schreitet. Als verschiedene Formen, unter welchen dieser Krankheitszustand erscheint, sind theils die der Quantität nach zu starke, theils die der Zeit nach zu häufige Menstruation aufzuführen; beydes kann sich indeß auch vereinigen oder ab- wechselnd sich zeigen, ja selbst (bey der unordentlichen Men- struation) mit der unvollkommnen Menstruation abwechseln. Wesentlich bleibt auch hier das Berücksichtigen der ursachlichen Momente, welche ein solches Mißverhältniß zwischen ge- schlechtlicher Thätigkeit und insbesondre dem Leben der Uterin- gefäße und allgemeiner Bildungsthätigkeit hervorrufen; denn auch hier ist klar, daß nur durch dieses Mißverhältniß der Zustand zur Krankheit wird, indem, wenn die Menstruation im Einklange mit sehr reichlicher allgemeiner Bluterzeugung stärker oder häufiger erscheint, dieß allerdings mit vollkomm- nem Wohlbefinden verbunden seyn kann, und folglich keiner ärztlichen Behandlung unterliegen wird.
§. 194.
Innere vorbereitende Ursachen dieser Abnormi- tät sind aber 1) sanguinisches Temperament, kurzer gedräng- ter Körperbau mit stark entwickeltem Sexualsystem, durch die breiten Hüften und sehr vollen Brüste, so wie durch stärkere Geschlechtsneigung charakterisirt; oder auch im Gegentheile eine schwächliche aber besonders reitzbare Constitution; kurz, ein ursprüngliches, in der organischen Bildung selbst beding- tes Ueberwiegen der Geschlechtsthätigkeit, welches, wenn es mehr im Gefäßsystem sich ausspricht, namentlich von der zu starken, wenn es mehr im Geschlechtssystem sich kund giebt, mehr von der häufiger erscheinenden Menstruation begleitet wird. 2) Hoher Grad von Atonie der Geschlechtsorgane, wo bey unvollkommner Contraktilität der Uteringefäße reich- lichere Blutergießungen, als der Stand allgemeiner Bildungs- thätigkeit fordert, erfolgen, ein Zustand, welcher theils durch zu häufige Wochenbetten, frühere Hämorrhagien, Ausschwei- fungen und Krankheiten der Genitalien (z. B. Leucorrhöe und Syphilis) herbeygeführt werden kann. 3) Organische Verbildungen der Genitalien durch Abscesse, Verhärtungen und Carcinoma. 4) Krankheiten benachbarter Organe, wodurch
ſchreitet. Als verſchiedene Formen, unter welchen dieſer Krankheitszuſtand erſcheint, ſind theils die der Quantitaͤt nach zu ſtarke, theils die der Zeit nach zu haͤufige Menſtruation aufzufuͤhren; beydes kann ſich indeß auch vereinigen oder ab- wechſelnd ſich zeigen, ja ſelbſt (bey der unordentlichen Men- ſtruation) mit der unvollkommnen Menſtruation abwechſeln. Weſentlich bleibt auch hier das Beruͤckſichtigen der urſachlichen Momente, welche ein ſolches Mißverhaͤltniß zwiſchen ge- ſchlechtlicher Thaͤtigkeit und insbeſondre dem Leben der Uterin- gefaͤße und allgemeiner Bildungsthaͤtigkeit hervorrufen; denn auch hier iſt klar, daß nur durch dieſes Mißverhaͤltniß der Zuſtand zur Krankheit wird, indem, wenn die Menſtruation im Einklange mit ſehr reichlicher allgemeiner Bluterzeugung ſtaͤrker oder haͤufiger erſcheint, dieß allerdings mit vollkomm- nem Wohlbefinden verbunden ſeyn kann, und folglich keiner aͤrztlichen Behandlung unterliegen wird.
§. 194.
Innere vorbereitende Urſachen dieſer Abnormi- taͤt ſind aber 1) ſanguiniſches Temperament, kurzer gedraͤng- ter Koͤrperbau mit ſtark entwickeltem Sexualſyſtem, durch die breiten Huͤften und ſehr vollen Bruͤſte, ſo wie durch ſtaͤrkere Geſchlechtsneigung charakteriſirt; oder auch im Gegentheile eine ſchwaͤchliche aber beſonders reitzbare Conſtitution; kurz, ein urſpruͤngliches, in der organiſchen Bildung ſelbſt beding- tes Ueberwiegen der Geſchlechtsthaͤtigkeit, welches, wenn es mehr im Gefaͤßſyſtem ſich ausſpricht, namentlich von der zu ſtarken, wenn es mehr im Geſchlechtsſyſtem ſich kund giebt, mehr von der haͤufiger erſcheinenden Menſtruation begleitet wird. 2) Hoher Grad von Atonie der Geſchlechtsorgane, wo bey unvollkommner Contraktilitaͤt der Uteringefaͤße reich- lichere Blutergießungen, als der Stand allgemeiner Bildungs- thaͤtigkeit fordert, erfolgen, ein Zuſtand, welcher theils durch zu haͤufige Wochenbetten, fruͤhere Haͤmorrhagien, Ausſchwei- fungen und Krankheiten der Genitalien (z. B. Leucorrhoͤe und Syphilis) herbeygefuͤhrt werden kann. 3) Organiſche Verbildungen der Genitalien durch Abſceſſe, Verhaͤrtungen und Carcinoma. 4) Krankheiten benachbarter Organe, wodurch
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ſchreitet. Als verſchiedene Formen, unter welchen dieſer
Krankheitszuſtand erſcheint, ſind theils die der Quantitaͤt nach
zu ſtarke, theils die der Zeit nach zu haͤufige Menſtruation
aufzufuͤhren; beydes kann ſich indeß auch vereinigen oder ab-
wechſelnd ſich zeigen, ja ſelbſt (bey der unordentlichen Men-
ſtruation) mit der unvollkommnen Menſtruation abwechſeln.
Weſentlich bleibt auch hier das Beruͤckſichtigen der urſachlichen
Momente, welche ein ſolches Mißverhaͤltniß zwiſchen ge-
ſchlechtlicher Thaͤtigkeit und insbeſondre dem Leben der Uterin-
gefaͤße und allgemeiner Bildungsthaͤtigkeit hervorrufen; denn
auch hier iſt klar, daß nur durch dieſes Mißverhaͤltniß der
Zuſtand zur Krankheit wird, indem, wenn die Menſtruation
im Einklange mit ſehr reichlicher allgemeiner Bluterzeugung
ſtaͤrker oder haͤufiger erſcheint, dieß allerdings mit vollkomm-
nem Wohlbefinden verbunden ſeyn kann, und folglich keiner
aͤrztlichen Behandlung unterliegen wird.
§. 194.
Innere vorbereitende Urſachen dieſer Abnormi-
taͤt ſind aber 1) ſanguiniſches Temperament, kurzer gedraͤng-
ter Koͤrperbau mit ſtark entwickeltem Sexualſyſtem, durch die
breiten Huͤften und ſehr vollen Bruͤſte, ſo wie durch ſtaͤrkere
Geſchlechtsneigung charakteriſirt; oder auch im Gegentheile
eine ſchwaͤchliche aber beſonders reitzbare Conſtitution; kurz,
ein urſpruͤngliches, in der organiſchen Bildung ſelbſt beding-
tes Ueberwiegen der Geſchlechtsthaͤtigkeit, welches, wenn es
mehr im Gefaͤßſyſtem ſich ausſpricht, namentlich von der zu
ſtarken, wenn es mehr im Geſchlechtsſyſtem ſich kund giebt,
mehr von der haͤufiger erſcheinenden Menſtruation begleitet
wird. 2) Hoher Grad von Atonie der Geſchlechtsorgane,
wo bey unvollkommner Contraktilitaͤt der Uteringefaͤße reich-
lichere Blutergießungen, als der Stand allgemeiner Bildungs-
thaͤtigkeit fordert, erfolgen, ein Zuſtand, welcher theils durch
zu haͤufige Wochenbetten, fruͤhere Haͤmorrhagien, Ausſchwei-
fungen und Krankheiten der Genitalien (z. B. Leucorrhoͤe
und Syphilis) herbeygefuͤhrt werden kann. 3) Organiſche
Verbildungen der Genitalien durch Abſceſſe, Verhaͤrtungen und
Carcinoma. 4) Krankheiten benachbarter Organe, wodurch
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/164>, abgerufen am 21.11.2024.
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