Hüten herumlaufen, und daß Herr Perier die Cholera hatte, die Cholera aber leider nicht ihn. * .....
4.
Straßburg, im December 1832.
.... Ich hätte beinahe vergessen zu erzählen, daß der Platz in Belagerungsstand gesetzt wird (wegen der holländischen Wirren). Unter meinem Fenster rasseln beständig die Kanonen vorbei, auf den öffentlichen Plätzen exerciren die Truppen, und das Geschütz wird auf den Wällen aufgefahren. Für eine politische Abhandlung habe ich keine Zeit mehr, es wäre auch nicht der Mühe werth, das Ganze ist doch nur eine Comödie. Der König und die Kammern regieren, und das Volk klatscht und bezahlt. ....
5.
Straßburg, im Januar 1833.
..... Auf Weihnachten ging ich Morgens um vier Uhr in die Frühmette ins Münster. Das düstere Gewölbe mit seinen Säulen, die Rose und die farbigen Scheiben und die knieende Menge waren nur halb vom Lampenschein er- leuchtet. Der Gesang des unsichtbaren Chores schien über dem Chor und dem Altare zu schweben und den vollen Tönen der gewaltigen Orgel zu antworten. Ich bin kein Katholik und kümmerte mich wenig um das Schellen und Knieen der buntscheckigen Pfaffen, aber der Gesang allein machte mehr
*Perier, der damalige Minister des Innern, der das auf- gestandene Polen im Interesse des Louis Philipp'schen Friedens- systems fallen ließ. L. B.
Hüten herumlaufen, und daß Herr Périer die Cholera hatte, die Cholera aber leider nicht ihn. * .....
4.
Straßburg, im December 1832.
.... Ich hätte beinahe vergeſſen zu erzählen, daß der Platz in Belagerungsſtand geſetzt wird (wegen der holländiſchen Wirren). Unter meinem Fenſter raſſeln beſtändig die Kanonen vorbei, auf den öffentlichen Plätzen exerciren die Truppen, und das Geſchütz wird auf den Wällen aufgefahren. Für eine politiſche Abhandlung habe ich keine Zeit mehr, es wäre auch nicht der Mühe werth, das Ganze iſt doch nur eine Comödie. Der König und die Kammern regieren, und das Volk klatſcht und bezahlt. ....
5.
Straßburg, im Januar 1833.
..... Auf Weihnachten ging ich Morgens um vier Uhr in die Frühmette ins Münſter. Das düſtere Gewölbe mit ſeinen Säulen, die Roſe und die farbigen Scheiben und die knieende Menge waren nur halb vom Lampenſchein er- leuchtet. Der Geſang des unſichtbaren Chores ſchien über dem Chor und dem Altare zu ſchweben und den vollen Tönen der gewaltigen Orgel zu antworten. Ich bin kein Katholik und kümmerte mich wenig um das Schellen und Knieen der buntſcheckigen Pfaffen, aber der Geſang allein machte mehr
*Périer, der damalige Miniſter des Innern, der das auf- geſtandene Polen im Intereſſe des Louis Philipp'ſchen Friedens- ſyſtems fallen ließ. L. B.
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Hüten herumlaufen, und daß Herr Périer die Cholera hatte,
die Cholera aber leider nicht ihn. * .....
4.
Straßburg, im December 1832.
.... Ich hätte beinahe vergeſſen zu erzählen, daß der
Platz in Belagerungsſtand geſetzt wird (wegen der holländiſchen
Wirren). Unter meinem Fenſter raſſeln beſtändig die Kanonen
vorbei, auf den öffentlichen Plätzen exerciren die Truppen,
und das Geſchütz wird auf den Wällen aufgefahren. Für
eine politiſche Abhandlung habe ich keine Zeit mehr, es wäre
auch nicht der Mühe werth, das Ganze iſt doch nur eine
Comödie. Der König und die Kammern regieren, und das
Volk klatſcht und bezahlt. ....
5.
Straßburg, im Januar 1833.
..... Auf Weihnachten ging ich Morgens um vier
Uhr in die Frühmette ins Münſter. Das düſtere Gewölbe
mit ſeinen Säulen, die Roſe und die farbigen Scheiben und
die knieende Menge waren nur halb vom Lampenſchein er-
leuchtet. Der Geſang des unſichtbaren Chores ſchien über
dem Chor und dem Altare zu ſchweben und den vollen Tönen
der gewaltigen Orgel zu antworten. Ich bin kein Katholik
und kümmerte mich wenig um das Schellen und Knieen der
buntſcheckigen Pfaffen, aber der Geſang allein machte mehr
* Périer, der damalige Miniſter des Innern, der das auf-
geſtandene Polen im Intereſſe des Louis Philipp'ſchen Friedens-
ſyſtems fallen ließ. L. B.
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/523>, abgerufen am 21.11.2024.
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