mattigkeit, Kopfſchmerz, Schwindel, Schlaͤf-
rigkeit, und doch oft unruhiger aͤngſtlicher Schlaf, melancho-
liſche Gemuͤthsſtimmung durch haͤufiges Weinen und weniges
Sprechen bezeichnet, ja es bilden ſich zuweilen fixe Ideen,
oder der Zuſtand geht ſogar in Wahnſinn uͤber. Das Ge-
ſchlechtsſyſtem iſt hierbey gemeiniglich ebenfalls in ſeinen Ver-
richtungen gehemmt, die Menſtruation (als das Produkt all-
gemeiner Bildungsthaͤtigkeit) erſcheint folglich insgemein nicht,
oder iſt mißfarbig, ſelten und ſpaͤrlich; ja die Organe ſelbſt
ſind oft nur unvollkommen entwickelt, Bruͤſte und Uterus
ſehr klein, und der Geſchlechstrieb mangelt entweder voͤllig,
oder iſt krankhaft aufgereitzt und erhoͤht.
§. 216.
Ueber die Urſachen der Bleichſucht iſt man ſtets ſehr
verſchiedener Meynung geweſen, namentlich indem man die
ſogenannte naͤchſte Urſache derſelben beſtimmen wollte **).
Nun iſt aber unter der naͤchſten Urſache nichts anders als
die Krankheit ſelbſt, ihrem Weſen nach, in wiefern dieſes
Weſentliche den Grund der aͤußerlich wahrnehmbaren Symp-
tome enthaͤlt, zu begreifen (weßhalb auch jene Benennung,
wie neuerlich von mehrern Seiten erinnert wurde ***), un-
*) So iſt mir ein Fall bekannt, wo ein bleichſuͤchtiges Maͤdchen, bey
welchem die Menſtruation noch gar nicht erſchienen war, mehrere
Jahre ſtets in der Fruͤhlingszeit einen ſtarken Haͤmorrhoidalblutfluß
bekam; eine andere litt in der Herbſtzeit an Blutbrechen.
**) So ſagt z. B. v. Siebold (Handb. d. Frauenzimmerkrankheiten.
Th. 1. S. 281.): „Die Bleichſucht iſt eine Krankheit der Repro-
duktion, und ihre naͤchſte Urſache liegt in der ſo ſehr geſunkenen
Thaͤtigkeit ihrer einen Seite der Produktivitaͤt.“ Allein was unter-
ſcheidet dann Bleichſucht von jedem andern atrophiſchen Zuſtand,
von Auszehrung, Marasmus u. ſ. w.?
***) S. Heinroth Lehrb. d. Seelenſtoͤrungen. Thl. 1. S. 193.
I. Theil. 11
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