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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 85. Die königlichen Missi.
des Richters zu bezeichnen. Gelegentlich heisst ein solcher auch
scario, Scherge 21. In den Gebieten westgotischen Rechtes erhielt sich
unter fränkischer Herrschaft der westgotische sagio 22 oder sajo, ein
Büttel, welcher freier Mann ist, aber in einem Privatdienstverhältnis
zum Richter steht 23.

§ 85. Die königlichen Missi.

Fr. de Roye, De missis dominicis, eorum officio et potestate 1744. Bürde, De
missis dominicis 1853. Dobbert, Über das Wesen und den Geschäftskreis der
missi dominici 1861. v. Daniels, Handbuch I 586. Waitz, VG II 2, S. 115 ff.
III 441 ff. Victor Krause, Geschichte des Institutes der missi dominici 1890,
Abdruck aus den Mitth. d. Inst. für österr. Geschichtsforschung XI 193 ff. Sohm,
R u. GV I 479 ff. Ficker, Forschungen zur R u. RG Italiens II 1 ff. 118 ff.
Schroeder, RG S. 133. Beauchet, Histoire de l'org. jud. S. 293.

In den Wirkungskreis seiner ordentlichen Beamten konnte der
König jederzeit nicht nur persönlich, sondern auch durch Bevoll-
mächtigte eingreifen, welchen er einzelne Geschäfte übertrug, die er
jenen nicht überlassen wollte. Personen, die, mit besonderer Voll-
macht versehen, vom König in Angelegenheiten der inneren oder
äusseren Verwaltung oder in seinen persönlichen Angelegenheiten ver-
wendet werden, heissen missi, in merowingischer Zeit auch legatarii 1.
Missus ist allgemeine Bezeichnung des Bevollmächtigten. Einen mis-
sus kann auch der Herzog 2, der Graf 3, der Centenar 4 haben. Wan-
dernde missi (missi discursores) verwenden auf ihren Besitzungen die
Bischöfe und die Grossen der merowingischen Zeit 5. Um die missi
des Königs von den missi anderer zu unterscheiden, werden sie missi
regis, missi dominici, regales, fiscales 6 genannt. Eine ausreichende
Zahl geeigneter Kräfte, die der König im Fall des Bedürfnisses als
missi bestellen konnte, boten ihm die königliche Gefolgschaft und das

21 Bei den Langobarden. Troya III 289 ff., Nr. 425 v. J. 720, III 482 ff.,
Nr. 467 v. J. 727. Vgl. Monachus Sangall. I 18, MG SS II 738: ad hostiarium
vel scarionem suum. Aistulf 20: (h)ovescario. Graff, Sprachsch. VI 531.
22 Der Sprecher nach v. Amira a. O., dagegen nach Kögel, Z. f. DA XXIII
13 ff. der Diener. Vgl. oben S. 152, Anm. 17.
23 Sohm, R. u. GV S. 536.
1 Marc. I 11. Septem Causae VIII 6, Hessels col. 424. Lex Rib. 65, 3.
2 Lex Alam. 29. Synod. Ashaim. c. 14, LL III 459. Meichelbeck, Hist.
Fris. Nr. 93, v. J. 780--784: coram misso Tassiloni. Lex Fris. 17, 3.
3 Siehe oben S. 182.
4 Siehe oben S. 180.
5 Chlotharii II edict. v. J. 614, c. 19, Cap. I 23.
6 Missi fiscales in der Rubrik zu Lex Rib. 89 B. Vgl. LL V 208.

§ 85. Die königlichen Missi.
des Richters zu bezeichnen. Gelegentlich heiſst ein solcher auch
scario, Scherge 21. In den Gebieten westgotischen Rechtes erhielt sich
unter fränkischer Herrschaft der westgotische sagio 22 oder sajo, ein
Büttel, welcher freier Mann ist, aber in einem Privatdienstverhältnis
zum Richter steht 23.

§ 85. Die königlichen Missi.

Fr. de Roye, De missis dominicis, eorum officio et potestate 1744. Bürde, De
missis dominicis 1853. Dobbert, Über das Wesen und den Geschäftskreis der
missi dominici 1861. v. Daniels, Handbuch I 586. Waitz, VG II 2, S. 115 ff.
III 441 ff. Victor Krause, Geschichte des Institutes der missi dominici 1890,
Abdruck aus den Mitth. d. Inst. für österr. Geschichtsforschung XI 193 ff. Sohm,
R u. GV I 479 ff. Ficker, Forschungen zur R u. RG Italiens II 1 ff. 118 ff.
Schroeder, RG S. 133. Beauchet, Histoire de l’org. jud. S. 293.

In den Wirkungskreis seiner ordentlichen Beamten konnte der
König jederzeit nicht nur persönlich, sondern auch durch Bevoll-
mächtigte eingreifen, welchen er einzelne Geschäfte übertrug, die er
jenen nicht überlassen wollte. Personen, die, mit besonderer Voll-
macht versehen, vom König in Angelegenheiten der inneren oder
äuſseren Verwaltung oder in seinen persönlichen Angelegenheiten ver-
wendet werden, heiſsen missi, in merowingischer Zeit auch legatarii 1.
Missus ist allgemeine Bezeichnung des Bevollmächtigten. Einen mis-
sus kann auch der Herzog 2, der Graf 3, der Centenar 4 haben. Wan-
dernde missi (missi discursores) verwenden auf ihren Besitzungen die
Bischöfe und die Groſsen der merowingischen Zeit 5. Um die missi
des Königs von den missi anderer zu unterscheiden, werden sie missi
regis, missi dominici, regales, fiscales 6 genannt. Eine ausreichende
Zahl geeigneter Kräfte, die der König im Fall des Bedürfnisses als
missi bestellen konnte, boten ihm die königliche Gefolgschaft und das

21 Bei den Langobarden. Troya III 289 ff., Nr. 425 v. J. 720, III 482 ff.,
Nr. 467 v. J. 727. Vgl. Monachus Sangall. I 18, MG SS II 738: ad hostiarium
vel scarionem suum. Aistulf 20: (h)ovescario. Graff, Sprachsch. VI 531.
22 Der Sprecher nach v. Amira a. O., dagegen nach Kögel, Z. f. DA XXIII
13 ff. der Diener. Vgl. oben S. 152, Anm. 17.
23 Sohm, R. u. GV S. 536.
1 Marc. I 11. Septem Causae VIII 6, Hessels col. 424. Lex Rib. 65, 3.
2 Lex Alam. 29. Synod. Ashaim. c. 14, LL III 459. Meichelbeck, Hist.
Fris. Nr. 93, v. J. 780—784: coram misso Tassiloni. Lex Fris. 17, 3.
3 Siehe oben S. 182.
4 Siehe oben S. 180.
5 Chlotharii II edict. v. J. 614, c. 19, Cap. I 23.
6 Missi fiscales in der Rubrik zu Lex Rib. 89 B. Vgl. LL V 208.
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[189/0207] § 85. Die königlichen Missi. des Richters zu bezeichnen. Gelegentlich heiſst ein solcher auch scario, Scherge 21. In den Gebieten westgotischen Rechtes erhielt sich unter fränkischer Herrschaft der westgotische sagio 22 oder sajo, ein Büttel, welcher freier Mann ist, aber in einem Privatdienstverhältnis zum Richter steht 23. § 85. Die königlichen Missi. Fr. de Roye, De missis dominicis, eorum officio et potestate 1744. Bürde, De missis dominicis 1853. Dobbert, Über das Wesen und den Geschäftskreis der missi dominici 1861. v. Daniels, Handbuch I 586. Waitz, VG II 2, S. 115 ff. III 441 ff. Victor Krause, Geschichte des Institutes der missi dominici 1890, Abdruck aus den Mitth. d. Inst. für österr. Geschichtsforschung XI 193 ff. Sohm, R u. GV I 479 ff. Ficker, Forschungen zur R u. RG Italiens II 1 ff. 118 ff. Schroeder, RG S. 133. Beauchet, Histoire de l’org. jud. S. 293. In den Wirkungskreis seiner ordentlichen Beamten konnte der König jederzeit nicht nur persönlich, sondern auch durch Bevoll- mächtigte eingreifen, welchen er einzelne Geschäfte übertrug, die er jenen nicht überlassen wollte. Personen, die, mit besonderer Voll- macht versehen, vom König in Angelegenheiten der inneren oder äuſseren Verwaltung oder in seinen persönlichen Angelegenheiten ver- wendet werden, heiſsen missi, in merowingischer Zeit auch legatarii 1. Missus ist allgemeine Bezeichnung des Bevollmächtigten. Einen mis- sus kann auch der Herzog 2, der Graf 3, der Centenar 4 haben. Wan- dernde missi (missi discursores) verwenden auf ihren Besitzungen die Bischöfe und die Groſsen der merowingischen Zeit 5. Um die missi des Königs von den missi anderer zu unterscheiden, werden sie missi regis, missi dominici, regales, fiscales 6 genannt. Eine ausreichende Zahl geeigneter Kräfte, die der König im Fall des Bedürfnisses als missi bestellen konnte, boten ihm die königliche Gefolgschaft und das 21 Bei den Langobarden. Troya III 289 ff., Nr. 425 v. J. 720, III 482 ff., Nr. 467 v. J. 727. Vgl. Monachus Sangall. I 18, MG SS II 738: ad hostiarium vel scarionem suum. Aistulf 20: (h)ovescario. Graff, Sprachsch. VI 531. 22 Der Sprecher nach v. Amira a. O., dagegen nach Kögel, Z. f. DA XXIII 13 ff. der Diener. Vgl. oben S. 152, Anm. 17. 23 Sohm, R. u. GV S. 536. 1 Marc. I 11. Septem Causae VIII 6, Hessels col. 424. Lex Rib. 65, 3. 2 Lex Alam. 29. Synod. Ashaim. c. 14, LL III 459. Meichelbeck, Hist. Fris. Nr. 93, v. J. 780—784: coram misso Tassiloni. Lex Fris. 17, 3. 3 Siehe oben S. 182. 4 Siehe oben S. 180. 5 Chlotharii II edict. v. J. 614, c. 19, Cap. I 23. 6 Missi fiscales in der Rubrik zu Lex Rib. 89 B. Vgl. LL V 208.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/207>, abgerufen am 21.11.2024.