Das Wesen (die sogenannte nächste Ursache) eines solchen Zustandes kann aber nothwendig nur als eine im Mißverhältnisse zu allgemeiner Lebensthätigkeit verringert oder gestört erscheinende Lebensthätigkeit des Geschlechtssystems und des Uterus insbesondre betrachtet werden, und wir schließen durch diese ursachliche Bestimmung zugleich alle jene Zustände als nicht krankhaft aus, in welchen, obwohl die Thätigkeit des Uterinsystems geringer ist, als es der Regel nach seyn sollte, doch dieses in Uebereinstimmung mit dem Allgemeinbe- finden steht und deßhalb nicht als Krankheit empfunden wird. Es gilt nämlich in dieser Hinsicht wieder ohngefähr dasselbe, was bereits über den Eintritt der Menstruation gesagt wur- de, nämlich daß das Maaß der Menstruation, gleich jenem, nach der verschiedenen Constitution, Lebensweise u. s. w. ohne Nachtheil der Gesundheit sehr verschieden seyn könne, und es ist einleuchtend, daß bey einem im Ganzen schwächern Kör- perbaue, bey Reconvalescenten u. s. w. die Menstruation selbst geringer seyn müsse, daß sie auch wohl seltener ein- treten könne u. s. w., obwohl dabey ein allgemeines Wohlbe- finden füglich Statt findet; Fälle, wobey denn jedes gewalt- same Anregen einer stärkern oder häufigern Menstruation nothwendig zum größten Nachtheil jener Individuen gereichen würde. Eben dasselbe gilt, wenn die Störung der Men- struation Folge der Schwangerschaft ist, deren Symptome anfänglich oft Vieles mit den Zufällen unvollkommner, und zwar krankhafter Menstruation gemein haben, weßhalb stets bey Untersuchung einzelner Fälle hieran zu denken, und die- ser Zustand nicht zu übersehen ist.
§. 172.
Indem wir also jenes Mißverhältniß zwischen allgemei- net und Geschlechtsthätigkeit allein ins Auge fassen, bleiben uns nur die weitern, sowohl im Körper, als in äußern Ein- wirkungen liegenden Bedingungen (prädisponirende und Gelegenheitsursachen) zu berücksichtigen übrig, wobey zugleich die Art der durch eine oder die andere Ursache am
§. 171.
Das Weſen (die ſogenannte naͤchſte Urſache) eines ſolchen Zuſtandes kann aber nothwendig nur als eine im Mißverhaͤltniſſe zu allgemeiner Lebensthaͤtigkeit verringert oder geſtoͤrt erſcheinende Lebensthaͤtigkeit des Geſchlechtsſyſtems und des Uterus insbeſondre betrachtet werden, und wir ſchließen durch dieſe urſachliche Beſtimmung zugleich alle jene Zuſtaͤnde als nicht krankhaft aus, in welchen, obwohl die Thaͤtigkeit des Uterinſyſtems geringer iſt, als es der Regel nach ſeyn ſollte, doch dieſes in Uebereinſtimmung mit dem Allgemeinbe- finden ſteht und deßhalb nicht als Krankheit empfunden wird. Es gilt naͤmlich in dieſer Hinſicht wieder ohngefaͤhr daſſelbe, was bereits uͤber den Eintritt der Menſtruation geſagt wur- de, naͤmlich daß das Maaß der Menſtruation, gleich jenem, nach der verſchiedenen Conſtitution, Lebensweiſe u. ſ. w. ohne Nachtheil der Geſundheit ſehr verſchieden ſeyn koͤnne, und es iſt einleuchtend, daß bey einem im Ganzen ſchwaͤchern Koͤr- perbaue, bey Reconvalescenten u. ſ. w. die Menſtruation ſelbſt geringer ſeyn muͤſſe, daß ſie auch wohl ſeltener ein- treten koͤnne u. ſ. w., obwohl dabey ein allgemeines Wohlbe- finden fuͤglich Statt findet; Faͤlle, wobey denn jedes gewalt- ſame Anregen einer ſtaͤrkern oder haͤufigern Menſtruation nothwendig zum groͤßten Nachtheil jener Individuen gereichen wuͤrde. Eben daſſelbe gilt, wenn die Stoͤrung der Men- ſtruation Folge der Schwangerſchaft iſt, deren Symptome anfaͤnglich oft Vieles mit den Zufaͤllen unvollkommner, und zwar krankhafter Menſtruation gemein haben, weßhalb ſtets bey Unterſuchung einzelner Faͤlle hieran zu denken, und die- ſer Zuſtand nicht zu uͤberſehen iſt.
§. 172.
Indem wir alſo jenes Mißverhaͤltniß zwiſchen allgemei- net und Geſchlechtsthaͤtigkeit allein ins Auge faſſen, bleiben uns nur die weitern, ſowohl im Koͤrper, als in aͤußern Ein- wirkungen liegenden Bedingungen (praͤdiſponirende und Gelegenheitsurſachen) zu beruͤckſichtigen uͤbrig, wobey zugleich die Art der durch eine oder die andere Urſache am
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§. 171.
Das Weſen (die ſogenannte naͤchſte Urſache) eines
ſolchen Zuſtandes kann aber nothwendig nur als eine im
Mißverhaͤltniſſe zu allgemeiner Lebensthaͤtigkeit verringert oder
geſtoͤrt erſcheinende Lebensthaͤtigkeit des Geſchlechtsſyſtems und
des Uterus insbeſondre betrachtet werden, und wir ſchließen
durch dieſe urſachliche Beſtimmung zugleich alle jene Zuſtaͤnde
als nicht krankhaft aus, in welchen, obwohl die Thaͤtigkeit
des Uterinſyſtems geringer iſt, als es der Regel nach ſeyn
ſollte, doch dieſes in Uebereinſtimmung mit dem Allgemeinbe-
finden ſteht und deßhalb nicht als Krankheit empfunden wird.
Es gilt naͤmlich in dieſer Hinſicht wieder ohngefaͤhr daſſelbe,
was bereits uͤber den Eintritt der Menſtruation geſagt wur-
de, naͤmlich daß das Maaß der Menſtruation, gleich jenem,
nach der verſchiedenen Conſtitution, Lebensweiſe u. ſ. w. ohne
Nachtheil der Geſundheit ſehr verſchieden ſeyn koͤnne, und es
iſt einleuchtend, daß bey einem im Ganzen ſchwaͤchern Koͤr-
perbaue, bey Reconvalescenten u. ſ. w. die Menſtruation
ſelbſt geringer ſeyn muͤſſe, daß ſie auch wohl ſeltener ein-
treten koͤnne u. ſ. w., obwohl dabey ein allgemeines Wohlbe-
finden fuͤglich Statt findet; Faͤlle, wobey denn jedes gewalt-
ſame Anregen einer ſtaͤrkern oder haͤufigern Menſtruation
nothwendig zum groͤßten Nachtheil jener Individuen gereichen
wuͤrde. Eben daſſelbe gilt, wenn die Stoͤrung der Men-
ſtruation Folge der Schwangerſchaft iſt, deren Symptome
anfaͤnglich oft Vieles mit den Zufaͤllen unvollkommner, und
zwar krankhafter Menſtruation gemein haben, weßhalb ſtets
bey Unterſuchung einzelner Faͤlle hieran zu denken, und die-
ſer Zuſtand nicht zu uͤberſehen iſt.
§. 172.
Indem wir alſo jenes Mißverhaͤltniß zwiſchen allgemei-
net und Geſchlechtsthaͤtigkeit allein ins Auge faſſen, bleiben
uns nur die weitern, ſowohl im Koͤrper, als in aͤußern Ein-
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Gelegenheitsurſachen) zu beruͤckſichtigen uͤbrig, wobey
zugleich die Art der durch eine oder die andere Urſache am
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/148>, abgerufen am 21.11.2024.
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