Was nun aber zunächst das weibliche Geschlecht betrifft, so finden wir bey den meisten weniger kräftigen Individuen in der Periode, wo das Wachsthum des Körpers ziemlich be- endigt ist, daß auch ohne eigentliche Störung des Wohlbe- findens, doch eine blaßere Hautfarbe, Müdigkeit, eine mehr melancholische Stimmung, mangelnder Appetit u. s. w. diese wichtige Epoche bezeichnen, und merkwürdig ist zugleich die Neigung zu Krankheiten, welche, obwohl sie dem weiblichen Geschlecht keineswegs ausschließend eigenthümlich sind, doch insbesondre auf abnormes Hervortreten der der Reproduktion entgegenwirkenden Funktionen sich beziehen, wohin denn vor- züglich die Brustkrankheiten und namentlich die so vielen Jung- frauen verderblichen Lungenschwindsuchten *) gehören. Allein auch ohne solche organische Zerstörungen erreichen zuweilen die erwähnten in Folge körperlicher Entwicklung eintretenden Be- schwerden eine krankhafte Höhe (ohngefähr eben so wie die Molimina Menstruationis zuweilen krankhaft werden) und begründen so oft eine Reihe von Erscheinungen, welche wir unter dem Namen der Bleichsucht, Jungfernkrankheit, des blassen Fiebers (Icterus albus) zusammenfassen.
§. 215.
Man bemerkt aber an Personen, welche an dieser Krank- heit leiden: weiße, kreidenhafte, oft auch ins graue oder grünlichte fallende (daher Chlorosis, von khloros, grün) Gesichtsfarbe, mit bläulichten Rändern um die Augen und blassen bläulichten Lippen, meist eine trockene, gedunsene oder wirklich ödematöse Haut, verminderte Temperatur, be- legte Zunge, gestörten Appetit, zuweilen auch wohl mit eigenen Gelüsten zu ungenießbaren Dingen, wie Erde u. s. w. verbunden. -- Ferner schlechte Verdauung, Ueblichkeiten, Säureerzeugung, Magendrücken, Blähungsbeschwerden, Un- ordnung in den Stuhlausleerungen, blaßen wäßrigen Urin,
*) S. über diese Krankheit junger Mädchen vorzüglich H. Osianders interessante Bemerkungen a. a. O. Thl. 2. S. 124.
§. 214.
Was nun aber zunaͤchſt das weibliche Geſchlecht betrifft, ſo finden wir bey den meiſten weniger kraͤftigen Individuen in der Periode, wo das Wachsthum des Koͤrpers ziemlich be- endigt iſt, daß auch ohne eigentliche Stoͤrung des Wohlbe- findens, doch eine blaßere Hautfarbe, Muͤdigkeit, eine mehr melancholiſche Stimmung, mangelnder Appetit u. ſ. w. dieſe wichtige Epoche bezeichnen, und merkwuͤrdig iſt zugleich die Neigung zu Krankheiten, welche, obwohl ſie dem weiblichen Geſchlecht keineswegs ausſchließend eigenthuͤmlich ſind, doch insbeſondre auf abnormes Hervortreten der der Reproduktion entgegenwirkenden Funktionen ſich beziehen, wohin denn vor- zuͤglich die Bruſtkrankheiten und namentlich die ſo vielen Jung- frauen verderblichen Lungenſchwindſuchten *) gehoͤren. Allein auch ohne ſolche organiſche Zerſtoͤrungen erreichen zuweilen die erwaͤhnten in Folge koͤrperlicher Entwicklung eintretenden Be- ſchwerden eine krankhafte Hoͤhe (ohngefaͤhr eben ſo wie die Molimina Menstruationis zuweilen krankhaft werden) und begruͤnden ſo oft eine Reihe von Erſcheinungen, welche wir unter dem Namen der Bleichſucht, Jungfernkrankheit, des blaſſen Fiebers (Icterus albus) zuſammenfaſſen.
§. 215.
Man bemerkt aber an Perſonen, welche an dieſer Krank- heit leiden: weiße, kreidenhafte, oft auch ins graue oder gruͤnlichte fallende (daher Chlorosis, von χλωρός, gruͤn) Geſichtsfarbe, mit blaͤulichten Raͤndern um die Augen und blaſſen blaͤulichten Lippen, meiſt eine trockene, gedunſene oder wirklich oͤdematoͤſe Haut, verminderte Temperatur, be- legte Zunge, geſtoͤrten Appetit, zuweilen auch wohl mit eigenen Geluͤſten zu ungenießbaren Dingen, wie Erde u. ſ. w. verbunden. — Ferner ſchlechte Verdauung, Ueblichkeiten, Saͤureerzeugung, Magendruͤcken, Blaͤhungsbeſchwerden, Un- ordnung in den Stuhlausleerungen, blaßen waͤßrigen Urin,
*) S. uͤber dieſe Krankheit junger Maͤdchen vorzuͤglich H. Oſianders intereſſante Bemerkungen a. a. O. Thl. 2. S. 124.
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§. 214.
Was nun aber zunaͤchſt das weibliche Geſchlecht betrifft,
ſo finden wir bey den meiſten weniger kraͤftigen Individuen
in der Periode, wo das Wachsthum des Koͤrpers ziemlich be-
endigt iſt, daß auch ohne eigentliche Stoͤrung des Wohlbe-
findens, doch eine blaßere Hautfarbe, Muͤdigkeit, eine mehr
melancholiſche Stimmung, mangelnder Appetit u. ſ. w. dieſe
wichtige Epoche bezeichnen, und merkwuͤrdig iſt zugleich die
Neigung zu Krankheiten, welche, obwohl ſie dem weiblichen
Geſchlecht keineswegs ausſchließend eigenthuͤmlich ſind, doch
insbeſondre auf abnormes Hervortreten der der Reproduktion
entgegenwirkenden Funktionen ſich beziehen, wohin denn vor-
zuͤglich die Bruſtkrankheiten und namentlich die ſo vielen Jung-
frauen verderblichen Lungenſchwindſuchten *) gehoͤren. Allein
auch ohne ſolche organiſche Zerſtoͤrungen erreichen zuweilen die
erwaͤhnten in Folge koͤrperlicher Entwicklung eintretenden Be-
ſchwerden eine krankhafte Hoͤhe (ohngefaͤhr eben ſo wie die
Molimina Menstruationis zuweilen krankhaft werden) und
begruͤnden ſo oft eine Reihe von Erſcheinungen, welche wir
unter dem Namen der Bleichſucht, Jungfernkrankheit, des
blaſſen Fiebers (Icterus albus) zuſammenfaſſen.
§. 215.
Man bemerkt aber an Perſonen, welche an dieſer Krank-
heit leiden: weiße, kreidenhafte, oft auch ins graue oder
gruͤnlichte fallende (daher Chlorosis, von χλωρός, gruͤn)
Geſichtsfarbe, mit blaͤulichten Raͤndern um die Augen und
blaſſen blaͤulichten Lippen, meiſt eine trockene, gedunſene
oder wirklich oͤdematoͤſe Haut, verminderte Temperatur, be-
legte Zunge, geſtoͤrten Appetit, zuweilen auch wohl mit
eigenen Geluͤſten zu ungenießbaren Dingen, wie Erde u. ſ. w.
verbunden. — Ferner ſchlechte Verdauung, Ueblichkeiten,
Saͤureerzeugung, Magendruͤcken, Blaͤhungsbeſchwerden, Un-
ordnung in den Stuhlausleerungen, blaßen waͤßrigen Urin,
*) S. uͤber dieſe Krankheit junger Maͤdchen vorzuͤglich H. Oſianders
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/180>, abgerufen am 21.11.2024.
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