Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Theil.
che sie herbeygeführt werden. Die Pathologie zerfällt also
in die Pathogenie, Symptomatologie und Aetiologie.

§ 268.

1. Die Pathogenie oder Krankheitsnaturlehre ist die
Darstellung der für uns erkennbaren obersten Gesetze, nach
welchen die ihrem ursprünglichen Zwecke nicht entsprechenden
Erscheinungen der menschlichen Natur erfolgen.

§ 269.

Die Gesundheit beruht auf zweckmäßiger Würkung der
Kräfte des Menschen, und alle Untersuchungen ihres We-
sens, schränken sich nur auf Entdeckung der Gesetze ein,
nach welchen jene Würkung erfolgt. Eben so verhält es sich
auch mit den Krankheiten, als welche in einer Modification
jener Kräfte bestehen, wodurch die Erreichung der Zwecke der
menschlichen Natur gestört wird. So viel wir also von dem
eigentlichen Wesen der Krankheiten wissen können, trägt die
Pathogenie vor.

§ 270.

Ihren Stoff erhält sie von der speciellen Krankheitslehre
(§ 266), und sie bearbeitet ihn, geleitet von der Physiolo-
gie und Psychologie. Denn diese Wissenschaften beschäfti-
gen sich nicht bloß mit Darstellung der Gesundheitserschei-
nungen, sondern mit Entwickelung der Gesetze, nach wel-
chen die menschliche Natur sich überhaupt würksam erzeigt,
(§ 234, 250), oder sie machen die Naturlehre des Menschen
aus (§ 183). Da nun Krankheiten nichts Widernatürli-
ches, sondern einzig und allein von den Würkungsgesetzen
der menschlichen Natur abhängig sind (§ 222), und sich auf
dieselbe beziehen, so können die Gesetze, nach welchen sie er-
scheinen, nur vermittelst jener Wissenschaften aufgehellt

wer-

Zweyter Theil.
che ſie herbeygefuͤhrt werden. Die Pathologie zerfaͤllt alſo
in die Pathogenie, Symptomatologie und Aetiologie.

§ 268.

1. Die Pathogenie oder Krankheitsnaturlehre iſt die
Darſtellung der fuͤr uns erkennbaren oberſten Geſetze, nach
welchen die ihrem urſpruͤnglichen Zwecke nicht entſprechenden
Erſcheinungen der menſchlichen Natur erfolgen.

§ 269.

Die Geſundheit beruht auf zweckmaͤßiger Wuͤrkung der
Kraͤfte des Menſchen, und alle Unterſuchungen ihres We-
ſens, ſchraͤnken ſich nur auf Entdeckung der Geſetze ein,
nach welchen jene Wuͤrkung erfolgt. Eben ſo verhaͤlt es ſich
auch mit den Krankheiten, als welche in einer Modification
jener Kraͤfte beſtehen, wodurch die Erreichung der Zwecke der
menſchlichen Natur geſtoͤrt wird. So viel wir alſo von dem
eigentlichen Weſen der Krankheiten wiſſen koͤnnen, traͤgt die
Pathogenie vor.

§ 270.

Ihren Stoff erhaͤlt ſie von der ſpeciellen Krankheitslehre
(§ 266), und ſie bearbeitet ihn, geleitet von der Phyſiolo-
gie und Pſychologie. Denn dieſe Wiſſenſchaften beſchaͤfti-
gen ſich nicht bloß mit Darſtellung der Geſundheitserſchei-
nungen, ſondern mit Entwickelung der Geſetze, nach wel-
chen die menſchliche Natur ſich uͤberhaupt wuͤrkſam erzeigt,
(§ 234, 250), oder ſie machen die Naturlehre des Menſchen
aus (§ 183). Da nun Krankheiten nichts Widernatuͤrli-
ches, ſondern einzig und allein von den Wuͤrkungsgeſetzen
der menſchlichen Natur abhaͤngig ſind (§ 222), und ſich auf
dieſelbe beziehen, ſo koͤnnen die Geſetze, nach welchen ſie er-
ſcheinen, nur vermittelſt jener Wiſſenſchaften aufgehellt

wer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <div n="6">
                <div n="7">
                  <div n="8">
                    <p><pb facs="#f0100" n="82"/><fw place="top" type="header">Zweyter Theil.</fw><lb/>
che &#x017F;ie herbeygefu&#x0364;hrt werden. Die Pathologie zerfa&#x0364;llt al&#x017F;o<lb/>
in die Pathogenie, Symptomatologie und Aetiologie.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="8">
                    <head>§ 268.</head><lb/>
                    <p>1. Die <hi rendition="#g">Pathogenie</hi> oder Krankheitsnaturlehre i&#x017F;t die<lb/>
Dar&#x017F;tellung der fu&#x0364;r uns erkennbaren ober&#x017F;ten Ge&#x017F;etze, nach<lb/>
welchen die ihrem ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Zwecke nicht ent&#x017F;prechenden<lb/>
Er&#x017F;cheinungen der men&#x017F;chlichen Natur erfolgen.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="8">
                    <head>§ 269.</head><lb/>
                    <p>Die Ge&#x017F;undheit beruht auf zweckma&#x0364;ßiger Wu&#x0364;rkung der<lb/>
Kra&#x0364;fte des Men&#x017F;chen, und alle Unter&#x017F;uchungen ihres We-<lb/>
&#x017F;ens, &#x017F;chra&#x0364;nken &#x017F;ich nur auf Entdeckung der Ge&#x017F;etze ein,<lb/>
nach welchen jene Wu&#x0364;rkung erfolgt. Eben &#x017F;o verha&#x0364;lt es &#x017F;ich<lb/>
auch mit den Krankheiten, als welche in einer Modification<lb/>
jener Kra&#x0364;fte be&#x017F;tehen, wodurch die Erreichung der Zwecke der<lb/>
men&#x017F;chlichen Natur ge&#x017F;to&#x0364;rt wird. So viel wir al&#x017F;o von dem<lb/>
eigentlichen We&#x017F;en der Krankheiten wi&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen, tra&#x0364;gt die<lb/>
Pathogenie vor.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="8">
                    <head>§ 270.</head><lb/>
                    <p>Ihren Stoff erha&#x0364;lt &#x017F;ie von der &#x017F;peciellen Krankheitslehre<lb/>
(§ 266), und &#x017F;ie bearbeitet ihn, geleitet von der Phy&#x017F;iolo-<lb/>
gie und P&#x017F;ychologie. Denn die&#x017F;e Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften be&#x017F;cha&#x0364;fti-<lb/>
gen &#x017F;ich nicht bloß mit Dar&#x017F;tellung der Ge&#x017F;undheitser&#x017F;chei-<lb/>
nungen, &#x017F;ondern mit Entwickelung der Ge&#x017F;etze, nach wel-<lb/>
chen die men&#x017F;chliche Natur &#x017F;ich u&#x0364;berhaupt wu&#x0364;rk&#x017F;am erzeigt,<lb/>
(§ 234, 250), oder &#x017F;ie machen die Naturlehre des Men&#x017F;chen<lb/>
aus (§ 183). Da nun Krankheiten nichts Widernatu&#x0364;rli-<lb/>
ches, &#x017F;ondern einzig und allein von den Wu&#x0364;rkungsge&#x017F;etzen<lb/>
der men&#x017F;chlichen Natur abha&#x0364;ngig &#x017F;ind (§ 222), und &#x017F;ich auf<lb/>
die&#x017F;elbe beziehen, &#x017F;o ko&#x0364;nnen die Ge&#x017F;etze, nach welchen &#x017F;ie er-<lb/>
&#x017F;cheinen, nur vermittel&#x017F;t jener Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften aufgehellt<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wer-</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0100] Zweyter Theil. che ſie herbeygefuͤhrt werden. Die Pathologie zerfaͤllt alſo in die Pathogenie, Symptomatologie und Aetiologie. § 268. 1. Die Pathogenie oder Krankheitsnaturlehre iſt die Darſtellung der fuͤr uns erkennbaren oberſten Geſetze, nach welchen die ihrem urſpruͤnglichen Zwecke nicht entſprechenden Erſcheinungen der menſchlichen Natur erfolgen. § 269. Die Geſundheit beruht auf zweckmaͤßiger Wuͤrkung der Kraͤfte des Menſchen, und alle Unterſuchungen ihres We- ſens, ſchraͤnken ſich nur auf Entdeckung der Geſetze ein, nach welchen jene Wuͤrkung erfolgt. Eben ſo verhaͤlt es ſich auch mit den Krankheiten, als welche in einer Modification jener Kraͤfte beſtehen, wodurch die Erreichung der Zwecke der menſchlichen Natur geſtoͤrt wird. So viel wir alſo von dem eigentlichen Weſen der Krankheiten wiſſen koͤnnen, traͤgt die Pathogenie vor. § 270. Ihren Stoff erhaͤlt ſie von der ſpeciellen Krankheitslehre (§ 266), und ſie bearbeitet ihn, geleitet von der Phyſiolo- gie und Pſychologie. Denn dieſe Wiſſenſchaften beſchaͤfti- gen ſich nicht bloß mit Darſtellung der Geſundheitserſchei- nungen, ſondern mit Entwickelung der Geſetze, nach wel- chen die menſchliche Natur ſich uͤberhaupt wuͤrkſam erzeigt, (§ 234, 250), oder ſie machen die Naturlehre des Menſchen aus (§ 183). Da nun Krankheiten nichts Widernatuͤrli- ches, ſondern einzig und allein von den Wuͤrkungsgeſetzen der menſchlichen Natur abhaͤngig ſind (§ 222), und ſich auf dieſelbe beziehen, ſo koͤnnen die Geſetze, nach welchen ſie er- ſcheinen, nur vermittelſt jener Wiſſenſchaften aufgehellt wer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/100
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/100>, abgerufen am 21.12.2024.