Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 83. Tribunus und Schultheiss.

Wie der Graf den Vikar oder Centenar zum Unterbeamten hat,
so kann dieser seinerseits wieder Unterbeamte haben, die als ministri,
missi, vicarii des Centenars oder als subvicarii, als vicarii des Vikars
erscheinen39.

§ 83. Tribunus und Schultheiss.

Waitz, VG II 2, S. 4 ff. III 397. 404. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung
I 230 ff. Bethmann-Hollweg, Civilprozess IV 416. Eichhorn in der Z. f.
gesch. RW VIII 314 f. Fustel de Coulanges, Monarchie franque S. 222 f.
Wilhelm Sickel in den Mittheilungen des Instituts für österr. Geschichts-
forschung IV 625. Derselbe in den Götting. gel. Anzeigen 1890, S. 577.

Zu den Beamtennamen des fränkischen Reiches, welche auf rö-
mische Militärämter zurückführen, zählt auch der Name des Tribunus1.
Tribunus hiess nach der spätrömischen Militärverfassung der Offizier,
welcher die als numerus bezeichnete Truppenabteilung führte2. Ein-
zelnen Beamten wurde die Würde des Tribuns als Rangtitel ver-
liehen3. Im fränkischen Reiche scheint die Stellung der Beamten,
an welchen der Name des Tribuns haften blieb, eine örtlich ver-
schiedenartige gewesen zu sein. In rein militärischer Bedeutung findet
sich der Tribun noch in Quellen der karolingischen Zeit4. Aus der
engen Verwandtschaft der militärischen und polizeilichen Funktionen
mag es sich erklären, dass uns in merowingischen Heiligenleben ein
Polizeioffizier begegnet, welcher den Titel Tribunus hat5. Er überwacht
die Gefängnisse, leitet die Vollstreckung der Todesstrafe, führt eine
bewaffnete Mannschaft6, welche militärisch organisiert ist, und heisst

39 Sohm a. O. S. 271.
1 Wie prior (siehe oben S. 156, Anm. 15), prepositus (siehe oben S. 177) und
mit den oben gemachten Einschränkungen auch dux und comes (siehe oben
S. 155. 163).
2 Mommsen, Das römische Militärwesen seit Diocletian S. 215. 254. 268.
3 So gab es tribuni et notarii des Kaisers und des praefectus praetorio.
Ein tribunatus provinciarum bei Cassiodor, Var. VII 30, nach Mommsen a. O.
S. 496 ein titularer Tribunat.
4 Alcuin ep. 14: regis duces et tribuni. Monachus Sangallensis II 21, MG SS II
762: constitutis ducibus, tribunis et centurionibus eorumque vicariis. Walahfrid
Strabo, De exordiis, Walter, C. J. G. III 527: sicut tribuni militibus praeerant.
5 Vita S. Radegundis I, c. 38. Fortunat, Vita Germani c. 61. 66, Auct.
antiquiss. IV 2, S. 24 f. Jonas, Vita Columbani c. 34. Vita Dalmatii, Bouquet
III 420. Arbeos Vita Corbiniani, in der ursprünglichen Fassung herausgegeben
von Riezler 1888, c. 7.
6 Arbeo, Vita Corbiniani c. 7: cum quo tribunus et centenarii, quibus haec
§ 83. Tribunus und Schultheiſs.

Wie der Graf den Vikar oder Centenar zum Unterbeamten hat,
so kann dieser seinerseits wieder Unterbeamte haben, die als ministri,
missi, vicarii des Centenars oder als subvicarii, als vicarii des Vikars
erscheinen39.

§ 83. Tribunus und Schultheiſs.

Waitz, VG II 2, S. 4 ff. III 397. 404. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung
I 230 ff. Bethmann-Hollweg, Civilprozeſs IV 416. Eichhorn in der Z. f.
gesch. RW VIII 314 f. Fustel de Coulanges, Monarchie franque S. 222 f.
Wilhelm Sickel in den Mittheilungen des Instituts für österr. Geschichts-
forschung IV 625. Derselbe in den Götting. gel. Anzeigen 1890, S. 577.

Zu den Beamtennamen des fränkischen Reiches, welche auf rö-
mische Militärämter zurückführen, zählt auch der Name des Tribunus1.
Tribunus hieſs nach der spätrömischen Militärverfassung der Offizier,
welcher die als numerus bezeichnete Truppenabteilung führte2. Ein-
zelnen Beamten wurde die Würde des Tribuns als Rangtitel ver-
liehen3. Im fränkischen Reiche scheint die Stellung der Beamten,
an welchen der Name des Tribuns haften blieb, eine örtlich ver-
schiedenartige gewesen zu sein. In rein militärischer Bedeutung findet
sich der Tribun noch in Quellen der karolingischen Zeit4. Aus der
engen Verwandtschaft der militärischen und polizeilichen Funktionen
mag es sich erklären, daſs uns in merowingischen Heiligenleben ein
Polizeioffizier begegnet, welcher den Titel Tribunus hat5. Er überwacht
die Gefängnisse, leitet die Vollstreckung der Todesstrafe, führt eine
bewaffnete Mannschaft6, welche militärisch organisiert ist, und heiſst

39 Sohm a. O. S. 271.
1 Wie prior (siehe oben S. 156, Anm. 15), prepositus (siehe oben S. 177) und
mit den oben gemachten Einschränkungen auch dux und comes (siehe oben
S. 155. 163).
2 Mommsen, Das römische Militärwesen seit Diocletian S. 215. 254. 268.
3 So gab es tribuni et notarii des Kaisers und des praefectus praetorio.
Ein tribunatus provinciarum bei Cassiodor, Var. VII 30, nach Mommsen a. O.
S. 496 ein titularer Tribunat.
4 Alcuin ep. 14: regis duces et tribuni. Monachus Sangallensis II 21, MG SS II
762: constitutis ducibus, tribunis et centurionibus eorumque vicariis. Walahfrid
Strabo, De exordiis, Walter, C. J. G. III 527: sicut tribuni militibus praeerant.
5 Vita S. Radegundis I, c. 38. Fortunat, Vita Germani c. 61. 66, Auct.
antiquiss. IV 2, S. 24 f. Jonas, Vita Columbani c. 34. Vita Dalmatii, Bouquet
III 420. Arbeos Vita Corbiniani, in der ursprünglichen Fassung herausgegeben
von Riezler 1888, c. 7.
6 Arbeo, Vita Corbiniani c. 7: cum quo tribunus et centenarii, quibus haec
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0198" n="180"/>
            <fw place="top" type="header">§ 83. Tribunus und Schulthei&#x017F;s.</fw><lb/>
            <p>Wie der Graf den Vikar oder Centenar zum Unterbeamten hat,<lb/>
so kann dieser seinerseits wieder Unterbeamte haben, die als ministri,<lb/>
missi, vicarii des Centenars oder als subvicarii, als vicarii des Vikars<lb/>
erscheinen<note place="foot" n="39"><hi rendition="#g">Sohm</hi> a. O. S. 271.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§ 83. <hi rendition="#g">Tribunus und Schulthei&#x017F;s</hi>.</head><lb/>
            <p>
              <bibl><hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG II 2, S. 4 ff. III 397. 404. <hi rendition="#g">Sohm</hi>, Reichs- und Gerichtsverfassung<lb/>
I 230 ff. <hi rendition="#g">Bethmann-Hollweg</hi>, Civilproze&#x017F;s IV 416. <hi rendition="#g">Eichhorn</hi> in der Z. f.<lb/>
gesch. RW VIII 314 f. <hi rendition="#g">Fustel de Coulanges</hi>, Monarchie franque S. 222 f.<lb/><hi rendition="#g">Wilhelm Sickel</hi> in den Mittheilungen des Instituts für österr. Geschichts-<lb/><hi rendition="#c">forschung IV 625. <hi rendition="#g">Derselbe</hi> in den Götting. gel. Anzeigen 1890, S. 577.</hi></bibl>
            </p><lb/>
            <p>Zu den Beamtennamen des fränkischen Reiches, welche auf rö-<lb/>
mische Militärämter zurückführen, zählt auch der Name des Tribunus<note place="foot" n="1">Wie prior (siehe oben S. 156, Anm. 15), prepositus (siehe oben S. 177) und<lb/>
mit den oben gemachten Einschränkungen auch dux und comes (siehe oben<lb/>
S. 155. 163).</note>.<lb/>
Tribunus hie&#x017F;s nach der spätrömischen Militärverfassung der Offizier,<lb/>
welcher die als numerus bezeichnete Truppenabteilung führte<note place="foot" n="2"><hi rendition="#g">Mommsen</hi>, Das römische Militärwesen seit Diocletian S. 215. 254. 268.</note>. Ein-<lb/>
zelnen Beamten wurde die Würde des Tribuns als Rangtitel ver-<lb/>
liehen<note place="foot" n="3">So gab es tribuni et notarii des Kaisers und des praefectus praetorio.<lb/>
Ein tribunatus provinciarum bei Cassiodor, Var. VII 30, nach <hi rendition="#g">Mommsen</hi> a. O.<lb/>
S. 496 ein titularer Tribunat.</note>. Im fränkischen Reiche scheint die Stellung der Beamten,<lb/>
an welchen der Name des Tribuns haften blieb, eine örtlich ver-<lb/>
schiedenartige gewesen zu sein. In rein militärischer Bedeutung findet<lb/>
sich der Tribun noch in Quellen der karolingischen Zeit<note place="foot" n="4">Alcuin ep. 14: regis duces et tribuni. Monachus Sangallensis II 21, MG SS II<lb/>
762: constitutis ducibus, tribunis et centurionibus eorumque vicariis. Walahfrid<lb/>
Strabo, De exordiis, Walter, C. J. G. III 527: sicut tribuni militibus praeerant.</note>. Aus der<lb/>
engen Verwandtschaft der militärischen und polizeilichen Funktionen<lb/>
mag es sich erklären, da&#x017F;s uns in merowingischen Heiligenleben ein<lb/>
Polizeioffizier begegnet, welcher den Titel Tribunus hat<note place="foot" n="5">Vita S. Radegundis I, c. 38. Fortunat, Vita Germani c. 61. 66, Auct.<lb/>
antiquiss. IV 2, S. 24 f. Jonas, Vita Columbani c. 34. Vita Dalmatii, Bouquet<lb/>
III 420. Arbeos Vita Corbiniani, in der ursprünglichen Fassung herausgegeben<lb/>
von Riezler 1888, c. 7.</note>. Er überwacht<lb/>
die Gefängnisse, leitet die Vollstreckung der Todesstrafe, führt eine<lb/>
bewaffnete Mannschaft<note xml:id="seg2pn_43_1" next="#seg2pn_43_2" place="foot" n="6">Arbeo, Vita Corbiniani c. 7: cum quo tribunus et centenarii, quibus haec</note>, welche militärisch organisiert ist, und hei&#x017F;st<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0198] § 83. Tribunus und Schultheiſs. Wie der Graf den Vikar oder Centenar zum Unterbeamten hat, so kann dieser seinerseits wieder Unterbeamte haben, die als ministri, missi, vicarii des Centenars oder als subvicarii, als vicarii des Vikars erscheinen 39. § 83. Tribunus und Schultheiſs. Waitz, VG II 2, S. 4 ff. III 397. 404. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 230 ff. Bethmann-Hollweg, Civilprozeſs IV 416. Eichhorn in der Z. f. gesch. RW VIII 314 f. Fustel de Coulanges, Monarchie franque S. 222 f. Wilhelm Sickel in den Mittheilungen des Instituts für österr. Geschichts- forschung IV 625. Derselbe in den Götting. gel. Anzeigen 1890, S. 577. Zu den Beamtennamen des fränkischen Reiches, welche auf rö- mische Militärämter zurückführen, zählt auch der Name des Tribunus 1. Tribunus hieſs nach der spätrömischen Militärverfassung der Offizier, welcher die als numerus bezeichnete Truppenabteilung führte 2. Ein- zelnen Beamten wurde die Würde des Tribuns als Rangtitel ver- liehen 3. Im fränkischen Reiche scheint die Stellung der Beamten, an welchen der Name des Tribuns haften blieb, eine örtlich ver- schiedenartige gewesen zu sein. In rein militärischer Bedeutung findet sich der Tribun noch in Quellen der karolingischen Zeit 4. Aus der engen Verwandtschaft der militärischen und polizeilichen Funktionen mag es sich erklären, daſs uns in merowingischen Heiligenleben ein Polizeioffizier begegnet, welcher den Titel Tribunus hat 5. Er überwacht die Gefängnisse, leitet die Vollstreckung der Todesstrafe, führt eine bewaffnete Mannschaft 6, welche militärisch organisiert ist, und heiſst 39 Sohm a. O. S. 271. 1 Wie prior (siehe oben S. 156, Anm. 15), prepositus (siehe oben S. 177) und mit den oben gemachten Einschränkungen auch dux und comes (siehe oben S. 155. 163). 2 Mommsen, Das römische Militärwesen seit Diocletian S. 215. 254. 268. 3 So gab es tribuni et notarii des Kaisers und des praefectus praetorio. Ein tribunatus provinciarum bei Cassiodor, Var. VII 30, nach Mommsen a. O. S. 496 ein titularer Tribunat. 4 Alcuin ep. 14: regis duces et tribuni. Monachus Sangallensis II 21, MG SS II 762: constitutis ducibus, tribunis et centurionibus eorumque vicariis. Walahfrid Strabo, De exordiis, Walter, C. J. G. III 527: sicut tribuni militibus praeerant. 5 Vita S. Radegundis I, c. 38. Fortunat, Vita Germani c. 61. 66, Auct. antiquiss. IV 2, S. 24 f. Jonas, Vita Columbani c. 34. Vita Dalmatii, Bouquet III 420. Arbeos Vita Corbiniani, in der ursprünglichen Fassung herausgegeben von Riezler 1888, c. 7. 6 Arbeo, Vita Corbiniani c. 7: cum quo tribunus et centenarii, quibus haec

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/198
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/198>, abgerufen am 21.12.2024.