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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Zweyter Theil.
§ 218.

Doch so wenig auch die Heilkunst ohne Anthropeche-
mie vermag, eine so gefährliche Klippe bietet sich ihr auch
in derselben dar. So bald sie nämlich bey den Gränzen der
menschlichen Erkenntniß überhaupt, und unserer gegenwär-
tigen insonderheit, alle Erscheinungen des Menschen aus der
Mischung seines Körpers vollständig erklären will, in ihm
also nur ein chemisches Product sieht: so wird sie einseitig
und mangelhaft.

§ 219.

Denn so unbezweifelt es auch ist, daß wir uns die Er-
scheinungen der Körperwelt nicht anders, als begründet in
ihrer Form und Mischung denken können, so vermögen wir
doch nicht, in die innere Mischung aller Wesen so tief ein-
zudringen, um daraus alle ihre Erscheinungen hinreichend
zu erklären. Das große Reich feinerer Stoffe liegt außer-
halb der Gränzen unserer Sinne, und das Verfahren der
Natur in Verbindung und Zusammensetzung derselben,
welche die Quelle der vorzüglichsten Modificationen der Er-
scheinungen abgiebt, liegt ebenfalls noch außer unserm Ge-
sichtskreise. Könnten wir hierüber aufgeklärt werden, so
brauchten wir nicht mehr von Kräften zu sprechen, deren
Würkungsgesetze wir nur aufsuchen: es gäbe denn also keine
Physik, keine Physiologie mehr, sondern die Chemie ver-
schlänge alle übrigen Naturwissenschaften, welche jetzt in
ihrer Unvollkommenheit neben ihr stehen.




Dritter
Zweyter Theil.
§ 218.

Doch ſo wenig auch die Heilkunſt ohne Anthropeche-
mie vermag, eine ſo gefaͤhrliche Klippe bietet ſich ihr auch
in derſelben dar. So bald ſie naͤmlich bey den Graͤnzen der
menſchlichen Erkenntniß uͤberhaupt, und unſerer gegenwaͤr-
tigen inſonderheit, alle Erſcheinungen des Menſchen aus der
Miſchung ſeines Koͤrpers vollſtaͤndig erklaͤren will, in ihm
alſo nur ein chemiſches Product ſieht: ſo wird ſie einſeitig
und mangelhaft.

§ 219.

Denn ſo unbezweifelt es auch iſt, daß wir uns die Er-
ſcheinungen der Koͤrperwelt nicht anders, als begruͤndet in
ihrer Form und Miſchung denken koͤnnen, ſo vermoͤgen wir
doch nicht, in die innere Miſchung aller Weſen ſo tief ein-
zudringen, um daraus alle ihre Erſcheinungen hinreichend
zu erklaͤren. Das große Reich feinerer Stoffe liegt außer-
halb der Graͤnzen unſerer Sinne, und das Verfahren der
Natur in Verbindung und Zuſammenſetzung derſelben,
welche die Quelle der vorzuͤglichſten Modificationen der Er-
ſcheinungen abgiebt, liegt ebenfalls noch außer unſerm Ge-
ſichtskreiſe. Koͤnnten wir hieruͤber aufgeklaͤrt werden, ſo
brauchten wir nicht mehr von Kraͤften zu ſprechen, deren
Wuͤrkungsgeſetze wir nur aufſuchen: es gaͤbe denn alſo keine
Phyſik, keine Phyſiologie mehr, ſondern die Chemie ver-
ſchlaͤnge alle uͤbrigen Naturwiſſenſchaften, welche jetzt in
ihrer Unvollkommenheit neben ihr ſtehen.




Dritter
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[68/0086] Zweyter Theil. § 218. Doch ſo wenig auch die Heilkunſt ohne Anthropeche- mie vermag, eine ſo gefaͤhrliche Klippe bietet ſich ihr auch in derſelben dar. So bald ſie naͤmlich bey den Graͤnzen der menſchlichen Erkenntniß uͤberhaupt, und unſerer gegenwaͤr- tigen inſonderheit, alle Erſcheinungen des Menſchen aus der Miſchung ſeines Koͤrpers vollſtaͤndig erklaͤren will, in ihm alſo nur ein chemiſches Product ſieht: ſo wird ſie einſeitig und mangelhaft. § 219. Denn ſo unbezweifelt es auch iſt, daß wir uns die Er- ſcheinungen der Koͤrperwelt nicht anders, als begruͤndet in ihrer Form und Miſchung denken koͤnnen, ſo vermoͤgen wir doch nicht, in die innere Miſchung aller Weſen ſo tief ein- zudringen, um daraus alle ihre Erſcheinungen hinreichend zu erklaͤren. Das große Reich feinerer Stoffe liegt außer- halb der Graͤnzen unſerer Sinne, und das Verfahren der Natur in Verbindung und Zuſammenſetzung derſelben, welche die Quelle der vorzuͤglichſten Modificationen der Er- ſcheinungen abgiebt, liegt ebenfalls noch außer unſerm Ge- ſichtskreiſe. Koͤnnten wir hieruͤber aufgeklaͤrt werden, ſo brauchten wir nicht mehr von Kraͤften zu ſprechen, deren Wuͤrkungsgeſetze wir nur aufſuchen: es gaͤbe denn alſo keine Phyſik, keine Phyſiologie mehr, ſondern die Chemie ver- ſchlaͤnge alle uͤbrigen Naturwiſſenſchaften, welche jetzt in ihrer Unvollkommenheit neben ihr ſtehen. Dritter

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/86>, abgerufen am 21.11.2024.