Geschichte der Regierung Sülejmans des II, zwanzigsten Kaisers der Türken. Des vierten Buches zweytes Hauptstück.
1.
Nachdem der Sultan Muhämmed abgesetzet war: so begabDer Sultan Sülejman wird genöthiget, den kaiserlichen Thron zu bestei- gen. Bostandschi Baschi 1 sich zuerst zu Sülejman, der noch in seinem Zimmer eingesperret war, bezeigte ihm die einem Kaiser gebührende Ehrerbietigkeit, indem er sich vor ihm auf den Boden niederwarf, und ersuchte denselben, hervor zu kommen und den oliosmanischen Thron zu besteigen, der durch die Absetzung seines Bruders erlediget worden sey; dabey er ihm das gesammte müsülmanische Volk zur Unterwerfung anbote. Sülejman wird, [Spaltenumbruch]
1 Bostandschi Baschi] das Haupt der Bostandschi und Bewahrer der kaiserlichen Paläste. Es sind zween Beamten dieser Be- nennung in dem osmanischen Reiche: einer zu Constantinopel, und der andere zu Adria- nopel; weil die osmanischen Kaiser in diesen beyden Städten Paläste haben. Ungeachtet auch die Kaiser, sint den Zeiten des Sultans Muhämmed Fatih, Constantinopel zum Haupt- sitze des osmanischen Reiches erwählet haben: so beehren sie doch die ehemalige Hauptstadt der anwachsenden osmanischen Herrschaft noch öfters mit ihrer Gegenwart. Diese beyden Bostandschi Baschi sind zwar einander an Würde und Range gleich; aber nicht an [Spaltenumbruch] Gerichtbarkeit und Einkünften. Dem zu Adri- anopel ist weiter nichts anvertrauet, als die Verwaltung über den kaiserlichen Palast zu Adrianopel, und die Aufsicht über die Söhne des Sultans, wann derselbe in dieser Stadt Hoflager hält; der andere hingegen zu Con- stantinopel hat noch über dieses die völlige Gerichtbarkeit über die ganze Seeküste, von dem Ausflusse der Donau an bis an den Berg Athos. Wann der Sultan in seiner Galee fähret: so ist sein Amt, entweder mit seinem Bote vor dem Sultane voraus zu fahren, und die Fahrt rein zu halten; oder in des Sultans Galee das Steuerruder zu führen. Er muß eine genaue Erkenntniß der ganzen
gegen
4 B 2
Geſchichte der Regierung Suͤlejmans des II‚ zwanzigſten Kaiſers der Tuͤrken. Des vierten Buches zweytes Hauptſtuͤck.
1.
Nachdem der Sultan Muhaͤmmed abgeſetzet war: ſo begabDer Sultan Suͤlejman wird genoͤthiget, den kaiſerlichen Thron zu beſtei- gen. Boſtandſchi Baſchi 1 ſich zuerſt zu Suͤlejman, der noch in ſeinem Zimmer eingeſperret war, bezeigte ihm die einem Kaiſer gebuͤhrende Ehrerbietigkeit, indem er ſich vor ihm auf den Boden niederwarf, und erſuchte denſelben, hervor zu kommen und den oliosmaniſchen Thron zu beſteigen, der durch die Abſetzung ſeines Bruders erlediget worden ſey; dabey er ihm das geſammte muͤſuͤlmaniſche Volk zur Unterwerfung anbote. Suͤlejman wird, [Spaltenumbruch]
1 Boſtandſchi Baſchi] das Haupt der Boſtandſchi und Bewahrer der kaiſerlichen Palaͤſte. Es ſind zween Beamten dieſer Be- nennung in dem osmaniſchen Reiche: einer zu Conſtantinopel, und der andere zu Adria- nopel; weil die osmaniſchen Kaiſer in dieſen beyden Staͤdten Palaͤſte haben. Ungeachtet auch die Kaiſer, ſint den Zeiten des Sultans Muhaͤmmed Fatih, Conſtantinopel zum Haupt- ſitze des osmaniſchen Reiches erwaͤhlet haben: ſo beehren ſie doch die ehemalige Hauptſtadt der anwachſenden osmaniſchen Herrſchaft noch oͤfters mit ihrer Gegenwart. Dieſe beyden Boſtandſchi Baſchi ſind zwar einander an Wuͤrde und Range gleich; aber nicht an [Spaltenumbruch] Gerichtbarkeit und Einkuͤnften. Dem zu Adri- anopel iſt weiter nichts anvertrauet, als die Verwaltung uͤber den kaiſerlichen Palaſt zu Adrianopel, und die Aufſicht uͤber die Soͤhne des Sultans, wann derſelbe in dieſer Stadt Hoflager haͤlt; der andere hingegen zu Con- ſtantinopel hat noch uͤber dieſes die voͤllige Gerichtbarkeit uͤber die ganze Seekuͤſte, von dem Ausfluſſe der Donau an bis an den Berg Athos. Wann der Sultan in ſeiner Galee faͤhret: ſo iſt ſein Amt, entweder mit ſeinem Bote vor dem Sultane voraus zu fahren, und die Fahrt rein zu halten; oder in des Sultans Galee das Steuerruder zu fuͤhren. Er muß eine genaue Erkenntniß der ganzen
gegen
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Geſchichte
der Regierung Suͤlejmans des II‚
zwanzigſten Kaiſers der Tuͤrken.
Des vierten Buches zweytes Hauptſtuͤck.
1.
Nachdem der Sultan Muhaͤmmed abgeſetzet war: ſo begab
Boſtandſchi Baſchi
¹
ſich zuerſt zu Suͤlejman, der noch
in ſeinem Zimmer eingeſperret war, bezeigte ihm die einem
Kaiſer gebuͤhrende Ehrerbietigkeit, indem er ſich vor ihm
auf den Boden niederwarf, und erſuchte denſelben, hervor
zu kommen und den oliosmaniſchen Thron zu beſteigen,
der durch die Abſetzung ſeines Bruders erlediget worden ſey; dabey er ihm das
geſammte muͤſuͤlmaniſche Volk zur Unterwerfung anbote. Suͤlejman wird,
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¹ Boſtandſchi Baſchi] das Haupt
der Boſtandſchi und Bewahrer der kaiſerlichen
Palaͤſte. Es ſind zween Beamten dieſer Be-
nennung in dem osmaniſchen Reiche: einer
zu Conſtantinopel, und der andere zu Adria-
nopel; weil die osmaniſchen Kaiſer in dieſen
beyden Staͤdten Palaͤſte haben. Ungeachtet
auch die Kaiſer, ſint den Zeiten des Sultans
Muhaͤmmed Fatih, Conſtantinopel zum Haupt-
ſitze des osmaniſchen Reiches erwaͤhlet haben:
ſo beehren ſie doch die ehemalige Hauptſtadt
der anwachſenden osmaniſchen Herrſchaft
noch oͤfters mit ihrer Gegenwart. Dieſe
beyden Boſtandſchi Baſchi ſind zwar einander
an Wuͤrde und Range gleich; aber nicht an
Gerichtbarkeit und Einkuͤnften. Dem zu Adri-
anopel iſt weiter nichts anvertrauet, als die
Verwaltung uͤber den kaiſerlichen Palaſt zu
Adrianopel, und die Aufſicht uͤber die Soͤhne
des Sultans, wann derſelbe in dieſer Stadt
Hoflager haͤlt; der andere hingegen zu Con-
ſtantinopel hat noch uͤber dieſes die voͤllige
Gerichtbarkeit uͤber die ganze Seekuͤſte, von
dem Ausfluſſe der Donau an bis an den Berg
Athos. Wann der Sultan in ſeiner Galee
faͤhret: ſo iſt ſein Amt, entweder mit ſeinem
Bote vor dem Sultane voraus zu fahren,
und die Fahrt rein zu halten; oder in des
Sultans Galee das Steuerruder zu fuͤhren.
Er muß eine genaue Erkenntniß der ganzen
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Der Sultan
Suͤlejman wird
genoͤthiget, den
kaiſerlichen
Thron zu beſtei-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/673>, abgerufen am 21.11.2024.
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