scheinen der Menstruation, sowohl der Zeit als der Quantität und Qualität nach, nicht als besondere Krankheit empfunden werde, in wiefern der Verbildungsproceß selbst, als Haupt- sache, jene Abweichungen nothwendig involvirt, allein daß, wenn die veränderte Struktur als Produkt der Krankheit fest- steht, der normale Zustand im allgemeinen Befinden zurück- kehren kann, so daß nun die kräftigere Reproduktion im Gan- zen oft das Mißverhältniß zu den degenerirten, zur Menstrual- funktion wenig mehr geeigneten Geschlechtsorganen auf ähn- liche Weise wie bey ursprünglichen Mißbildungen (s. vorigen Paragraph) durch vielfache Beschwerden hervortreten lassen wird.
§. 174.
Andere Ursachen der verringerten Menstruation sind das Sinken der reproduktiven Thätigkeit, welches in- deß nur dann die schwächere Menstrualfunktion als Krank- heitszustand erscheinen läßt, wenn sie unverhältnißmäßig zum Ganzen im Geschlechtssystem vermindert ist. So finden wir z. B. in den meisten chronischen und acuten Krankheiten, in der Reconvalescenz, in überhaupt schwächlichen Individuen bey unzulänglicher Nahrung und Pflege des Körpers u. s. w. die Menstruation sparsam, wäßerig, kurz zu schwach; allein dieses an und für sich ist nicht Krankheit, indem ja offen- bar, wenn die Menstruation unter diesen Umständen stark wäre, der Körper darunter leiden müßte; ist hingegen das Leben des Geschlechtssystems allein geschwächt, so muß daraus allerdings wieder ein Mißverhältniß, wie bey den erwähnten organischen Verbildungen, hervorgehen. Solche örtlich die Lebensthätigkeit dieser Gebilde herabsetzende Momente aber sind theils krankhaft gesteigerte Thätigkeit anderer Organe, wodurch namentlich die aus abnormen Quellen fließende Men- struation erzeugt wird, theils Schleim- oder Blutflüße aus denselben, sehr häufige Wochenbetten und zu lang fortgesetz- tes Stillungsgeschäft, ausschweifende Lebensart (Schwäche- zustände, welche namentlich durch Erschlaffung oder abnorme Anschwellung, verringerte Temperatur der Genitalien, schwä- chere oder widernatürlich heftige Geschlechtsneigung charakteri- sirt werden), theils und vorzüglich aber die entweder in
ſcheinen der Menſtruation, ſowohl der Zeit als der Quantitaͤt und Qualitaͤt nach, nicht als beſondere Krankheit empfunden werde, in wiefern der Verbildungsproceß ſelbſt, als Haupt- ſache, jene Abweichungen nothwendig involvirt, allein daß, wenn die veraͤnderte Struktur als Produkt der Krankheit feſt- ſteht, der normale Zuſtand im allgemeinen Befinden zuruͤck- kehren kann, ſo daß nun die kraͤftigere Reproduktion im Gan- zen oft das Mißverhaͤltniß zu den degenerirten, zur Menſtrual- funktion wenig mehr geeigneten Geſchlechtsorganen auf aͤhn- liche Weiſe wie bey urſpruͤnglichen Mißbildungen (ſ. vorigen Paragraph) durch vielfache Beſchwerden hervortreten laſſen wird.
§. 174.
Andere Urſachen der verringerten Menſtruation ſind das Sinken der reproduktiven Thaͤtigkeit, welches in- deß nur dann die ſchwaͤchere Menſtrualfunktion als Krank- heitszuſtand erſcheinen laͤßt, wenn ſie unverhaͤltnißmaͤßig zum Ganzen im Geſchlechtsſyſtem vermindert iſt. So finden wir z. B. in den meiſten chroniſchen und acuten Krankheiten, in der Reconvalescenz, in uͤberhaupt ſchwaͤchlichen Individuen bey unzulaͤnglicher Nahrung und Pflege des Koͤrpers u. ſ. w. die Menſtruation ſparſam, waͤßerig, kurz zu ſchwach; allein dieſes an und fuͤr ſich iſt nicht Krankheit, indem ja offen- bar, wenn die Menſtruation unter dieſen Umſtaͤnden ſtark waͤre, der Koͤrper darunter leiden muͤßte; iſt hingegen das Leben des Geſchlechtsſyſtems allein geſchwaͤcht, ſo muß daraus allerdings wieder ein Mißverhaͤltniß, wie bey den erwaͤhnten organiſchen Verbildungen, hervorgehen. Solche oͤrtlich die Lebensthaͤtigkeit dieſer Gebilde herabſetzende Momente aber ſind theils krankhaft geſteigerte Thaͤtigkeit anderer Organe, wodurch namentlich die aus abnormen Quellen fließende Men- ſtruation erzeugt wird, theils Schleim- oder Blutfluͤße aus denſelben, ſehr haͤufige Wochenbetten und zu lang fortgeſetz- tes Stillungsgeſchaͤft, ausſchweifende Lebensart (Schwaͤche- zuſtaͤnde, welche namentlich durch Erſchlaffung oder abnorme Anſchwellung, verringerte Temperatur der Genitalien, ſchwaͤ- chere oder widernatuͤrlich heftige Geſchlechtsneigung charakteri- ſirt werden), theils und vorzuͤglich aber die entweder in
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ſcheinen der Menſtruation, ſowohl der Zeit als der Quantitaͤt
und Qualitaͤt nach, nicht als beſondere Krankheit empfunden
werde, in wiefern der Verbildungsproceß ſelbſt, als Haupt-
ſache, jene Abweichungen nothwendig involvirt, allein daß,
wenn die veraͤnderte Struktur als Produkt der Krankheit feſt-
ſteht, der normale Zuſtand im allgemeinen Befinden zuruͤck-
kehren kann, ſo daß nun die kraͤftigere Reproduktion im Gan-
zen oft das Mißverhaͤltniß zu den degenerirten, zur Menſtrual-
funktion wenig mehr geeigneten Geſchlechtsorganen auf aͤhn-
liche Weiſe wie bey urſpruͤnglichen Mißbildungen (ſ. vorigen
Paragraph) durch vielfache Beſchwerden hervortreten laſſen wird.
§. 174.
Andere Urſachen der verringerten Menſtruation ſind das
Sinken der reproduktiven Thaͤtigkeit, welches in-
deß nur dann die ſchwaͤchere Menſtrualfunktion als Krank-
heitszuſtand erſcheinen laͤßt, wenn ſie unverhaͤltnißmaͤßig zum
Ganzen im Geſchlechtsſyſtem vermindert iſt. So finden wir
z. B. in den meiſten chroniſchen und acuten Krankheiten, in
der Reconvalescenz, in uͤberhaupt ſchwaͤchlichen Individuen
bey unzulaͤnglicher Nahrung und Pflege des Koͤrpers u. ſ. w.
die Menſtruation ſparſam, waͤßerig, kurz zu ſchwach; allein
dieſes an und fuͤr ſich iſt nicht Krankheit, indem ja offen-
bar, wenn die Menſtruation unter dieſen Umſtaͤnden ſtark
waͤre, der Koͤrper darunter leiden muͤßte; iſt hingegen das
Leben des Geſchlechtsſyſtems allein geſchwaͤcht, ſo muß daraus
allerdings wieder ein Mißverhaͤltniß, wie bey den erwaͤhnten
organiſchen Verbildungen, hervorgehen. Solche oͤrtlich die
Lebensthaͤtigkeit dieſer Gebilde herabſetzende Momente aber
ſind theils krankhaft geſteigerte Thaͤtigkeit anderer Organe,
wodurch namentlich die aus abnormen Quellen fließende Men-
ſtruation erzeugt wird, theils Schleim- oder Blutfluͤße aus
denſelben, ſehr haͤufige Wochenbetten und zu lang fortgeſetz-
tes Stillungsgeſchaͤft, ausſchweifende Lebensart (Schwaͤche-
zuſtaͤnde, welche namentlich durch Erſchlaffung oder abnorme
Anſchwellung, verringerte Temperatur der Genitalien, ſchwaͤ-
chere oder widernatuͤrlich heftige Geſchlechtsneigung charakteri-
ſirt werden), theils und vorzuͤglich aber die entweder in
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/150>, abgerufen am 21.11.2024.
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