Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite
II. § 25. Die wirtschaftlichen Zustände um die Zeit der
Reichsgründung.

S. die Litteratur zu § 10 und Waitz, Über die altdeutsche Hufe, Abhandl. der
Göttinger Gesellsch. der Wissensch. VI 179 ff., 1854; derselbe, Verfassungsgesch.
II 1 S 277 ff. Paul Roth, Gesch. des Beneficialwesens, 1850. Gierke, Erbrecht
und Vicinenrecht im Edikt Chilperichs, Z f. RG XII 430. Rich. Schröder, Die
Ausbreitung der salischen Franken, zugleich ein Beitrag zur Gesch. der deutschen
Feldgemeinschaft, Forschungen XIX 144; derselbe, Die Franken und ihr Recht,
Z2 f. RG II 49 ff. F. Roth, Über den bürgerlichen Zustand Galliens vor der Zeit
der fränkischen Eroberung, 1827. Dahn, Gesellschaft und Staat in den german.
Reichen der Völkerwanderung, Hist. Taschenbuch, 5. Folge III 207. Perreciot,
De l'etat civil des personnes et de la condition des terres dans les Gaules, 1845.
F. Schupfer, Degli ordini sociali e del possesso fondiario appo i Langobardi, 1861.
M. Thevenin, Les Communia, in den Melanges Renier, Paris 1886, S 121 ff.

Die Eroberung Galliens führte die Franken in eine Welt scharfer
wirtschaftlicher Gegensätze. Eine Einwirkung der gallischen Zustände
auf das Wirtschaftsleben der deutschen Stämme konnte auf die Dauer
nicht ausbleiben, machte sich aber nur langsam und allmählich fühlbar,
selbst bei den Salfranken, die ihr zunächst ausgesetzt waren.

In den Gebieten, welche die Salier besiedelten, herrschten
schon in spätrömischer Zeit wirtschaftliche Verhältnisse, welche
von den germanischen minder weit abstanden, als die des
übrigen Galliens. Anders wie die ostgermanischen Stämme ver-
schmähten es die Franken, sich mit den Provinzialen auf eine
systematische Landteilung einzulassen. In der Zeit vor Chlodovech,
also in den Strichen bis zur Somme nahmen sie des Landes so viel
als sie brauchten. Die hier ansässige römische Bevölkerung wurde
durch die Ereignisse, unter welchen die Eroberung vor sich ging, arg
gelichtet, wie das Zurückdrängen des Christentums aus diesen Gegen-
den ersehen lässt, welche vom sechsten bis ins achte Jahrhundert als
ein ergiebiges Feld der Heidenbekehrung erscheinen 1. In den Ge-
bieten, die Chlodovech und dessen Nachfolger eroberten, wurde
der Grundbesitz der Provinzialen nicht angetastet. Dem Bedürfnis
der Salier nach neuen Wohnsitzen war schon durch die Erwerbungen
bis zur Somme reichlich Genüge geschehen, da nach Ausweis der
späteren Sprachgrenzen ihre kompakten Ansiedelungen nicht ganz bis
zu dieser Flusslinie vordrangen 2.

Nach wie vor bewegt sich das Wirtschaftsleben der deutschen
Stämme ausschliesslich oder doch fast ausschliesslich auf dem Boden

1 Roth, BW S 65 f.
2 Waitz, VG II 1 S 30. Schröder, Franken S 50 f.
II. § 25. Die wirtschaftlichen Zustände um die Zeit der
Reichsgründung.

S. die Litteratur zu § 10 und Waitz, Über die altdeutsche Hufe, Abhandl. der
Göttinger Gesellsch. der Wissensch. VI 179 ff., 1854; derselbe, Verfassungsgesch.
II 1 S 277 ff. Paul Roth, Gesch. des Beneficialwesens, 1850. Gierke, Erbrecht
und Vicinenrecht im Edikt Chilperichs, Z f. RG XII 430. Rich. Schröder, Die
Ausbreitung der salischen Franken, zugleich ein Beitrag zur Gesch. der deutschen
Feldgemeinschaft, Forschungen XIX 144; derselbe, Die Franken und ihr Recht,
Z2 f. RG II 49 ff. F. Roth, Über den bürgerlichen Zustand Galliens vor der Zeit
der fränkischen Eroberung, 1827. Dahn, Gesellschaft und Staat in den german.
Reichen der Völkerwanderung, Hist. Taschenbuch, 5. Folge III 207. Perréciot,
De l’état civil des personnes et de la condition des terres dans les Gaules, 1845.
F. Schupfer, Degli ordini sociali e del possesso fondiario appo i Langobardi, 1861.
M. Thévenin, Les Communia, in den Mélanges Renier, Paris 1886, S 121 ff.

Die Eroberung Galliens führte die Franken in eine Welt scharfer
wirtschaftlicher Gegensätze. Eine Einwirkung der gallischen Zustände
auf das Wirtschaftsleben der deutschen Stämme konnte auf die Dauer
nicht ausbleiben, machte sich aber nur langsam und allmählich fühlbar,
selbst bei den Salfranken, die ihr zunächst ausgesetzt waren.

In den Gebieten, welche die Salier besiedelten, herrschten
schon in spätrömischer Zeit wirtschaftliche Verhältnisse, welche
von den germanischen minder weit abstanden, als die des
übrigen Galliens. Anders wie die ostgermanischen Stämme ver-
schmähten es die Franken, sich mit den Provinzialen auf eine
systematische Landteilung einzulassen. In der Zeit vor Chlodovech,
also in den Strichen bis zur Somme nahmen sie des Landes so viel
als sie brauchten. Die hier ansässige römische Bevölkerung wurde
durch die Ereignisse, unter welchen die Eroberung vor sich ging, arg
gelichtet, wie das Zurückdrängen des Christentums aus diesen Gegen-
den ersehen läſst, welche vom sechsten bis ins achte Jahrhundert als
ein ergiebiges Feld der Heidenbekehrung erscheinen 1. In den Ge-
bieten, die Chlodovech und dessen Nachfolger eroberten, wurde
der Grundbesitz der Provinzialen nicht angetastet. Dem Bedürfnis
der Salier nach neuen Wohnsitzen war schon durch die Erwerbungen
bis zur Somme reichlich Genüge geschehen, da nach Ausweis der
späteren Sprachgrenzen ihre kompakten Ansiedelungen nicht ganz bis
zu dieser Fluſslinie vordrangen 2.

Nach wie vor bewegt sich das Wirtschaftsleben der deutschen
Stämme ausschlieſslich oder doch fast ausschlieſslich auf dem Boden

1 Roth, BW S 65 f.
2 Waitz, VG II 1 S 30. Schröder, Franken S 50 f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0212" n="194"/>
          <div n="3">
            <head>II. § 25. <hi rendition="#g">Die wirtschaftlichen Zustände um die Zeit der<lb/>
Reichsgründung.</hi></head><lb/>
            <p>
              <bibl>S. die Litteratur zu § 10 und <hi rendition="#g">Waitz</hi>, Über die altdeutsche Hufe, Abhandl. der<lb/>
Göttinger Gesellsch. der Wissensch. VI 179 ff., 1854; <hi rendition="#g">derselbe</hi>, Verfassungsgesch.<lb/>
II 1 S 277 ff. <hi rendition="#g">Paul Roth</hi>, Gesch. des Beneficialwesens, 1850. <hi rendition="#g">Gierke</hi>, Erbrecht<lb/>
und Vicinenrecht im Edikt Chilperichs, Z f. RG XII 430. <hi rendition="#g">Rich. Schröder</hi>, Die<lb/>
Ausbreitung der salischen Franken, zugleich ein Beitrag zur Gesch. der deutschen<lb/>
Feldgemeinschaft, Forschungen XIX 144; <hi rendition="#g">derselbe</hi>, Die Franken und ihr Recht,<lb/>
Z<hi rendition="#sup">2</hi> f. RG II 49 ff. F. <hi rendition="#g">Roth</hi>, Über den bürgerlichen Zustand Galliens vor der Zeit<lb/>
der fränkischen Eroberung, 1827. <hi rendition="#g">Dahn</hi>, Gesellschaft und Staat in den german.<lb/>
Reichen der Völkerwanderung, Hist. Taschenbuch, 5. Folge III 207. <hi rendition="#g">Perréciot</hi>,<lb/>
De l&#x2019;état civil des personnes et de la condition des terres dans les Gaules, 1845.<lb/>
F. <hi rendition="#g">Schupfer</hi>, Degli ordini sociali e del possesso fondiario appo i Langobardi, 1861.<lb/><hi rendition="#c">M. <hi rendition="#g">Thévenin</hi>, Les Communia, in den Mélanges Renier, Paris 1886, S 121 ff.</hi></bibl>
            </p><lb/>
            <p>Die Eroberung Galliens führte die Franken in eine Welt scharfer<lb/>
wirtschaftlicher Gegensätze. Eine Einwirkung der gallischen Zustände<lb/>
auf das Wirtschaftsleben der deutschen Stämme konnte auf die Dauer<lb/>
nicht ausbleiben, machte sich aber nur langsam und allmählich fühlbar,<lb/>
selbst bei den Salfranken, die ihr zunächst ausgesetzt waren.</p><lb/>
            <p>In den Gebieten, welche die Salier besiedelten, herrschten<lb/>
schon in spätrömischer Zeit wirtschaftliche Verhältnisse, welche<lb/>
von den germanischen minder weit abstanden, als die des<lb/>
übrigen Galliens. Anders wie die ostgermanischen Stämme ver-<lb/>
schmähten es die Franken, sich mit den Provinzialen auf eine<lb/>
systematische Landteilung einzulassen. In der Zeit vor Chlodovech,<lb/>
also in den Strichen bis zur Somme nahmen sie des Landes so viel<lb/>
als sie brauchten. Die hier ansässige römische Bevölkerung wurde<lb/>
durch die Ereignisse, unter welchen die Eroberung vor sich ging, arg<lb/>
gelichtet, wie das Zurückdrängen des Christentums aus diesen Gegen-<lb/>
den ersehen lä&#x017F;st, welche vom sechsten bis ins achte Jahrhundert als<lb/>
ein ergiebiges Feld der Heidenbekehrung erscheinen <note place="foot" n="1"><hi rendition="#g">Roth</hi>, BW S 65 f.</note>. In den Ge-<lb/>
bieten, die Chlodovech und dessen Nachfolger eroberten, wurde<lb/>
der Grundbesitz der Provinzialen nicht angetastet. Dem Bedürfnis<lb/>
der Salier nach neuen Wohnsitzen war schon durch die Erwerbungen<lb/>
bis zur Somme reichlich Genüge geschehen, da nach Ausweis der<lb/>
späteren Sprachgrenzen ihre kompakten Ansiedelungen nicht ganz bis<lb/>
zu dieser Flu&#x017F;slinie vordrangen <note place="foot" n="2"><hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG II 1 S 30. <hi rendition="#g">Schröder</hi>, Franken S 50 f.</note>.</p><lb/>
            <p>Nach wie vor bewegt sich das Wirtschaftsleben der deutschen<lb/>
Stämme ausschlie&#x017F;slich oder doch fast ausschlie&#x017F;slich auf dem Boden<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0212] II. § 25. Die wirtschaftlichen Zustände um die Zeit der Reichsgründung. S. die Litteratur zu § 10 und Waitz, Über die altdeutsche Hufe, Abhandl. der Göttinger Gesellsch. der Wissensch. VI 179 ff., 1854; derselbe, Verfassungsgesch. II 1 S 277 ff. Paul Roth, Gesch. des Beneficialwesens, 1850. Gierke, Erbrecht und Vicinenrecht im Edikt Chilperichs, Z f. RG XII 430. Rich. Schröder, Die Ausbreitung der salischen Franken, zugleich ein Beitrag zur Gesch. der deutschen Feldgemeinschaft, Forschungen XIX 144; derselbe, Die Franken und ihr Recht, Z2 f. RG II 49 ff. F. Roth, Über den bürgerlichen Zustand Galliens vor der Zeit der fränkischen Eroberung, 1827. Dahn, Gesellschaft und Staat in den german. Reichen der Völkerwanderung, Hist. Taschenbuch, 5. Folge III 207. Perréciot, De l’état civil des personnes et de la condition des terres dans les Gaules, 1845. F. Schupfer, Degli ordini sociali e del possesso fondiario appo i Langobardi, 1861. M. Thévenin, Les Communia, in den Mélanges Renier, Paris 1886, S 121 ff. Die Eroberung Galliens führte die Franken in eine Welt scharfer wirtschaftlicher Gegensätze. Eine Einwirkung der gallischen Zustände auf das Wirtschaftsleben der deutschen Stämme konnte auf die Dauer nicht ausbleiben, machte sich aber nur langsam und allmählich fühlbar, selbst bei den Salfranken, die ihr zunächst ausgesetzt waren. In den Gebieten, welche die Salier besiedelten, herrschten schon in spätrömischer Zeit wirtschaftliche Verhältnisse, welche von den germanischen minder weit abstanden, als die des übrigen Galliens. Anders wie die ostgermanischen Stämme ver- schmähten es die Franken, sich mit den Provinzialen auf eine systematische Landteilung einzulassen. In der Zeit vor Chlodovech, also in den Strichen bis zur Somme nahmen sie des Landes so viel als sie brauchten. Die hier ansässige römische Bevölkerung wurde durch die Ereignisse, unter welchen die Eroberung vor sich ging, arg gelichtet, wie das Zurückdrängen des Christentums aus diesen Gegen- den ersehen läſst, welche vom sechsten bis ins achte Jahrhundert als ein ergiebiges Feld der Heidenbekehrung erscheinen 1. In den Ge- bieten, die Chlodovech und dessen Nachfolger eroberten, wurde der Grundbesitz der Provinzialen nicht angetastet. Dem Bedürfnis der Salier nach neuen Wohnsitzen war schon durch die Erwerbungen bis zur Somme reichlich Genüge geschehen, da nach Ausweis der späteren Sprachgrenzen ihre kompakten Ansiedelungen nicht ganz bis zu dieser Fluſslinie vordrangen 2. Nach wie vor bewegt sich das Wirtschaftsleben der deutschen Stämme ausschlieſslich oder doch fast ausschlieſslich auf dem Boden 1 Roth, BW S 65 f. 2 Waitz, VG II 1 S 30. Schröder, Franken S 50 f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/212
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/212>, abgerufen am 21.11.2024.