Der Arzt hingegen faßt das Einzelne und Eigenthüm- liche eines jeden Krankheitsfalles auf, setzt daraus in seiner Idee ein Ganzes zusammen, vergleicht dieses sowohl, als die einzelnen Theile mit dem, was die Erfahrung in andern Fällen gelehrt hat, und setzt darnach eine, den individuellen Bestimmungen des Kranken angemessene Heilmethode fest, welche er in ihrem ganzen Umfange verfolgt.
§ 732.
Die praktische Bildung besteht also darin, daß man die Routine fliehen, und die eigentliche Kunst sich erwerben lernt. Man bezweckt hier also, 1) die Kunst zu beobachten, 2) die Kunst, Erfahrungen zu machen, 3) Fertigkeit im Handeln, 4) Erwerbung einer Theorie.
I. Die Beobachtung ist die aufmerksame Anschauung einer bestimmten Reihe von durch Zeit oder Raum getrenn- ten Gegenständen, vermittelst unserer innern und äußern Sinne, wodurch man von denselben, als von Erscheinun- gen, vollständige und deutliche Begriffe erlangt *).
*)Sennebier die Kunst zu beobachten. Uebersetzt von Gme- lin. Leipz. 776. 8.
§ 734.
Die medicinische Beobachtung besteht also in der An- schauung des kranken Individuums, nach sämmtlichen Er- scheinungen seines körperlichen und geistigen Wesens, und
ihres
Dritter Theil.
§ 731.
Der Arzt hingegen faßt das Einzelne und Eigenthuͤm- liche eines jeden Krankheitsfalles auf, ſetzt daraus in ſeiner Idee ein Ganzes zuſammen, vergleicht dieſes ſowohl, als die einzelnen Theile mit dem, was die Erfahrung in andern Faͤllen gelehrt hat, und ſetzt darnach eine, den individuellen Beſtimmungen des Kranken angemeſſene Heilmethode feſt, welche er in ihrem ganzen Umfange verfolgt.
§ 732.
Die praktiſche Bildung beſteht alſo darin, daß man die Routine fliehen, und die eigentliche Kunſt ſich erwerben lernt. Man bezweckt hier alſo, 1) die Kunſt zu beobachten, 2) die Kunſt, Erfahrungen zu machen, 3) Fertigkeit im Handeln, 4) Erwerbung einer Theorie.
I. Die Beobachtung iſt die aufmerkſame Anſchauung einer beſtimmten Reihe von durch Zeit oder Raum getrenn- ten Gegenſtaͤnden, vermittelſt unſerer innern und aͤußern Sinne, wodurch man von denſelben, als von Erſcheinun- gen, vollſtaͤndige und deutliche Begriffe erlangt *).
*)Sennebier die Kunſt zu beobachten. Ueberſetzt von Gme- lin. Leipz. 776. 8.
§ 734.
Die mediciniſche Beobachtung beſteht alſo in der An- ſchauung des kranken Individuums, nach ſaͤmmtlichen Er- ſcheinungen ſeines koͤrperlichen und geiſtigen Weſens, und
ihres
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Dritter Theil.
§ 731.
Der Arzt hingegen faßt das Einzelne und Eigenthuͤm-
liche eines jeden Krankheitsfalles auf, ſetzt daraus in ſeiner
Idee ein Ganzes zuſammen, vergleicht dieſes ſowohl, als
die einzelnen Theile mit dem, was die Erfahrung in andern
Faͤllen gelehrt hat, und ſetzt darnach eine, den individuellen
Beſtimmungen des Kranken angemeſſene Heilmethode feſt,
welche er in ihrem ganzen Umfange verfolgt.
§ 732.
Die praktiſche Bildung beſteht alſo darin, daß man
die Routine fliehen, und die eigentliche Kunſt ſich erwerben
lernt. Man bezweckt hier alſo, 1) die Kunſt zu beobachten,
2) die Kunſt, Erfahrungen zu machen, 3) Fertigkeit im
Handeln, 4) Erwerbung einer Theorie.
Stahl de iſagoge practica. Hal. 711. 4.
Kannegiesser de praecipuis cautelis praxin adeunti atten-
dendis. Kilon. 733. 4.
§ 733.
I. Die Beobachtung iſt die aufmerkſame Anſchauung
einer beſtimmten Reihe von durch Zeit oder Raum getrenn-
ten Gegenſtaͤnden, vermittelſt unſerer innern und aͤußern
Sinne, wodurch man von denſelben, als von Erſcheinun-
gen, vollſtaͤndige und deutliche Begriffe erlangt *).
*⁾ Sennebier die Kunſt zu beobachten. Ueberſetzt von Gme-
lin. Leipz. 776. 8.
§ 734.
Die mediciniſche Beobachtung beſteht alſo in der An-
ſchauung des kranken Individuums, nach ſaͤmmtlichen Er-
ſcheinungen ſeines koͤrperlichen und geiſtigen Weſens, und
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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/250>, abgerufen am 06.01.2025.
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