Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
sehen; sag' ihm, ich könne ihn nicht so sehen. (Sie gibt ihm eine Locke.) Da, bring' ihm das -- und sag' ihm, er würde nicht allein gehn. Er versteht mich schon, und dann schnell zurück, ich will seine Blicke aus deinen Augen lesen. Eine Straße. Dumas. Ein Bürger. Bürger. Wie kann man nach einem solchen Verhör so viel Unschuldige zum Tode verurtheilen? Dumas. Das ist in der That außerordentlich, aber die Revolutionsmänner haben einen Sinn, der anderen Menschen fehlt, und dieser Sinn trügt sie nie. Bürger. Das ist der Sinn des Tigers. -- Du hast ein Weib. Dumas. Ich werde bald eins gehabt haben. Bürger. So ist es denn wahr? Dumas. Das Revolutions-Tribunal wird unsere Ehe- scheidung aussprechen; die Guillotine wird uns von Tisch und Bett trennen. Bürger. Du bist ein Ungeheuer. Dumas. Schwachkopf! du bewunderst Brutus. Bürger. Von ganzer Seele. Dumas. Muß man denn gerade römischer Consul sein und sein Haupt mit der Toga verhüllen können, um sein Liebstes dem Vaterlande zu opfern? Ich werde mir die Augen mit dem Aermel meines rothen Fracks abwischen; das ist der ganze Unterschied.
ſehen; ſag' ihm, ich könne ihn nicht ſo ſehen. (Sie gibt ihm eine Locke.) Da, bring' ihm das — und ſag' ihm, er würde nicht allein gehn. Er verſteht mich ſchon, und dann ſchnell zurück, ich will ſeine Blicke aus deinen Augen leſen. Eine Straße. Dumas. Ein Bürger. Bürger. Wie kann man nach einem ſolchen Verhör ſo viel Unſchuldige zum Tode verurtheilen? Dumas. Das iſt in der That außerordentlich, aber die Revolutionsmänner haben einen Sinn, der anderen Menſchen fehlt, und dieſer Sinn trügt ſie nie. Bürger. Das iſt der Sinn des Tigers. — Du haſt ein Weib. Dumas. Ich werde bald eins gehabt haben. Bürger. So iſt es denn wahr? Dumas. Das Revolutions-Tribunal wird unſere Ehe- ſcheidung ausſprechen; die Guillotine wird uns von Tiſch und Bett trennen. Bürger. Du biſt ein Ungeheuer. Dumas. Schwachkopf! du bewunderſt Brutus. Bürger. Von ganzer Seele. Dumas. Muß man denn gerade römiſcher Conſul ſein und ſein Haupt mit der Toga verhüllen können, um ſein Liebſtes dem Vaterlande zu opfern? Ich werde mir die Augen mit dem Aermel meines rothen Fracks abwiſchen; das iſt der ganze Unterſchied. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#JUL"> <p><pb facs="#f0278" n="82"/> ſehen; ſag' ihm, ich könne ihn nicht <hi rendition="#g">ſo</hi> ſehen. <stage>(Sie gibt ihm<lb/> eine Locke.)</stage> Da, bring' ihm das — und ſag' ihm, er würde<lb/> nicht allein gehn. Er verſteht mich ſchon, und dann ſchnell<lb/> zurück, ich will ſeine Blicke aus deinen Augen leſen.</p> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div type="scene" n="4"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Eine Straße</hi>.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Dumas.</hi></hi> Ein <hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Bürger.</hi></hi></hi> </stage><lb/> <sp who="#BUERG"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Bürger.</hi> </hi> </speaker> <p>Wie kann man nach einem ſolchen Verhör ſo<lb/> viel Unſchuldige zum Tode verurtheilen?</p> </sp><lb/> <sp who="#DUM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Dumas.</hi> </hi> </speaker> <p>Das iſt in der That außerordentlich, aber die<lb/> Revolutionsmänner haben einen Sinn, der anderen Menſchen<lb/> fehlt, und dieſer Sinn trügt ſie nie.</p> </sp><lb/> <sp who="#BUERG"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Bürger.</hi> </hi> </speaker> <p>Das iſt der Sinn des Tigers. — Du haſt<lb/> ein Weib.</p> </sp><lb/> <sp who="#DUM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Dumas.</hi> </hi> </speaker> <p>Ich werde bald eins gehabt haben.</p> </sp><lb/> <sp who="#BUERG"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Bürger.</hi> </hi> </speaker> <p>So iſt es denn wahr?</p> </sp><lb/> <sp who="#DUM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Dumas.</hi> </hi> </speaker> <p>Das Revolutions-Tribunal wird unſere Ehe-<lb/> ſcheidung ausſprechen; die Guillotine wird uns von Tiſch und<lb/> Bett trennen.</p> </sp><lb/> <sp who="#BUERG"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Bürger.</hi> </hi> </speaker> <p>Du biſt ein Ungeheuer.</p> </sp><lb/> <sp who="#DUM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Dumas.</hi> </hi> </speaker> <p>Schwachkopf! du bewunderſt Brutus.</p> </sp><lb/> <sp who="#BUERG"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Bürger.</hi> </hi> </speaker> <p>Von ganzer Seele.</p> </sp><lb/> <sp who="#DUM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Dumas.</hi> </hi> </speaker> <p>Muß man denn gerade römiſcher Conſul ſein<lb/> und ſein Haupt mit der Toga verhüllen können, um ſein<lb/> Liebſtes dem Vaterlande zu opfern? Ich werde mir die Augen<lb/> mit dem Aermel meines rothen Fracks abwiſchen; das iſt<lb/> der ganze Unterſchied.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0278]
ſehen; ſag' ihm, ich könne ihn nicht ſo ſehen. (Sie gibt ihm
eine Locke.) Da, bring' ihm das — und ſag' ihm, er würde
nicht allein gehn. Er verſteht mich ſchon, und dann ſchnell
zurück, ich will ſeine Blicke aus deinen Augen leſen.
Eine Straße.
Dumas. Ein Bürger.
Bürger. Wie kann man nach einem ſolchen Verhör ſo
viel Unſchuldige zum Tode verurtheilen?
Dumas. Das iſt in der That außerordentlich, aber die
Revolutionsmänner haben einen Sinn, der anderen Menſchen
fehlt, und dieſer Sinn trügt ſie nie.
Bürger. Das iſt der Sinn des Tigers. — Du haſt
ein Weib.
Dumas. Ich werde bald eins gehabt haben.
Bürger. So iſt es denn wahr?
Dumas. Das Revolutions-Tribunal wird unſere Ehe-
ſcheidung ausſprechen; die Guillotine wird uns von Tiſch und
Bett trennen.
Bürger. Du biſt ein Ungeheuer.
Dumas. Schwachkopf! du bewunderſt Brutus.
Bürger. Von ganzer Seele.
Dumas. Muß man denn gerade römiſcher Conſul ſein
und ſein Haupt mit der Toga verhüllen können, um ſein
Liebſtes dem Vaterlande zu opfern? Ich werde mir die Augen
mit dem Aermel meines rothen Fracks abwiſchen; das iſt
der ganze Unterſchied.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |