Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
ist was von Narrheit in dem Gedanken. -- Was sehen wir nur immer nach dem Einen? Wahrlich, des Menschen Sohn wird in uns Allen gekreuzigt, wir ringen Alle im Gethsemane- Garten im blutigen Schweiß, aber es erlöst Keiner den Andern mit seinen Wunden. Mein Camille! -- Sie gehen Alle von mir -- es ist Alles wüst und leer -- ich bin allein. Zweiter Act. Ein Zimmer. Danton, Lacroix, Philippeau, Paris, Camille Desmoulins. Camille. Rasch, Danton, wir haben keine Zeit zu ver- lieren. Danton (kleidet sich um). Aber die Zeit verliert uns. -- Das ist sehr langweilig, immer das Hemd zuerst und dann die Hosen darüber zu ziehen, und des Abends ins Bett und Morgens wieder heraus zu kriechen, und einen Fuß immer so vor den andern zu setzen, da ist gar kein Absehen, wie es anders werden soll. Das ist sehr traurig, und daß Millionen es schon so gemacht haben, und daß Millionen es wieder so machen werden, und daß wir noch obendrein aus zwei Hälften bestehen, die beide das Nämliche thun, so daß Alles doppelt geschieht, -- das ist sehr traurig. Camille. Du sprichst in einem ganz kindischen Tone. Danton. Sterbende werden oft kindisch.
iſt was von Narrheit in dem Gedanken. — Was ſehen wir nur immer nach dem Einen? Wahrlich, des Menſchen Sohn wird in uns Allen gekreuzigt, wir ringen Alle im Gethſemane- Garten im blutigen Schweiß, aber es erlöſt Keiner den Andern mit ſeinen Wunden. Mein Camille! — Sie gehen Alle von mir — es iſt Alles wüſt und leer — ich bin allein. Zweiter Act. Ein Zimmer. Danton, Lacroix, Philippeau, Paris, Camille Desmoulins. Camille. Raſch, Danton, wir haben keine Zeit zu ver- lieren. Danton (kleidet ſich um). Aber die Zeit verliert uns. — Das iſt ſehr langweilig, immer das Hemd zuerſt und dann die Hoſen darüber zu ziehen, und des Abends ins Bett und Morgens wieder heraus zu kriechen, und einen Fuß immer ſo vor den andern zu ſetzen, da iſt gar kein Abſehen, wie es anders werden ſoll. Das iſt ſehr traurig, und daß Millionen es ſchon ſo gemacht haben, und daß Millionen es wieder ſo machen werden, und daß wir noch obendrein aus zwei Hälften beſtehen, die beide das Nämliche thun, ſo daß Alles doppelt geſchieht, — das iſt ſehr traurig. Camille. Du ſprichſt in einem ganz kindiſchen Tone. Danton. Sterbende werden oft kindiſch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3" type="act"> <div n="4" type="scene"> <sp who="#ROB"> <p><pb n="36" facs="#f0232"/> iſt was von Narrheit in dem Gedanken. — Was ſehen wir<lb/> nur immer nach dem Einen? Wahrlich, des Menſchen Sohn<lb/> wird in uns Allen gekreuzigt, wir ringen Alle im Gethſemane-<lb/> Garten im blutigen Schweiß, aber es erlöſt Keiner den<lb/> Andern mit ſeinen Wunden. Mein Camille! — Sie gehen<lb/> Alle von mir — es iſt Alles wüſt und leer — ich bin allein.</p> </sp> </div> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="3" type="act"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Zweiter Act</hi>.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="4" type="scene"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Ein Zimmer.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton, Lacroix, Philippeau, Paris, Camille Desmoulins.</hi> </hi> </hi> </stage><lb/> <sp who="#CAM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Camille.</hi> </hi> </speaker> <p>Raſch, Danton, wir haben keine Zeit zu ver-<lb/> lieren.</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton</hi> </hi> </speaker> <stage>(kleidet ſich um).</stage> <p>Aber die Zeit verliert uns. —<lb/> Das iſt ſehr langweilig, immer das Hemd zuerſt und dann<lb/> die Hoſen darüber zu ziehen, und des Abends ins Bett und<lb/> Morgens wieder heraus zu kriechen, und einen Fuß immer<lb/> ſo vor den andern zu ſetzen, da iſt gar kein Abſehen, wie<lb/> es anders werden ſoll. Das iſt ſehr traurig, und daß<lb/> Millionen es ſchon ſo gemacht haben, und daß Millionen es<lb/> wieder ſo machen werden, und daß wir noch obendrein aus<lb/> zwei Hälften beſtehen, die beide das Nämliche thun, ſo daß<lb/> Alles doppelt geſchieht, — das iſt ſehr traurig.</p> </sp><lb/> <sp who="#CAM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Camille.</hi> </hi> </speaker> <p>Du ſprichſt in einem ganz kindiſchen Tone.</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Sterbende werden oft kindiſch.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0232]
iſt was von Narrheit in dem Gedanken. — Was ſehen wir
nur immer nach dem Einen? Wahrlich, des Menſchen Sohn
wird in uns Allen gekreuzigt, wir ringen Alle im Gethſemane-
Garten im blutigen Schweiß, aber es erlöſt Keiner den
Andern mit ſeinen Wunden. Mein Camille! — Sie gehen
Alle von mir — es iſt Alles wüſt und leer — ich bin allein.
Zweiter Act.
Ein Zimmer.
Danton, Lacroix, Philippeau, Paris, Camille Desmoulins.
Camille. Raſch, Danton, wir haben keine Zeit zu ver-
lieren.
Danton (kleidet ſich um). Aber die Zeit verliert uns. —
Das iſt ſehr langweilig, immer das Hemd zuerſt und dann
die Hoſen darüber zu ziehen, und des Abends ins Bett und
Morgens wieder heraus zu kriechen, und einen Fuß immer
ſo vor den andern zu ſetzen, da iſt gar kein Abſehen, wie
es anders werden ſoll. Das iſt ſehr traurig, und daß
Millionen es ſchon ſo gemacht haben, und daß Millionen es
wieder ſo machen werden, und daß wir noch obendrein aus
zwei Hälften beſtehen, die beide das Nämliche thun, ſo daß
Alles doppelt geſchieht, — das iſt ſehr traurig.
Camille. Du ſprichſt in einem ganz kindiſchen Tone.
Danton. Sterbende werden oft kindiſch.
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Zitationshilfe: | Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/232>, abgerufen am 03.03.2025. |