Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 9. Die Reichsgründungen altersher an der Nordseeküste vernommen wird, hat zum mindesteninsofern neue Bedeutung, als die römische Herrschaft aufgehört hat, römische und freie Friesen zu trennen. Bei der Mehrzahl der Stämme scheint das Bedürfnis gemeinsamen Auftretens nach aussen hin den Anstoss zu einer Vereinigung der bis dahin politisch ge- trennten Völkerschaften gegeben zu haben. So bei den Alamannen, bei welchen schon der Name auf ein einstiges Bundesverhältnis hin- deutet. So vermutlich auch bei den Franken. Das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, wie es ein grösseres gemeinschaftliches Unter- nehmen oder ein auf die Dauer berechnetes Bündnis erzeugte oder im Anschluss an die vorhandene Gemeinsamkeit der Abstammung, des Kultus und der Lebensführung erhöhte, verfehlte nicht seine Wirk- samkeit auf die Dauer zu bewähren, auch wenn einzelne Glieder der Gruppe eine Zeit lang wiederum selbständig vorgingen oder sich gegenseitig befehdeten. Wo die Stammesbildung an alte ethno- graphische Gliederung sich anlehnte, kann die grundlegende politische Verbindung schwach und lose, wo sie darüber hinausgriff, muss sie straffer gewesen sein. Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung hat sich bei allen deutschen Stämmen das einigende Band zur staats- rechtlichen Einheit verdichtet. § 9. Die Reichsgründungen der arianischen Germanen. v. Bethmann-Hollweg, Der germ.-rom. Civilprozess im Mittelalter I, 1868. Die ostgermanischen Völkerschaften der gotisch-vandalischen § 9. Die Reichsgründungen altersher an der Nordseeküste vernommen wird, hat zum mindesteninsofern neue Bedeutung, als die römische Herrschaft aufgehört hat, römische und freie Friesen zu trennen. Bei der Mehrzahl der Stämme scheint das Bedürfnis gemeinsamen Auftretens nach auſsen hin den Anstoſs zu einer Vereinigung der bis dahin politisch ge- trennten Völkerschaften gegeben zu haben. So bei den Alamannen, bei welchen schon der Name auf ein einstiges Bundesverhältnis hin- deutet. So vermutlich auch bei den Franken. Das Bewuſstsein der Zusammengehörigkeit, wie es ein gröſseres gemeinschaftliches Unter- nehmen oder ein auf die Dauer berechnetes Bündnis erzeugte oder im Anschluſs an die vorhandene Gemeinsamkeit der Abstammung, des Kultus und der Lebensführung erhöhte, verfehlte nicht seine Wirk- samkeit auf die Dauer zu bewähren, auch wenn einzelne Glieder der Gruppe eine Zeit lang wiederum selbständig vorgingen oder sich gegenseitig befehdeten. Wo die Stammesbildung an alte ethno- graphische Gliederung sich anlehnte, kann die grundlegende politische Verbindung schwach und lose, wo sie darüber hinausgriff, muſs sie straffer gewesen sein. Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung hat sich bei allen deutschen Stämmen das einigende Band zur staats- rechtlichen Einheit verdichtet. § 9. Die Reichsgründungen der arianischen Germanen. v. Bethmann-Hollweg, Der germ.-rom. Civilprozeſs im Mittelalter I, 1868. Die ostgermanischen Völkerschaften der gotisch-vandalischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="48"/><fw place="top" type="header">§ 9. Die Reichsgründungen</fw><lb/> altersher an der Nordseeküste vernommen wird, hat zum mindesten<lb/> insofern neue Bedeutung, als die römische Herrschaft aufgehört hat,<lb/> römische und freie Friesen zu trennen. 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§ 9. Die Reichsgründungen
altersher an der Nordseeküste vernommen wird, hat zum mindesten
insofern neue Bedeutung, als die römische Herrschaft aufgehört hat,
römische und freie Friesen zu trennen. Bei der Mehrzahl der
Stämme scheint das Bedürfnis gemeinsamen Auftretens nach auſsen
hin den Anstoſs zu einer Vereinigung der bis dahin politisch ge-
trennten Völkerschaften gegeben zu haben. So bei den Alamannen,
bei welchen schon der Name auf ein einstiges Bundesverhältnis hin-
deutet. So vermutlich auch bei den Franken. Das Bewuſstsein der
Zusammengehörigkeit, wie es ein gröſseres gemeinschaftliches Unter-
nehmen oder ein auf die Dauer berechnetes Bündnis erzeugte oder
im Anschluſs an die vorhandene Gemeinsamkeit der Abstammung, des
Kultus und der Lebensführung erhöhte, verfehlte nicht seine Wirk-
samkeit auf die Dauer zu bewähren, auch wenn einzelne Glieder der
Gruppe eine Zeit lang wiederum selbständig vorgingen oder sich
gegenseitig befehdeten. Wo die Stammesbildung an alte ethno-
graphische Gliederung sich anlehnte, kann die grundlegende politische
Verbindung schwach und lose, wo sie darüber hinausgriff, muſs sie
straffer gewesen sein. Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung hat
sich bei allen deutschen Stämmen das einigende Band zur staats-
rechtlichen Einheit verdichtet.
§ 9. Die Reichsgründungen der arianischen Germanen.
v. Bethmann-Hollweg, Der germ.-rom. Civilprozeſs im Mittelalter I, 1868.
Gaupp, Die germ. Ansiedlungen und Landtheilungen in den Provinzen des röm.
Westreichs, 1844. v. Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung, 2. Aufl.
besorgt von Dahn 1881. Dahn, Die Könige der Germanen I—VI, 1861—71, VI,
2. Aufl. 1885; derselbe, Urgesch. der germ. und rom. Völker I, 1881. Mannert,
Geschichte der Vandalen, 1785. Papencordt, Gesch. der vandal. Herrschaft in
Afrika, 1837. Binding, Das burgundisch-romanische Königreich, 1868. Jahn,
Die Geschichte der Burgundionen u. Burgundiens, 2 Bde 1874. Manso, Gesch.
des ostgothischen Reichs, 1824. Köpke, Die Anfänge des Königthums bei den
Gothen, 1859. Flegler, Das Königr. d. Langobarden in Italien, 1851. Bluhme,
Die gens Langobardorum, 1. Heft: die Herkunft der gens Langob., 1868.
Die ostgermanischen Völkerschaften der gotisch-vandalischen
Gruppe haben sämtlich ihre ursprünglichen Wohnsitze im östlichen
Deutschland verlassen, um im Süden eine neue Heimat zu gewinnen.
Viele von ihnen, so die Gepiden, Heruler, Rugier, Skiren sind nach
wechselvollen Kämpfen in dem Wellenschlage der Völkerwanderung
spurlos verschwunden. Andere, die Vandalen, die Burgunder, die
Westgoten und Ostgoten haben auf dem Boden des römischen West-
reichs die ersten germanisch-romanischen Staaten gegründet, über
welche die deutsche Rechtsgeschichte nicht völlig hinwegsehen darf.
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