Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

Fassung des Kopfes, und im Allgemeinen wird schon jeder
Geburtshelfer, der seine Zange kennt, die bedeutendere oder
geringere Kopfgröße dem Augenmaaße nach bestimmen kön-
nen. -- Zu dem zweiten Behufe kann allerdings jede grö-
ßere Wage, jeder Zollstab und Tasterzirkel benutzt werden,
doch hat man auch hierzu besondere Werkzeuge erfunden, wo-
hin der Cephalometer Stein's (ein Tasterzirkel mit
Gradbogen) und dessen Baromacrometer *), Osiander's
Wage, und die besonders zweckmäßige Vorrichtung (Paedio-
meter
) von Siebold **) gehören.

III. Von den allgemeinen Regeln der Diätetik
und Therapie für das weibliche Geschlecht
.
a. Diätetik.
§. 110.

Alle Diätetik oder Hygiastik, und so auch die für das
weibliche Geschlecht, hat eines Theils den Zweck, den Willen
der Natur rücksichtlich der dem Körper unerläßlichen Bedürf-
nisse zu deuten, und die Gewährung dieser Bedürfnisse zu
leiten und zu ordnen, andern Theils den Zweck, alles der
körperlichen und geistigen Thätigkeit Nachtheilige und Ge-
fährliche zu verhüten. In wiefern nun aber die Entwick-
lung weiblicher Individualität eine rein menschliche, und in
sofern der männlichen gleiche ist, welche demnach im Wesent-
lichen nur die Begünstigung durch rechte Anordnung von
Nahrung und Luft, Ruhe und Bewegung, Schlaf und Wa-
chen, Licht und Wärme fordert, so können auch die Regeln
der Hygiastik überhaupt, sehr wohl auf die Leitung des ge-
sunden weiblichen Organismus angewendet werden, und die
Modifikationen, welche sich im speciellen Theile hierüber er-
geben werden, können folglich theils blos auf die dem weib-
lichen Organismus ausschließend eigenthümlichen Funktionen

*) G. W. Stein kurze Beschreibung eines Baromacrometers und
Cephalometers. 4. 1775.
**) El. d. Siebold De Paediometro Commentarius. 4. Berol. 1318.

Faſſung des Kopfes, und im Allgemeinen wird ſchon jeder
Geburtshelfer, der ſeine Zange kennt, die bedeutendere oder
geringere Kopfgroͤße dem Augenmaaße nach beſtimmen koͤn-
nen. — Zu dem zweiten Behufe kann allerdings jede groͤ-
ßere Wage, jeder Zollſtab und Taſterzirkel benutzt werden,
doch hat man auch hierzu beſondere Werkzeuge erfunden, wo-
hin der Cephalometer Stein’s (ein Taſterzirkel mit
Gradbogen) und deſſen Baromacrometer *), Oſiander’s
Wage, und die beſonders zweckmaͤßige Vorrichtung (Paedio-
meter
) von Siebold **) gehoͤren.

III. Von den allgemeinen Regeln der Diaͤtetik
und Therapie fuͤr das weibliche Geſchlecht
.
a. Diaͤtetik.
§. 110.

Alle Diaͤtetik oder Hygiaſtik, und ſo auch die fuͤr das
weibliche Geſchlecht, hat eines Theils den Zweck, den Willen
der Natur ruͤckſichtlich der dem Koͤrper unerlaͤßlichen Beduͤrf-
niſſe zu deuten, und die Gewaͤhrung dieſer Beduͤrfniſſe zu
leiten und zu ordnen, andern Theils den Zweck, alles der
koͤrperlichen und geiſtigen Thaͤtigkeit Nachtheilige und Ge-
faͤhrliche zu verhuͤten. In wiefern nun aber die Entwick-
lung weiblicher Individualitaͤt eine rein menſchliche, und in
ſofern der maͤnnlichen gleiche iſt, welche demnach im Weſent-
lichen nur die Beguͤnſtigung durch rechte Anordnung von
Nahrung und Luft, Ruhe und Bewegung, Schlaf und Wa-
chen, Licht und Waͤrme fordert, ſo koͤnnen auch die Regeln
der Hygiaſtik uͤberhaupt, ſehr wohl auf die Leitung des ge-
ſunden weiblichen Organismus angewendet werden, und die
Modifikationen, welche ſich im ſpeciellen Theile hieruͤber er-
geben werden, koͤnnen folglich theils blos auf die dem weib-
lichen Organismus ausſchließend eigenthuͤmlichen Funktionen

*) G. W. Stein kurze Beſchreibung eines Baromacrometers und
Cephalometers. 4. 1775.
**) El. d. Siebold De Paediometro Commentarius. 4. Berol. 1318.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0100" n="80"/>
Fa&#x017F;&#x017F;ung des Kopfes, und im Allgemeinen wird &#x017F;chon jeder<lb/>
Geburtshelfer, der &#x017F;eine Zange kennt, die bedeutendere oder<lb/>
geringere Kopfgro&#x0364;ße dem Augenmaaße nach be&#x017F;timmen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. &#x2014; Zu dem zweiten Behufe kann allerdings jede gro&#x0364;-<lb/>
ßere Wage, jeder Zoll&#x017F;tab und Ta&#x017F;terzirkel benutzt werden,<lb/>
doch hat man auch hierzu be&#x017F;ondere Werkzeuge erfunden, wo-<lb/>
hin der <hi rendition="#g">Cephalometer Stein&#x2019;s</hi> (ein Ta&#x017F;terzirkel mit<lb/>
Gradbogen) und de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Baromacrometer</hi> <note place="foot" n="*)">G. W. <hi rendition="#g">Stein</hi> kurze Be&#x017F;chreibung eines Baromacrometers und<lb/>
Cephalometers. 4. 1775.</note>, <hi rendition="#g">O&#x017F;iander&#x2019;s</hi><lb/>
Wage, und die be&#x017F;onders zweckma&#x0364;ßige Vorrichtung (<hi rendition="#aq">Paedio-<lb/>
meter</hi>) von <hi rendition="#g">Siebold</hi> <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">El. d. <hi rendition="#g">Siebold</hi> De Paediometro Commentarius. 4. Berol.</hi> 1318.</note> geho&#x0364;ren.</p>
                </div>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Von den allgemeinen Regeln der Dia&#x0364;tetik<lb/>
und Therapie fu&#x0364;r das weibliche Ge&#x017F;chlecht</hi>.</head><lb/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#aq">a.</hi><hi rendition="#g">Dia&#x0364;tetik</hi>.</head><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 110.</head><lb/>
                  <p>Alle Dia&#x0364;tetik oder Hygia&#x017F;tik, und &#x017F;o auch die fu&#x0364;r das<lb/>
weibliche Ge&#x017F;chlecht, hat eines Theils den Zweck, den Willen<lb/>
der Natur ru&#x0364;ck&#x017F;ichtlich der dem Ko&#x0364;rper unerla&#x0364;ßlichen Bedu&#x0364;rf-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e zu deuten, und die Gewa&#x0364;hrung die&#x017F;er Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e zu<lb/>
leiten und zu ordnen, andern Theils den Zweck, alles der<lb/>
ko&#x0364;rperlichen und gei&#x017F;tigen Tha&#x0364;tigkeit Nachtheilige und Ge-<lb/>
fa&#x0364;hrliche zu verhu&#x0364;ten. In wiefern nun aber die Entwick-<lb/>
lung weiblicher Individualita&#x0364;t eine rein men&#x017F;chliche, und in<lb/>
&#x017F;ofern der ma&#x0364;nnlichen gleiche i&#x017F;t, welche demnach im We&#x017F;ent-<lb/>
lichen nur die Begu&#x0364;n&#x017F;tigung durch rechte Anordnung von<lb/>
Nahrung und Luft, Ruhe und Bewegung, Schlaf und Wa-<lb/>
chen, Licht und Wa&#x0364;rme fordert, &#x017F;o ko&#x0364;nnen auch die Regeln<lb/>
der Hygia&#x017F;tik u&#x0364;berhaupt, &#x017F;ehr wohl auf die Leitung des ge-<lb/>
&#x017F;unden weiblichen Organismus angewendet werden, und die<lb/>
Modifikationen, welche &#x017F;ich im &#x017F;peciellen Theile hieru&#x0364;ber er-<lb/>
geben werden, ko&#x0364;nnen folglich theils blos auf die dem weib-<lb/>
lichen Organismus aus&#x017F;chließend eigenthu&#x0364;mlichen Funktionen<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0100] Faſſung des Kopfes, und im Allgemeinen wird ſchon jeder Geburtshelfer, der ſeine Zange kennt, die bedeutendere oder geringere Kopfgroͤße dem Augenmaaße nach beſtimmen koͤn- nen. — Zu dem zweiten Behufe kann allerdings jede groͤ- ßere Wage, jeder Zollſtab und Taſterzirkel benutzt werden, doch hat man auch hierzu beſondere Werkzeuge erfunden, wo- hin der Cephalometer Stein’s (ein Taſterzirkel mit Gradbogen) und deſſen Baromacrometer *), Oſiander’s Wage, und die beſonders zweckmaͤßige Vorrichtung (Paedio- meter) von Siebold **) gehoͤren. III. Von den allgemeinen Regeln der Diaͤtetik und Therapie fuͤr das weibliche Geſchlecht. a. Diaͤtetik. §. 110. Alle Diaͤtetik oder Hygiaſtik, und ſo auch die fuͤr das weibliche Geſchlecht, hat eines Theils den Zweck, den Willen der Natur ruͤckſichtlich der dem Koͤrper unerlaͤßlichen Beduͤrf- niſſe zu deuten, und die Gewaͤhrung dieſer Beduͤrfniſſe zu leiten und zu ordnen, andern Theils den Zweck, alles der koͤrperlichen und geiſtigen Thaͤtigkeit Nachtheilige und Ge- faͤhrliche zu verhuͤten. In wiefern nun aber die Entwick- lung weiblicher Individualitaͤt eine rein menſchliche, und in ſofern der maͤnnlichen gleiche iſt, welche demnach im Weſent- lichen nur die Beguͤnſtigung durch rechte Anordnung von Nahrung und Luft, Ruhe und Bewegung, Schlaf und Wa- chen, Licht und Waͤrme fordert, ſo koͤnnen auch die Regeln der Hygiaſtik uͤberhaupt, ſehr wohl auf die Leitung des ge- ſunden weiblichen Organismus angewendet werden, und die Modifikationen, welche ſich im ſpeciellen Theile hieruͤber er- geben werden, koͤnnen folglich theils blos auf die dem weib- lichen Organismus ausſchließend eigenthuͤmlichen Funktionen *) G. W. Stein kurze Beſchreibung eines Baromacrometers und Cephalometers. 4. 1775. **) El. d. Siebold De Paediometro Commentarius. 4. Berol. 1318.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/100
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/100>, abgerufen am 21.11.2024.