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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Die Handschrift war jene schöne neu italienische, die3. Abschnitt.
schon den Anblick eines Buches dieser Zeit zu einem Genuß
macht, und deren Anfang schon ins XIV. Jahrhundert
hinaufreicht. Papst Nicolaus V., Poggio, Giannozzo Man-
netti, Niccolo Niccoli und andere berühmte Gelehrte waren
von Hause aus Kalligraphen und verlangten und duldeten
nur Schönes. Die übrige Ausstattung, auch wenn keine
Miniaturen dazu kamen, war äußerst geschmackvoll, wie
besonders die Codices der Laurenziana mit ihren leichten
linearen Anfangs- und Schlußornamenten beweisen. Das
Material war, wenn für große Herrn geschrieben wurde,
immer nur Pergament, der Einband in der Vaticana und
zu Urbino gleichmäßig ein Karmosinsammet mit silbernem
Beschläge. Bei einer solchen Gesinnung, welche die Ehr-
furcht vor dem Inhalt der Bücher durch möglichst edle
Ausstattung an den Tag legen wollte, ist es begreiflich,
daß die plötzlich auftauchenden gedruckten Bücher Anfangs
auf Widerstand stießen. Federigo von Urbino "hätte sich
geschämt" ein gedrucktes Buch zu besitzen 1).

Die müden Abschreiber aber -- nicht die welche vomBücherdruck.
Copiren lebten, sondern die Vielen, welche ein Buch ab-
schreiben mußten um es zu haben -- jubelten über die
deutsche Erfindung 2). Für die Vervielfältigung der Römer
und dann auch der Griechen war sie in Italien bald und
lange nur hier thätig, doch ging es damit nicht so rasch
als man bei der allgemeinen Begeisterung für diese Werke

1) Vespas. Fior. p. 129.
2) Artes -- Queis labor est fessis demptus ab articulis, in einem
Gedicht des Robertus Ursus um 1470, Rerum ital. scriptt. ex
codd. Florent., Tom. II, Col. 693.
Er freut sich etwas früh
über die zu hoffende rasche Verbreitung der classischen Autoren. Vgl.
Libri, hist. des sciences mathematiques II, 278, s. -- Ueber
die Drucker in Rom Gaspar. Veron. Vita Pauli II, bei Murat.
III, II, Col. 1046.
Das erste Privilegium in Venedig s. Marin
Sanudo,
bei Murat. XXII, Col. 1189.
Cultur der Renaissance. 13

Die Handſchrift war jene ſchöne neu italieniſche, die3. Abſchnitt.
ſchon den Anblick eines Buches dieſer Zeit zu einem Genuß
macht, und deren Anfang ſchon ins XIV. Jahrhundert
hinaufreicht. Papſt Nicolaus V., Poggio, Giannozzo Man-
netti, Niccolò Niccoli und andere berühmte Gelehrte waren
von Hauſe aus Kalligraphen und verlangten und duldeten
nur Schönes. Die übrige Ausſtattung, auch wenn keine
Miniaturen dazu kamen, war äußerſt geſchmackvoll, wie
beſonders die Codices der Laurenziana mit ihren leichten
linearen Anfangs- und Schlußornamenten beweiſen. Das
Material war, wenn für große Herrn geſchrieben wurde,
immer nur Pergament, der Einband in der Vaticana und
zu Urbino gleichmäßig ein Karmoſinſammet mit ſilbernem
Beſchläge. Bei einer ſolchen Geſinnung, welche die Ehr-
furcht vor dem Inhalt der Bücher durch möglichſt edle
Ausſtattung an den Tag legen wollte, iſt es begreiflich,
daß die plötzlich auftauchenden gedruckten Bücher Anfangs
auf Widerſtand ſtießen. Federigo von Urbino „hätte ſich
geſchämt“ ein gedrucktes Buch zu beſitzen 1).

Die müden Abſchreiber aber — nicht die welche vomBücherdruck.
Copiren lebten, ſondern die Vielen, welche ein Buch ab-
ſchreiben mußten um es zu haben — jubelten über die
deutſche Erfindung 2). Für die Vervielfältigung der Römer
und dann auch der Griechen war ſie in Italien bald und
lange nur hier thätig, doch ging es damit nicht ſo raſch
als man bei der allgemeinen Begeiſterung für dieſe Werke

1) Vespas. Fior. p. 129.
2) Artes — Quîs labor est fessis demptus ab articulis, in einem
Gedicht des Robertus Urſus um 1470, Rerum ital. scriptt. ex
codd. Florent., Tom. II, Col. 693.
Er freut ſich etwas früh
über die zu hoffende raſche Verbreitung der claſſiſchen Autoren. Vgl.
Libri, hist. des sciences mathématiques II, 278, s. — Ueber
die Drucker in Rom Gaspar. Veron. Vita Pauli II, bei Murat.
III, II, Col. 1046.
Das erſte Privilegium in Venedig ſ. Marin
Sanudo,
bei Murat. XXII, Col. 1189.
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[193/0203] Die Handſchrift war jene ſchöne neu italieniſche, die ſchon den Anblick eines Buches dieſer Zeit zu einem Genuß macht, und deren Anfang ſchon ins XIV. Jahrhundert hinaufreicht. Papſt Nicolaus V., Poggio, Giannozzo Man- netti, Niccolò Niccoli und andere berühmte Gelehrte waren von Hauſe aus Kalligraphen und verlangten und duldeten nur Schönes. Die übrige Ausſtattung, auch wenn keine Miniaturen dazu kamen, war äußerſt geſchmackvoll, wie beſonders die Codices der Laurenziana mit ihren leichten linearen Anfangs- und Schlußornamenten beweiſen. Das Material war, wenn für große Herrn geſchrieben wurde, immer nur Pergament, der Einband in der Vaticana und zu Urbino gleichmäßig ein Karmoſinſammet mit ſilbernem Beſchläge. Bei einer ſolchen Geſinnung, welche die Ehr- furcht vor dem Inhalt der Bücher durch möglichſt edle Ausſtattung an den Tag legen wollte, iſt es begreiflich, daß die plötzlich auftauchenden gedruckten Bücher Anfangs auf Widerſtand ſtießen. Federigo von Urbino „hätte ſich geſchämt“ ein gedrucktes Buch zu beſitzen 1). 3. Abſchnitt. Die müden Abſchreiber aber — nicht die welche vom Copiren lebten, ſondern die Vielen, welche ein Buch ab- ſchreiben mußten um es zu haben — jubelten über die deutſche Erfindung 2). Für die Vervielfältigung der Römer und dann auch der Griechen war ſie in Italien bald und lange nur hier thätig, doch ging es damit nicht ſo raſch als man bei der allgemeinen Begeiſterung für dieſe Werke Bücherdruck. 1) Vespas. Fior. p. 129. 2) Artes — Quîs labor est fessis demptus ab articulis, in einem Gedicht des Robertus Urſus um 1470, Rerum ital. scriptt. ex codd. Florent., Tom. II, Col. 693. Er freut ſich etwas früh über die zu hoffende raſche Verbreitung der claſſiſchen Autoren. Vgl. Libri, hist. des sciences mathématiques II, 278, s. — Ueber die Drucker in Rom Gaspar. Veron. Vita Pauli II, bei Murat. III, II, Col. 1046. Das erſte Privilegium in Venedig ſ. Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 1189. Cultur der Renaiſſance. 13

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/203>, abgerufen am 26.04.2024.