Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 22. Friedlosigkeit und Opfertod. eigentlichen Friedensbrüchen als Rechtsbrüche gegenüberstellen 47. DieZahlung der Bussen verbürgte die dem widerspenstigen Schuldner drohende Friedlosigkeit. § 22. Friedlosigkeit und Opfertod. S. die Litteratur zu § 21, insbes. Wilda, Strafr. der Germanen; v. Amira, Das Die Friedlosigkeit schliesst den freien Volksgenossen von der Der Friedlose kann nicht bloss, sondern er soll, weil er Feind 47 Vgl. v. Wächter, Beil. 79; Wilda S 268; K. Maurer, KrÜ III 30. 1 Der Friedlose heisst daher in friesischen Rechtsquellen fath (faidosus) and frethelas. v. Richthofen, RQ S 186, 25. 188, 8. 190, 8. In dem angelsächsischen Gesetze, Edmund II 1 § 3 Feind des Königs und seiner Freunde, gefah wid thone cyning and wid ealle his frynd. 2 v. Amira, Vollstreckungsverfahren S 40. 3 So auf Island. Wilda, Strafrecht S 282 f. Bei den Angels. K. Maurer, KrÜ III 38 Anm 2. 4 Lex Sal. 56: et quicumque eum aut paverit aut hospitalem dederit, etiam
si uxor sua proxima, sol. 15 culp. iudicetur. Lex Sal. 55, 2. Cap. 1 zur Lex Sal. c. 5 (Hessels Tit. 70). Cap. 2 zur Lex Sal. c. 8 (Hessels Tit. 106). Lex Rib. 87. § 22. Friedlosigkeit und Opfertod. eigentlichen Friedensbrüchen als Rechtsbrüche gegenüberstellen 47. DieZahlung der Buſsen verbürgte die dem widerspenstigen Schuldner drohende Friedlosigkeit. § 22. Friedlosigkeit und Opfertod. S. die Litteratur zu § 21, insbes. Wilda, Strafr. der Germanen; v. Amira, Das Die Friedlosigkeit schlieſst den freien Volksgenossen von der Der Friedlose kann nicht bloſs, sondern er soll, weil er Feind 47 Vgl. v. Wächter, Beil. 79; Wilda S 268; K. Maurer, KrÜ III 30. 1 Der Friedlose heiſst daher in friesischen Rechtsquellen fath (faidosus) and frethelas. v. Richthofen, RQ S 186, 25. 188, 8. 190, 8. In dem angelsächsischen Gesetze, Edmund II 1 § 3 Feind des Königs und seiner Freunde, gefâh wiđ þone cyning and wiđ ealle his frŷnd. 2 v. Amira, Vollstreckungsverfahren S 40. 3 So auf Island. Wilda, Strafrecht S 282 f. Bei den Angels. K. Maurer, KrÜ III 38 Anm 2. 4 Lex Sal. 56: et quicumque eum aut paverit aut hospitalem dederit, etiam
si uxor sua proxima, sol. 15 culp. iudicetur. Lex Sal. 55, 2. Cap. 1 zur Lex Sal. c. 5 (Hessels Tit. 70). Cap. 2 zur Lex Sal. c. 8 (Hessels Tit. 106). Lex Rib. 87. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0184" n="166"/><fw place="top" type="header">§ 22. Friedlosigkeit und Opfertod.</fw><lb/> eigentlichen Friedensbrüchen als Rechtsbrüche gegenüberstellen <note place="foot" n="47">Vgl. v. <hi rendition="#g">Wächter</hi>, Beil. 79; <hi rendition="#g">Wilda</hi> S 268; K. <hi rendition="#g">Maurer</hi>, KrÜ III 30.</note>. Die<lb/> Zahlung der Buſsen verbürgte die dem widerspenstigen Schuldner<lb/> drohende Friedlosigkeit.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>§ 22. <hi rendition="#g">Friedlosigkeit und Opfertod</hi>.</head><lb/> <p> <bibl>S. die Litteratur zu § 21, insbes. <hi rendition="#g">Wilda</hi>, Strafr. der Germanen; v. <hi rendition="#g">Amira</hi>, Das<lb/> altnorwegische Vollstreckungsverfahren; ferner <hi rendition="#g">derselbe</hi>, Zweck und Mittel der<lb/> germ. RG S 57 f.; K. <hi rendition="#g">Maurer</hi>, KrV XVI 83; v. <hi rendition="#g">Richthofen</hi>, Zur Lex Saxonum,<lb/> 1868, § 16: die Todesstrafen des sächs. Rechts; <hi rendition="#g">Thonissen</hi>, Mém. sur les peines<lb/><hi rendition="#c">capitales dans la législation mérovingienne, 1877.</hi></bibl> </p><lb/> <p>Die Friedlosigkeit schlieſst den freien Volksgenossen von der<lb/> Friedens- und Rechtsgemeinschaft aus. Den Ausgeschlossenen schirmt<lb/> der allgemeine Friede nicht, er ist „friedlos“. Die Rechtsordnung<lb/> ist für ihn nicht vorhanden, er ist exlex, angelsächsisch ûtlah, mittel-<lb/> niederdeutsch uutlagh, nordisch útlagr. Wie die Fehde die Feind-<lb/> schaft einer zur Rache berechtigten Sippe, bedeutet die Friedlosigkeit<lb/> die Feindschaft allen Volkes <note place="foot" n="1">Der Friedlose heiſst daher in friesischen Rechtsquellen fath (faidosus) and<lb/> frethelas. v. <hi rendition="#g">Richthofen</hi>, RQ S 186, 25. 188, 8. 190, 8. In dem angelsächsischen<lb/> Gesetze, Edmund II 1 § 3 Feind des Königs und seiner Freunde, gefâh wiđ þone<lb/> cyning and wiđ ealle his frŷnd.</note>. Der Mangel des Friedens und Rechts-<lb/> schutzes stellt die negative, die Feindschaft der Gesamtheit die posi-<lb/> tive Seite der Friedlosigkeit dar.</p><lb/> <p>Der Friedlose kann nicht bloſs, sondern er soll, weil er Feind<lb/> des Volkes, von jedermann verfolgt werden. Wird er getötet, so liegt<lb/> er buſslos. Wer ihn tötet, handelt im Interesse und im Namen der<lb/> Gesamtheit, deren Willen er vollstreckt <note place="foot" n="2">v. <hi rendition="#g">Amira</hi>, Vollstreckungsverfahren S 40.</note>. In Staatswesen, in welchen<lb/> einerseits das Gemeingefühl eine Abschwächung erfahren hatte, andrer-<lb/> seits aber die Strafe der Friedlosigkeit zu ausgedehnter Anwendung<lb/> kam, sah man sich veranlaſst, von Staats wegen einen Preis auf den Kopf<lb/> jedes Friedlosen zu setzen <note place="foot" n="3">So auf Island. <hi rendition="#g">Wilda</hi>, Strafrecht S 282 f. Bei den Angels. K. <hi rendition="#g">Maurer</hi>,<lb/> KrÜ III 38 Anm 2.</note>. Weil der Friedlose die Gesamtheit zum<lb/> Feinde hat, ist es jedermann bei Strafe verboten, ihm Unterstützung<lb/> zu gewähren, ihm Obdach oder Unterhalt zu geben, ihn zu speisen,<lb/> zu hausen und zu hofen <note xml:id="note-0184" next="#note-0185" place="foot" n="4">Lex Sal. 56: et quicumque eum aut paverit aut hospitalem dederit, etiam<lb/> si uxor sua proxima, sol. 15 culp. iudicetur. Lex Sal. 55, 2. Cap. 1 zur Lex Sal.<lb/> c. 5 (<hi rendition="#g">Hessels</hi> Tit. 70). Cap. 2 zur Lex Sal. c. 8 (<hi rendition="#g">Hessels</hi> Tit. 106). Lex Rib. 87.</note>. Dieses Verbot gilt auch für die Bluts-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0184]
§ 22. Friedlosigkeit und Opfertod.
eigentlichen Friedensbrüchen als Rechtsbrüche gegenüberstellen 47. Die
Zahlung der Buſsen verbürgte die dem widerspenstigen Schuldner
drohende Friedlosigkeit.
§ 22. Friedlosigkeit und Opfertod.
S. die Litteratur zu § 21, insbes. Wilda, Strafr. der Germanen; v. Amira, Das
altnorwegische Vollstreckungsverfahren; ferner derselbe, Zweck und Mittel der
germ. RG S 57 f.; K. Maurer, KrV XVI 83; v. Richthofen, Zur Lex Saxonum,
1868, § 16: die Todesstrafen des sächs. Rechts; Thonissen, Mém. sur les peines
capitales dans la législation mérovingienne, 1877.
Die Friedlosigkeit schlieſst den freien Volksgenossen von der
Friedens- und Rechtsgemeinschaft aus. Den Ausgeschlossenen schirmt
der allgemeine Friede nicht, er ist „friedlos“. Die Rechtsordnung
ist für ihn nicht vorhanden, er ist exlex, angelsächsisch ûtlah, mittel-
niederdeutsch uutlagh, nordisch útlagr. Wie die Fehde die Feind-
schaft einer zur Rache berechtigten Sippe, bedeutet die Friedlosigkeit
die Feindschaft allen Volkes 1. Der Mangel des Friedens und Rechts-
schutzes stellt die negative, die Feindschaft der Gesamtheit die posi-
tive Seite der Friedlosigkeit dar.
Der Friedlose kann nicht bloſs, sondern er soll, weil er Feind
des Volkes, von jedermann verfolgt werden. Wird er getötet, so liegt
er buſslos. Wer ihn tötet, handelt im Interesse und im Namen der
Gesamtheit, deren Willen er vollstreckt 2. In Staatswesen, in welchen
einerseits das Gemeingefühl eine Abschwächung erfahren hatte, andrer-
seits aber die Strafe der Friedlosigkeit zu ausgedehnter Anwendung
kam, sah man sich veranlaſst, von Staats wegen einen Preis auf den Kopf
jedes Friedlosen zu setzen 3. Weil der Friedlose die Gesamtheit zum
Feinde hat, ist es jedermann bei Strafe verboten, ihm Unterstützung
zu gewähren, ihm Obdach oder Unterhalt zu geben, ihn zu speisen,
zu hausen und zu hofen 4. Dieses Verbot gilt auch für die Bluts-
47 Vgl. v. Wächter, Beil. 79; Wilda S 268; K. Maurer, KrÜ III 30.
1 Der Friedlose heiſst daher in friesischen Rechtsquellen fath (faidosus) and
frethelas. v. Richthofen, RQ S 186, 25. 188, 8. 190, 8. In dem angelsächsischen
Gesetze, Edmund II 1 § 3 Feind des Königs und seiner Freunde, gefâh wiđ þone
cyning and wiđ ealle his frŷnd.
2 v. Amira, Vollstreckungsverfahren S 40.
3 So auf Island. Wilda, Strafrecht S 282 f. Bei den Angels. K. Maurer,
KrÜ III 38 Anm 2.
4 Lex Sal. 56: et quicumque eum aut paverit aut hospitalem dederit, etiam
si uxor sua proxima, sol. 15 culp. iudicetur. Lex Sal. 55, 2. Cap. 1 zur Lex Sal.
c. 5 (Hessels Tit. 70). Cap. 2 zur Lex Sal. c. 8 (Hessels Tit. 106). Lex Rib. 87.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |