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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 103. Die allgemeinen Grundsätze, insbesondere die Beweisrolle.
der Wortbruch an sich noch nicht zum iactivus, sondern nur dann,
wenn ihn der Gegner rechtsförmlich konstatiert hat. Dieses Konsta-
tieren des Wortbruches hiess abiectire 25, iactare 26, iectiscere 27, iectitio 28
und war eine formelle Handlung, die vermutlich darin bestand,
dass der Gegner des Säumigen oder des Beweisfälligen die festuca,
durch welche dieser das Gelöbnis gegeben hatte, öffentlich vorwies und
die Nichterfüllung des Versprechens kundgab, indem er die festuca
von sich warf (daher iactare, iectitio). Über den Akt der iectitio
konnte eine Urkunde aufgenommen 29 werden, auf Grund der iectitio
ein Urteil ergehen.

3. Das Beweisrecht.
§ 103. Die allgemeinen Grundsätze, insbesondere
die Beweisrolle
.

Zur Geschichte des Beweisrechtes sind neben den allgemeinen Darstellungen der
Geschichte des Rechtsganges (Sohm, Prozess der Lex Salica schliesst es aus)
hauptsächlich hervorzuheben: Konrad Maurer, Beweisverfahren nach deutschen
Rechten, Kr. Ü. V 180. 332. Sachsse, Das Beweisverfahren nach deutschem, mit
Berücksichtigung verwandter Rechte des Mittelalters 1855. Zorn, Das Beweis-
verfahren nach langobard. Rechte 1872. Richard Loening, Der Reinigungseid
bei Ungerichtsklagen 1880. Federico Patetta, Le ordalie, Studio di storia
del diritto e scienza del diritto comparato 1890, S. 219 ff.

So weit das Urteil Beweisurteil ist, bestimmt es, wer zu beweisen
habe, was und wie zu beweisen sei, und nennt es wohl auch den Be-
weistermin und den Beweisort, wenn diese nicht als bekannt und fest-
stehend vorausgesetzt werden.


Marculf I 37, Form. Turon. 33, Carta Senon. 10. 26 (placito suo neglexit, den an-
gelobten Termin), Form. Senon. recent. 1, Lindenbrog. 21, Form. Emmer. 3.
Vgl. noch Pertz, Dipl. M. 66, und Mühlbacher Nr. 455. -- Das Wort hat in
abgeleiteter Bedeutung Anwendung auf das Versitzen schuldiger Dienste von Hörigen
und Knechten gefunden. Negligens vel iectivus in Form. Senon. recent. 4, Bignon.
27, Pith. 75, Lindenbrog. 21.
25 Urk. von 648 in NA XIII 157 (H. 23). Pertz, Dipl. M. 60. 66. Marculf
I 37. Form. Tur. 33.
26 Mühlbacher Nr. 455.
27 Ed. Pistense v. J. 864, c. 33, Pertz, LL I 497.
28 Iectitio bedeutet in Ed. Pist. l. c. die Säumnisbusse. Sie kann diese Be-
nennung nur davon erhalten haben, dass das abiectire selbst iectitio genannt wurde,
beträgt 15 Solidi und heisst auch iectus. Sohm a. O. Anm. 96.
29 Carta Senon. 10 bezeichnet sich als notitia de iactivis. Notitia geistcartae
(geitcarta?) heisst die Urkunde bei Perard S. 148, H. 370.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 24

§ 103. Die allgemeinen Grundsätze, insbesondere die Beweisrolle.
der Wortbruch an sich noch nicht zum iactivus, sondern nur dann,
wenn ihn der Gegner rechtsförmlich konstatiert hat. Dieses Konsta-
tieren des Wortbruches hieſs abiectire 25, iactare 26, iectiscere 27, iectitio 28
und war eine formelle Handlung, die vermutlich darin bestand,
daſs der Gegner des Säumigen oder des Beweisfälligen die festuca,
durch welche dieser das Gelöbnis gegeben hatte, öffentlich vorwies und
die Nichterfüllung des Versprechens kundgab, indem er die festuca
von sich warf (daher iactare, iectitio). Über den Akt der iectitio
konnte eine Urkunde aufgenommen 29 werden, auf Grund der iectitio
ein Urteil ergehen.

3. Das Beweisrecht.
§ 103. Die allgemeinen Grundsätze, insbesondere
die Beweisrolle
.

Zur Geschichte des Beweisrechtes sind neben den allgemeinen Darstellungen der
Geschichte des Rechtsganges (Sohm, Prozeſs der Lex Salica schlieſst es aus)
hauptsächlich hervorzuheben: Konrad Maurer, Beweisverfahren nach deutschen
Rechten, Kr. Ü. V 180. 332. Sachſse, Das Beweisverfahren nach deutschem, mit
Berücksichtigung verwandter Rechte des Mittelalters 1855. Zorn, Das Beweis-
verfahren nach langobard. Rechte 1872. Richard Loening, Der Reinigungseid
bei Ungerichtsklagen 1880. Federico Patetta, Le ordalie, Studio di storia
del diritto e scienza del diritto comparato 1890, S. 219 ff.

So weit das Urteil Beweisurteil ist, bestimmt es, wer zu beweisen
habe, was und wie zu beweisen sei, und nennt es wohl auch den Be-
weistermin und den Beweisort, wenn diese nicht als bekannt und fest-
stehend vorausgesetzt werden.


Marculf I 37, Form. Turon. 33, Carta Senon. 10. 26 (placito suo neglexit, den an-
gelobten Termin), Form. Senon. recent. 1, Lindenbrog. 21, Form. Emmer. 3.
Vgl. noch Pertz, Dipl. M. 66, und Mühlbacher Nr. 455. — Das Wort hat in
abgeleiteter Bedeutung Anwendung auf das Versitzen schuldiger Dienste von Hörigen
und Knechten gefunden. Negligens vel iectivus in Form. Senon. recent. 4, Bignon.
27, Pith. 75, Lindenbrog. 21.
25 Urk. von 648 in NA XIII 157 (H. 23). Pertz, Dipl. M. 60. 66. Marculf
I 37. Form. Tur. 33.
26 Mühlbacher Nr. 455.
27 Ed. Pistense v. J. 864, c. 33, Pertz, LL I 497.
28 Iectitio bedeutet in Ed. Pist. l. c. die Säumnisbuſse. Sie kann diese Be-
nennung nur davon erhalten haben, daſs das abiectire selbst iectitio genannt wurde,
beträgt 15 Solidi und heiſst auch iectus. Sohm a. O. Anm. 96.
29 Carta Senon. 10 bezeichnet sich als notitia de iactivis. Notitia geistcartae
(geïtcarta?) heiſst die Urkunde bei Pérard S. 148, H. 370.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 24
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[369/0387] § 103. Die allgemeinen Grundsätze, insbesondere die Beweisrolle. der Wortbruch an sich noch nicht zum iactivus, sondern nur dann, wenn ihn der Gegner rechtsförmlich konstatiert hat. Dieses Konsta- tieren des Wortbruches hieſs abiectire 25, iactare 26, iectiscere 27, iectitio 28 und war eine formelle Handlung, die vermutlich darin bestand, daſs der Gegner des Säumigen oder des Beweisfälligen die festuca, durch welche dieser das Gelöbnis gegeben hatte, öffentlich vorwies und die Nichterfüllung des Versprechens kundgab, indem er die festuca von sich warf (daher iactare, iectitio). Über den Akt der iectitio konnte eine Urkunde aufgenommen 29 werden, auf Grund der iectitio ein Urteil ergehen. 3. Das Beweisrecht. § 103. Die allgemeinen Grundsätze, insbesondere die Beweisrolle. Zur Geschichte des Beweisrechtes sind neben den allgemeinen Darstellungen der Geschichte des Rechtsganges (Sohm, Prozeſs der Lex Salica schlieſst es aus) hauptsächlich hervorzuheben: Konrad Maurer, Beweisverfahren nach deutschen Rechten, Kr. Ü. V 180. 332. Sachſse, Das Beweisverfahren nach deutschem, mit Berücksichtigung verwandter Rechte des Mittelalters 1855. Zorn, Das Beweis- verfahren nach langobard. Rechte 1872. Richard Loening, Der Reinigungseid bei Ungerichtsklagen 1880. Federico Patetta, Le ordalie, Studio di storia del diritto e scienza del diritto comparato 1890, S. 219 ff. So weit das Urteil Beweisurteil ist, bestimmt es, wer zu beweisen habe, was und wie zu beweisen sei, und nennt es wohl auch den Be- weistermin und den Beweisort, wenn diese nicht als bekannt und fest- stehend vorausgesetzt werden. 24 25 Urk. von 648 in NA XIII 157 (H. 23). Pertz, Dipl. M. 60. 66. Marculf I 37. Form. Tur. 33. 26 Mühlbacher Nr. 455. 27 Ed. Pistense v. J. 864, c. 33, Pertz, LL I 497. 28 Iectitio bedeutet in Ed. Pist. l. c. die Säumnisbuſse. Sie kann diese Be- nennung nur davon erhalten haben, daſs das abiectire selbst iectitio genannt wurde, beträgt 15 Solidi und heiſst auch iectus. Sohm a. O. Anm. 96. 29 Carta Senon. 10 bezeichnet sich als notitia de iactivis. Notitia geistcartae (geïtcarta?) heiſst die Urkunde bei Pérard S. 148, H. 370. 24 Marculf I 37, Form. Turon. 33, Carta Senon. 10. 26 (placito suo neglexit, den an- gelobten Termin), Form. Senon. recent. 1, Lindenbrog. 21, Form. Emmer. 3. Vgl. noch Pertz, Dipl. M. 66, und Mühlbacher Nr. 455. — Das Wort hat in abgeleiteter Bedeutung Anwendung auf das Versitzen schuldiger Dienste von Hörigen und Knechten gefunden. Negligens vel iectivus in Form. Senon. recent. 4, Bignon. 27, Pith. 75, Lindenbrog. 21. Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 24

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/387>, abgerufen am 21.11.2024.