in der Lebensart eines Fuhrmanns, teils in diesem Umstande zu liegen: der Fuhrmann, welcher Waaren veruntreut, kann die Schuld auf niemanden anders, höchstens auf seinen Knecht, werfen. Aber er kennt seine Knechte besser und wechselt nicht oft mit ihnen; weiß auch, daß er keine Fracht da wieder findet, wo er oder seine Knechte sich verdächtig gemacht haben. Aber der Schiffer, welcher fast zu jeder Reise anderes Volk dinget, schiebt es auf dieses, und wird immer vorgeben, er habe nun sichrere Leute ausgesucht.
§. 25.
Unabhängige Städte, deren Hauptgeschäfte die Spedition ist, werden freilich ähnliche Grundsäze in ihrer Handlungspolitik befolgen müssen. Sie wer- den insonderheit keine Stapelgerechtigkeit behaupten, und nicht auf eigenen Handel halten können, wenn Einmal derselbe sich in einen Transithandel verwan- delt hat. Die Stadt Lübek giebt davon ein merkwür- diges Beispiel. So lange sie das Haupt der Hansa war, trieb sie fast nur eigenen Handel, und bediente sich Hamburgs in einem grossen Teil desselben als eines Ablagerplazes. Viele ihrer Statuten zwekten auch darauf ab. Als aber die Umstände sich änderten, und es allmählich dahin kam, daß sie hauptsächlich nur durch den Transithandel blühete, hat sie diesem seine gänzliche Freiheit gelassen, und ihren alten auf
5. Buch. Von der Handlungs-Politik.
in der Lebensart eines Fuhrmanns, teils in dieſem Umſtande zu liegen: der Fuhrmann, welcher Waaren veruntreut, kann die Schuld auf niemanden anders, hoͤchſtens auf ſeinen Knecht, werfen. Aber er kennt ſeine Knechte beſſer und wechſelt nicht oft mit ihnen; weiß auch, daß er keine Fracht da wieder findet, wo er oder ſeine Knechte ſich verdaͤchtig gemacht haben. Aber der Schiffer, welcher faſt zu jeder Reiſe anderes Volk dinget, ſchiebt es auf dieſes, und wird immer vorgeben, er habe nun ſichrere Leute ausgeſucht.
§. 25.
Unabhaͤngige Staͤdte, deren Hauptgeſchaͤfte die Spedition iſt, werden freilich aͤhnliche Grundſaͤze in ihrer Handlungspolitik befolgen muͤſſen. Sie wer- den inſonderheit keine Stapelgerechtigkeit behaupten, und nicht auf eigenen Handel halten koͤnnen, wenn Einmal derſelbe ſich in einen Tranſithandel verwan- delt hat. Die Stadt Luͤbek giebt davon ein merkwuͤr- diges Beiſpiel. So lange ſie das Haupt der Hanſa war, trieb ſie faſt nur eigenen Handel, und bediente ſich Hamburgs in einem groſſen Teil deſſelben als eines Ablagerplazes. Viele ihrer Statuten zwekten auch darauf ab. Als aber die Umſtaͤnde ſich aͤnderten, und es allmaͤhlich dahin kam, daß ſie hauptſaͤchlich nur durch den Tranſithandel bluͤhete, hat ſie dieſem ſeine gaͤnzliche Freiheit gelaſſen, und ihren alten auf
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5. Buch. Von der Handlungs-Politik.
in der Lebensart eines Fuhrmanns, teils in dieſem
Umſtande zu liegen: der Fuhrmann, welcher Waaren
veruntreut, kann die Schuld auf niemanden anders,
hoͤchſtens auf ſeinen Knecht, werfen. Aber er kennt
ſeine Knechte beſſer und wechſelt nicht oft mit ihnen;
weiß auch, daß er keine Fracht da wieder findet, wo
er oder ſeine Knechte ſich verdaͤchtig gemacht haben.
Aber der Schiffer, welcher faſt zu jeder Reiſe anderes
Volk dinget, ſchiebt es auf dieſes, und wird immer
vorgeben, er habe nun ſichrere Leute ausgeſucht.
§. 25.
Unabhaͤngige Staͤdte, deren Hauptgeſchaͤfte die
Spedition iſt, werden freilich aͤhnliche Grundſaͤze in
ihrer Handlungspolitik befolgen muͤſſen. Sie wer-
den inſonderheit keine Stapelgerechtigkeit behaupten,
und nicht auf eigenen Handel halten koͤnnen, wenn
Einmal derſelbe ſich in einen Tranſithandel verwan-
delt hat. Die Stadt Luͤbek giebt davon ein merkwuͤr-
diges Beiſpiel. So lange ſie das Haupt der Hanſa
war, trieb ſie faſt nur eigenen Handel, und bediente
ſich Hamburgs in einem groſſen Teil deſſelben als
eines Ablagerplazes. Viele ihrer Statuten zwekten
auch darauf ab. Als aber die Umſtaͤnde ſich aͤnderten,
und es allmaͤhlich dahin kam, daß ſie hauptſaͤchlich
nur durch den Tranſithandel bluͤhete, hat ſie dieſem
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Büsch, Johann Georg: Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschäften. Bd. 2. Hamburg, 1792, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buesch_handlung02_1792/288>, abgerufen am 16.07.2024.
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