Geschichte der Regierung Murads des I, des Sohnes Orchans und dritten Kaisers der Türken. Des ersten Buches viertes Hauptstück.
1.
Murad 1, der erste dieses Namens, erbte im ein und vierzig-Murad nimmt Ankyra ein. sten Jahre seines Alters nicht allein seines Vaters Reich, sondern er war auch der Erbe von seinen Tugenden.H. 761. J. C. 1360. Gleich im Anfange seiner Regierung nahm er, zur Bezei- gung seiner gottseligen Gemüthsneigung, den Beynamen Chudawendigjar 2 an, der in der persischen Sprache Got- tes Arbeiter heißet: legte auch eine Probe seiner Tapferkeit ab, indem er im [Spaltenumbruch]
1 Murad] Ich wäre geneigt zu glau- ben, daß dieser Murad* einerley Person wäre mit Amurius, dem lydischen Feldherrn und Freunde von Kantakuzenus, den Gregoras so sehr rühmet: wenn nur die Zeitrechnung damit übereinstimmen wollte. Allein, da dieser Schriftsteller saget, Amurius sey an einer Wunde gestorben, die er im Jahre Chri- sti 1348 und im Jahre der Hidschret 749 bey der Belagerung eines Schlosses empfangen habe, das die Christen zur Beschützung von Smirna erbauet gehabt; und aber Murad [Spaltenumbruch] nicht eher, als eilf Jahre hernach, nämlich im Jahre 761, in Europa bekannt geworden, und im folgenden Jahre darauf nach dem Tode seines Vaters Orchans den Thron bestiegen hat: so muthmaße ich, daß Gregoras einen gewissen andern persischen Fürsten in Asien, gleiches Namens mit Murad, meine, dessen Länder (weil die türkischen Jahrbücher nichts von denselben melden) entweder wegen Er- mangelung der Erben an iemand anderes ge- fallen, oder von einigem mächtigen benach- barten Fürsten verschlungen worden sind.
ersten
* Das Wort heißet seinem Ursprunge nach, Wunsch oder Willen.
Geſchichte der Regierung Murads des I‚ des Sohnes Orchans und dritten Kaiſers der Tuͤrken. Des erſten Buches viertes Hauptſtuͤck.
1.
Murad 1, der erſte dieſes Namens, erbte im ein und vierzig-Murad nimmt Ankyra ein. ſten Jahre ſeines Alters nicht allein ſeines Vaters Reich, ſondern er war auch der Erbe von ſeinen Tugenden.H. 761. J. C. 1360. Gleich im Anfange ſeiner Regierung nahm er, zur Bezei- gung ſeiner gottſeligen Gemuͤthsneigung, den Beynamen Chudawendigjar 2 an, der in der perſiſchen Sprache Got- tes Arbeiter heißet: legte auch eine Probe ſeiner Tapferkeit ab, indem er im [Spaltenumbruch]
1 Murad] Ich waͤre geneigt zu glau- ben, daß dieſer Murad* einerley Perſon waͤre mit Amurius, dem lydiſchen Feldherrn und Freunde von Kantakuzenus, den Gregoras ſo ſehr ruͤhmet: wenn nur die Zeitrechnung damit uͤbereinſtimmen wollte. Allein, da dieſer Schriftſteller ſaget, Amurius ſey an einer Wunde geſtorben, die er im Jahre Chri- ſti 1348 und im Jahre der Hidſchret 749 bey der Belagerung eines Schloſſes empfangen habe, das die Chriſten zur Beſchuͤtzung von Smirna erbauet gehabt; und aber Murad [Spaltenumbruch] nicht eher, als eilf Jahre hernach, naͤmlich im Jahre 761, in Europa bekannt geworden, und im folgenden Jahre darauf nach dem Tode ſeines Vaters Orchans den Thron beſtiegen hat: ſo muthmaße ich, daß Gregoras einen gewiſſen andern perſiſchen Fuͤrſten in Aſien, gleiches Namens mit Murad, meine, deſſen Laͤnder (weil die tuͤrkiſchen Jahrbuͤcher nichts von denſelben melden) entweder wegen Er- mangelung der Erben an iemand anderes ge- fallen, oder von einigem maͤchtigen benach- barten Fuͤrſten verſchlungen worden ſind.
erſten
* Das Wort heißet ſeinem Urſprunge nach, Wunſch oder Willen.
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Geſchichte
der Regierung Murads des I‚
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und dritten Kaiſers der Tuͤrken.
Des erſten Buches viertes Hauptſtuͤck.
1.
Murad
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, der erſte dieſes Namens, erbte im ein und vierzig-
ſten Jahre ſeines Alters nicht allein ſeines Vaters Reich,
ſondern er war auch der Erbe von ſeinen Tugenden.
Gleich im Anfange ſeiner Regierung nahm er, zur Bezei-
gung ſeiner gottſeligen Gemuͤthsneigung, den Beynamen
Chudawendigjar
²
an, der in der perſiſchen Sprache Got-
tes Arbeiter heißet: legte auch eine Probe ſeiner Tapferkeit ab, indem er im
erſten
¹ Murad] Ich waͤre geneigt zu glau-
ben, daß dieſer Murad * einerley Perſon waͤre
mit Amurius, dem lydiſchen Feldherrn und
Freunde von Kantakuzenus, den Gregoras
ſo ſehr ruͤhmet: wenn nur die Zeitrechnung
damit uͤbereinſtimmen wollte. Allein, da
dieſer Schriftſteller ſaget, Amurius ſey an
einer Wunde geſtorben, die er im Jahre Chri-
ſti 1348 und im Jahre der Hidſchret 749 bey
der Belagerung eines Schloſſes empfangen
habe, das die Chriſten zur Beſchuͤtzung von
Smirna erbauet gehabt; und aber Murad
nicht eher, als eilf Jahre hernach, naͤmlich
im Jahre 761, in Europa bekannt geworden,
und im folgenden Jahre darauf nach dem Tode
ſeines Vaters Orchans den Thron beſtiegen
hat: ſo muthmaße ich, daß Gregoras einen
gewiſſen andern perſiſchen Fuͤrſten in Aſien,
gleiches Namens mit Murad, meine, deſſen
Laͤnder (weil die tuͤrkiſchen Jahrbuͤcher nichts
von denſelben melden) entweder wegen Er-
mangelung der Erben an iemand anderes ge-
fallen, oder von einigem maͤchtigen benach-
barten Fuͤrſten verſchlungen worden ſind.
Im
Murad nimmt
Ankyra ein.
H. 761.
J. C. 1360.
* Das Wort heißet ſeinem Urſprunge nach, Wunſch oder Willen.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/123>, abgerufen am 21.11.2024.
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