jenes Verhältniß die Ursache jener Erscheinung, d. h. jener Modification der Naturkraft enthält.
§ 70.
Da wir nun ferner die Erscheinungen, ihren sämmtli- chen Theilen und Verhältnissen nach, nicht immer schon be- obachtet haben, noch sie beobachten können, so unterstützt uns hier die Analogie. Wenn wir nemlich durch mehrere Be- obachtungen belehrt worden sind, daß gewisse Umstände in einem bestimmten Verhältnisse unter einander stehn, und wir nehmen in dem gegenwärtigen Falle einige dieser Umstände wahr, so schließen wir, daß dieselben zu den, uns noch unbekannten, oder noch nicht vorhandnen, in gleichem Ver- hältnisse stehn werden.
§ 71.
Auf diesem Wege gelangen wir nun zu einer so voll- ständigen Kenntniß der Natur, als uns vermöge der Grän- zen unsres Erkenntnißvermögens nur immer möglich ist. Sehen wir nämlich durch diese Hülfsmittel eine Erscheinung, nach ihrem Wesen, ihren Ursachen und Folgen ein, so ha- ben wir die Theorie derselben.
§ 72.
In demselben Grade nun, in welchem Kenntniß der Natur überhaupt für uns möglich ist, ist auch Kenntniß des kranken Menschen, und der Kräfte, durch welche seine Hei- lung bestimmt wird, möglich.
§ 73.
Zuerst nämlich nimmt die Heilkunst die einzelnen Symp- tome an dem kranken Menschen wahr. Diese Wahrneh-
mung
Erſter Theil.
jenes Verhaͤltniß die Urſache jener Erſcheinung, d. h. jener Modification der Naturkraft enthaͤlt.
§ 70.
Da wir nun ferner die Erſcheinungen, ihren ſaͤmmtli- chen Theilen und Verhaͤltniſſen nach, nicht immer ſchon be- obachtet haben, noch ſie beobachten koͤnnen, ſo unterſtuͤtzt uns hier die Analogie. Wenn wir nemlich durch mehrere Be- obachtungen belehrt worden ſind, daß gewiſſe Umſtaͤnde in einem beſtimmten Verhaͤltniſſe unter einander ſtehn, und wir nehmen in dem gegenwaͤrtigen Falle einige dieſer Umſtaͤnde wahr, ſo ſchließen wir, daß dieſelben zu den, uns noch unbekannten, oder noch nicht vorhandnen, in gleichem Ver- haͤltniſſe ſtehn werden.
§ 71.
Auf dieſem Wege gelangen wir nun zu einer ſo voll- ſtaͤndigen Kenntniß der Natur, als uns vermoͤge der Graͤn- zen unſres Erkenntnißvermoͤgens nur immer moͤglich iſt. Sehen wir naͤmlich durch dieſe Huͤlfsmittel eine Erſcheinung, nach ihrem Weſen, ihren Urſachen und Folgen ein, ſo ha- ben wir die Theorie derſelben.
§ 72.
In demſelben Grade nun, in welchem Kenntniß der Natur uͤberhaupt fuͤr uns moͤglich iſt, iſt auch Kenntniß des kranken Menſchen, und der Kraͤfte, durch welche ſeine Hei- lung beſtimmt wird, moͤglich.
§ 73.
Zuerſt naͤmlich nimmt die Heilkunſt die einzelnen Symp- tome an dem kranken Menſchen wahr. Dieſe Wahrneh-
mung
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Erſter Theil.
jenes Verhaͤltniß die Urſache jener Erſcheinung, d. h. jener
Modification der Naturkraft enthaͤlt.
§ 70.
Da wir nun ferner die Erſcheinungen, ihren ſaͤmmtli-
chen Theilen und Verhaͤltniſſen nach, nicht immer ſchon be-
obachtet haben, noch ſie beobachten koͤnnen, ſo unterſtuͤtzt uns
hier die Analogie. Wenn wir nemlich durch mehrere Be-
obachtungen belehrt worden ſind, daß gewiſſe Umſtaͤnde in
einem beſtimmten Verhaͤltniſſe unter einander ſtehn, und wir
nehmen in dem gegenwaͤrtigen Falle einige dieſer Umſtaͤnde
wahr, ſo ſchließen wir, daß dieſelben zu den, uns noch
unbekannten, oder noch nicht vorhandnen, in gleichem Ver-
haͤltniſſe ſtehn werden.
§ 71.
Auf dieſem Wege gelangen wir nun zu einer ſo voll-
ſtaͤndigen Kenntniß der Natur, als uns vermoͤge der Graͤn-
zen unſres Erkenntnißvermoͤgens nur immer moͤglich iſt.
Sehen wir naͤmlich durch dieſe Huͤlfsmittel eine Erſcheinung,
nach ihrem Weſen, ihren Urſachen und Folgen ein, ſo ha-
ben wir die Theorie derſelben.
§ 72.
In demſelben Grade nun, in welchem Kenntniß der
Natur uͤberhaupt fuͤr uns moͤglich iſt, iſt auch Kenntniß des
kranken Menſchen, und der Kraͤfte, durch welche ſeine Hei-
lung beſtimmt wird, moͤglich.
§ 73.
Zuerſt naͤmlich nimmt die Heilkunſt die einzelnen Symp-
tome an dem kranken Menſchen wahr. Dieſe Wahrneh-
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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/44>, abgerufen am 16.07.2024.
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