Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
Menschen! Wie der lange Schlingel läuft und sein Schatten hinterdrein! Und so verzweifelt! Das hab ich nicht gerne! Ein guter Mensch ist dankbar gegen Gott. Ein guter Mensch hat auch keine Courage! Nur ein Hundsfott hat Courage! Ich bin auch manchmal schwermüthig; ich hab' in meiner Natur so was Schwärmerisches, ich muß immer weinen, wenn ich meinen Rock an der Wand hängen sehe! Aber der Mensch ist dazu da, um seinen Schöpfer zu preisen und sich in der Liebe zum Leben zu befestigen. Nur ein Hunds- fott hat Courage! Nur ein Hundsfott! Mariens Stube. Wozzeck. Marie. Marie. Guten Tag, Franz. Wozzeck (sieht sie starr an und schüttelt den Kopf.) Hm! ich seh' nichts, ich seh' nichts. O, man müßt's seh'n, man müßt's greifen können mit Fäusten! Marie. Was hast, Franz? Wozzeck (wie früher). Bist du's noch, Marie?! -- Eine Sünde, so dick und breit -- das müßt stinken, daß man die Engelchen zum Himmel hinausräuchern könnt'. Aber du hast einen rothen Mund, Marie! Einen rothen Mund -- keine Blase drauf? Marie. Du bist hirnwüthig, Franz, ich fürcht' mich ...
Menſchen! Wie der lange Schlingel läuft und ſein Schatten hinterdrein! Und ſo verzweifelt! Das hab ich nicht gerne! Ein guter Menſch iſt dankbar gegen Gott. Ein guter Menſch hat auch keine Courage! Nur ein Hundsfott hat Courage! Ich bin auch manchmal ſchwermüthig; ich hab' in meiner Natur ſo was Schwärmeriſches, ich muß immer weinen, wenn ich meinen Rock an der Wand hängen ſehe! Aber der Menſch iſt dazu da, um ſeinen Schöpfer zu preiſen und ſich in der Liebe zum Leben zu befeſtigen. Nur ein Hunds- fott hat Courage! Nur ein Hundsfott! Mariens Stube. Wozzeck. Marie. Marie. Guten Tag, Franz. Wozzeck (ſieht ſie ſtarr an und ſchüttelt den Kopf.) Hm! ich ſeh' nichts, ich ſeh' nichts. O, man müßt's ſeh'n, man müßt's greifen können mit Fäuſten! Marie. Was haſt, Franz? Wozzeck (wie früher). Biſt du's noch, Marie?! — Eine Sünde, ſo dick und breit — das müßt ſtinken, daß man die Engelchen zum Himmel hinausräuchern könnt'. Aber du haſt einen rothen Mund, Marie! Einen rothen Mund — keine Blaſe drauf? Marie. Du biſt hirnwüthig, Franz, ich fürcht' mich ... <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="scene" n="3"> <sp who="#HAU"> <p><pb facs="#f0379" n="183"/> Menſchen! Wie der lange Schlingel läuft und ſein Schatten<lb/> hinterdrein! Und ſo verzweifelt! Das hab ich nicht gerne!<lb/> Ein guter Menſch iſt dankbar gegen Gott. Ein guter Menſch<lb/> hat auch keine Courage! Nur ein Hundsfott hat Courage!<lb/> Ich bin auch manchmal ſchwermüthig; ich hab' in meiner<lb/> Natur ſo was Schwärmeriſches, ich muß immer weinen,<lb/> wenn ich meinen Rock an der Wand hängen ſehe! Aber<lb/> der Menſch iſt dazu da, um ſeinen Schöpfer zu preiſen und<lb/> ſich in der Liebe zum Leben zu befeſtigen. Nur ein Hunds-<lb/> fott hat Courage! Nur ein Hundsfott!</p> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div type="scene" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Mariens Stube</hi>.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck. Marie.</hi> </hi> </hi> </stage><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker> <p>Guten Tag, Franz.</p> </sp><lb/> <sp who="#WOZ"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck</hi> </hi> </speaker> <stage>(ſieht ſie ſtarr an und ſchüttelt den Kopf.)</stage> <p>Hm!<lb/> ich ſeh' nichts, ich ſeh' nichts. O, man müßt's ſeh'n, man<lb/> müßt's greifen können mit Fäuſten!</p> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker> <p>Was haſt, Franz?</p> </sp><lb/> <sp who="#WOZ"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck</hi> </hi> </speaker> <stage>(wie früher).</stage> <p>Biſt du's noch, Marie?! —<lb/> Eine Sünde, ſo dick und breit — das müßt ſtinken, daß<lb/> man die Engelchen zum Himmel hinausräuchern könnt'. Aber<lb/> du haſt einen rothen Mund, Marie! Einen rothen Mund —<lb/> keine Blaſe drauf?</p> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker> <p>Du biſt hirnwüthig, Franz, ich fürcht' mich ...</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0379]
Menſchen! Wie der lange Schlingel läuft und ſein Schatten
hinterdrein! Und ſo verzweifelt! Das hab ich nicht gerne!
Ein guter Menſch iſt dankbar gegen Gott. Ein guter Menſch
hat auch keine Courage! Nur ein Hundsfott hat Courage!
Ich bin auch manchmal ſchwermüthig; ich hab' in meiner
Natur ſo was Schwärmeriſches, ich muß immer weinen,
wenn ich meinen Rock an der Wand hängen ſehe! Aber
der Menſch iſt dazu da, um ſeinen Schöpfer zu preiſen und
ſich in der Liebe zum Leben zu befeſtigen. Nur ein Hunds-
fott hat Courage! Nur ein Hundsfott!
Mariens Stube.
Wozzeck. Marie.
Marie. Guten Tag, Franz.
Wozzeck (ſieht ſie ſtarr an und ſchüttelt den Kopf.) Hm!
ich ſeh' nichts, ich ſeh' nichts. O, man müßt's ſeh'n, man
müßt's greifen können mit Fäuſten!
Marie. Was haſt, Franz?
Wozzeck (wie früher). Biſt du's noch, Marie?! —
Eine Sünde, ſo dick und breit — das müßt ſtinken, daß
man die Engelchen zum Himmel hinausräuchern könnt'. Aber
du haſt einen rothen Mund, Marie! Einen rothen Mund —
keine Blaſe drauf?
Marie. Du biſt hirnwüthig, Franz, ich fürcht' mich ...
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