Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Dritter Theil.
§ 608.

a. Von den todten Sprachen ist eine solche Kenntniß
der lateinischen auf Akademien nöthig; sie ist es ferner, wenn
man im Beyseyn eines ungelehrten Kranken mit einem an-
dern Arzte sprechen will, ohne von dem Erstern verstanden
zu werden, und um mit Gelehrten anderer Nationen, deren
Sprache man nicht kennt, sich unterhalten zu können.

§ 609.

b. Unter den lebenden Sprachen steht die Muttersprache
eines Jeden obenan. Nur die Vorurtheile eines finstern
Jahrhunderts konnten ihren Gebrauch herabwürdigen, und
jeder Arzt hat die Pflicht, sich eine gründliche Kenntniß der-
selben zu erwerben, um richtig, deutlich und angenehm sich
ausdrücken zu können.

§ 610.

Von den übrigen lebenden Sprachen wähle sich ein Je-
der die, welche in der Gegend seines Wohnortes am meisten
gesprochen werden, oder deren er wegen seiner Verbindung
mit andern Nationen am häufigsten bedarf.

§ 611.

Besonders wähle man diejenigen Sprachen, deren Ge-
brauch am allgemeinsten ist. Hierher gehört besonders die
französische, weil diese Nation den übrigen an Cultur vor-
eilte. Oft bedarf auch der Arzt nur einzelner französischer
Ausdrücke, um dadurch die Delikatesse seiner Kranken zu
schonen. Sodann kann auch die Kenntniß einer slavonischen
Sprache hierher gerechnet werden, weil man dadurch in den
Stand gesetzt wird, Russen, Pohlen, Böhmen, Mähren,
Ungarn, Illyrier, Steyermärker zu verstehen.


§ 612.
Dritter Theil.
§ 608.

a. Von den todten Sprachen iſt eine ſolche Kenntniß
der lateiniſchen auf Akademien noͤthig; ſie iſt es ferner, wenn
man im Beyſeyn eines ungelehrten Kranken mit einem an-
dern Arzte ſprechen will, ohne von dem Erſtern verſtanden
zu werden, und um mit Gelehrten anderer Nationen, deren
Sprache man nicht kennt, ſich unterhalten zu koͤnnen.

§ 609.

b. Unter den lebenden Sprachen ſteht die Mutterſprache
eines Jeden obenan. Nur die Vorurtheile eines finſtern
Jahrhunderts konnten ihren Gebrauch herabwuͤrdigen, und
jeder Arzt hat die Pflicht, ſich eine gruͤndliche Kenntniß der-
ſelben zu erwerben, um richtig, deutlich und angenehm ſich
ausdruͤcken zu koͤnnen.

§ 610.

Von den uͤbrigen lebenden Sprachen waͤhle ſich ein Je-
der die, welche in der Gegend ſeines Wohnortes am meiſten
geſprochen werden, oder deren er wegen ſeiner Verbindung
mit andern Nationen am haͤufigſten bedarf.

§ 611.

Beſonders waͤhle man diejenigen Sprachen, deren Ge-
brauch am allgemeinſten iſt. Hierher gehoͤrt beſonders die
franzoͤſiſche, weil dieſe Nation den uͤbrigen an Cultur vor-
eilte. Oft bedarf auch der Arzt nur einzelner franzoͤſiſcher
Ausdruͤcke, um dadurch die Delikateſſe ſeiner Kranken zu
ſchonen. Sodann kann auch die Kenntniß einer ſlavoniſchen
Sprache hierher gerechnet werden, weil man dadurch in den
Stand geſetzt wird, Ruſſen, Pohlen, Boͤhmen, Maͤhren,
Ungarn, Illyrier, Steyermaͤrker zu verſtehen.


§ 612.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <div n="6">
                <div n="7">
                  <pb facs="#f0206" n="188"/>
                  <fw place="top" type="header">Dritter Theil.</fw><lb/>
                  <div n="8">
                    <head>§ 608.</head><lb/>
                    <p><hi rendition="#aq">a.</hi> Von den todten Sprachen i&#x017F;t eine &#x017F;olche Kenntniß<lb/>
der lateini&#x017F;chen auf Akademien no&#x0364;thig; &#x017F;ie i&#x017F;t es ferner, wenn<lb/>
man im Bey&#x017F;eyn eines ungelehrten Kranken mit einem an-<lb/>
dern Arzte &#x017F;prechen will, ohne von dem Er&#x017F;tern ver&#x017F;tanden<lb/>
zu werden, und um mit Gelehrten anderer Nationen, deren<lb/>
Sprache man nicht kennt, &#x017F;ich unterhalten zu ko&#x0364;nnen.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="8">
                    <head>§ 609.</head><lb/>
                    <p><hi rendition="#aq">b.</hi> Unter den lebenden Sprachen &#x017F;teht die Mutter&#x017F;prache<lb/>
eines Jeden obenan. Nur die Vorurtheile eines fin&#x017F;tern<lb/>
Jahrhunderts konnten ihren Gebrauch herabwu&#x0364;rdigen, und<lb/>
jeder Arzt hat die Pflicht, &#x017F;ich eine gru&#x0364;ndliche Kenntniß der-<lb/>
&#x017F;elben zu erwerben, um richtig, deutlich und angenehm &#x017F;ich<lb/>
ausdru&#x0364;cken zu ko&#x0364;nnen.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="8">
                    <head>§ 610.</head><lb/>
                    <p>Von den u&#x0364;brigen lebenden Sprachen wa&#x0364;hle &#x017F;ich ein Je-<lb/>
der die, welche in der Gegend &#x017F;eines Wohnortes am mei&#x017F;ten<lb/>
ge&#x017F;prochen werden, oder deren er wegen &#x017F;einer Verbindung<lb/>
mit andern Nationen am ha&#x0364;ufig&#x017F;ten bedarf.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="8">
                    <head>§ 611.</head><lb/>
                    <p>Be&#x017F;onders wa&#x0364;hle man diejenigen Sprachen, deren Ge-<lb/>
brauch am allgemein&#x017F;ten i&#x017F;t. Hierher geho&#x0364;rt be&#x017F;onders die<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che, weil die&#x017F;e Nation den u&#x0364;brigen an Cultur vor-<lb/>
eilte. Oft bedarf auch der Arzt nur einzelner franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher<lb/>
Ausdru&#x0364;cke, um dadurch die Delikate&#x017F;&#x017F;e &#x017F;einer Kranken zu<lb/>
&#x017F;chonen. Sodann kann auch die Kenntniß einer &#x017F;lavoni&#x017F;chen<lb/>
Sprache hierher gerechnet werden, weil man dadurch in den<lb/>
Stand ge&#x017F;etzt wird, Ru&#x017F;&#x017F;en, Pohlen, Bo&#x0364;hmen, Ma&#x0364;hren,<lb/>
Ungarn, Illyrier, Steyerma&#x0364;rker zu ver&#x017F;tehen.</p>
                  </div><lb/>
                  <fw place="bottom" type="catch">§ 612.</fw><lb/>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0206] Dritter Theil. § 608. a. Von den todten Sprachen iſt eine ſolche Kenntniß der lateiniſchen auf Akademien noͤthig; ſie iſt es ferner, wenn man im Beyſeyn eines ungelehrten Kranken mit einem an- dern Arzte ſprechen will, ohne von dem Erſtern verſtanden zu werden, und um mit Gelehrten anderer Nationen, deren Sprache man nicht kennt, ſich unterhalten zu koͤnnen. § 609. b. Unter den lebenden Sprachen ſteht die Mutterſprache eines Jeden obenan. Nur die Vorurtheile eines finſtern Jahrhunderts konnten ihren Gebrauch herabwuͤrdigen, und jeder Arzt hat die Pflicht, ſich eine gruͤndliche Kenntniß der- ſelben zu erwerben, um richtig, deutlich und angenehm ſich ausdruͤcken zu koͤnnen. § 610. Von den uͤbrigen lebenden Sprachen waͤhle ſich ein Je- der die, welche in der Gegend ſeines Wohnortes am meiſten geſprochen werden, oder deren er wegen ſeiner Verbindung mit andern Nationen am haͤufigſten bedarf. § 611. Beſonders waͤhle man diejenigen Sprachen, deren Ge- brauch am allgemeinſten iſt. Hierher gehoͤrt beſonders die franzoͤſiſche, weil dieſe Nation den uͤbrigen an Cultur vor- eilte. Oft bedarf auch der Arzt nur einzelner franzoͤſiſcher Ausdruͤcke, um dadurch die Delikateſſe ſeiner Kranken zu ſchonen. Sodann kann auch die Kenntniß einer ſlavoniſchen Sprache hierher gerechnet werden, weil man dadurch in den Stand geſetzt wird, Ruſſen, Pohlen, Boͤhmen, Maͤhren, Ungarn, Illyrier, Steyermaͤrker zu verſtehen. § 612.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/206
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/206>, abgerufen am 03.12.2024.