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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 19. Kriegswesen und Gefolgschaft.
unterworfenen Sachsen im Zaume hielt, gehörte das Verbot allge-
meiner öffentlicher Versammlungen 20.

Aus der Bedeutung der Landesgemeinde erklärt sich das ver-
hältnismässig lockere Gefüge der germanischen Verfassung, erklärt sich
die Leichtigkeit, mit der sich die Teilung von civitates, die Bildung
neuer Gesamtstaaten vollzog. Hatten mehrere Staaten ein Bündnis
abgeschlossen, so war bei längerer Dauer des Bundes das Bedürfnis
einer gemeinsamen Heeresversammlung und mit ihr das Organ des
aus dem Bunde herauswachsenden Staates gegeben. Wuchs die Volks-
zahl an, dehnte die Völkerschaft ihr Gebiet aus, so wurde es bei vor-
geschrittener Sesshaftigkeit allzuschwierig oder unmöglich, eine einzige
Landesversammlung regelmässig zu besuchen und fiel die civitas in
mehrere Teilstaaten auseinander.

Im Gegensatz zu den Kulturstaaten des Altertums, die auf
städtischer Grundlage erwachsen, von einer Stadt aus, als ihrem
Mittelpunkte, verwaltet wurden, erscheinen die germanischen civitates
recht eigentlich als Volksstaaten, die nicht von einem örtlichen Zentrum
aus zusammengehalten werden. Das Bewusstsein gemeinsamer Ab-
stammung und gemeinsamen Volkstums blieb in ihnen so lebendig,
dass die Völkerschaft sich gewissermassen als ein erweitertes Geschlecht,
die Volksgenossen sich als Landmagen gelten durften. Bei den gal-
lischen Kelten ist die der germanischen verwandte Volksverfassung
durch das städtische Verwaltungsprinzip des römischen Reiches zer-
setzt und zerstört worden. Dagegen schlug die politische Entwicklung
der germanischen Völker Bahnen ein, auf welchen sie vor einem ähn-
lichen Schicksale bewahrt worden sind.

§ 19. Kriegswesen und Gefolgschaft.

v. Peucker, Das deutsche Kriegswesen der Urzeiten, 3 Teile 1860--1864.
F. W. Barthold, Geschichte der Kriegsverfassung und des Kriegswesens der
Deutschen, 2 Teile 1855. Velschow, De Danorum institutis militaribus, 1831.
Arnold, Deutsche Urzeit S 251 ff. -- Eichhorn, RG I 72 ff. Waitz, VG
I 371 ff. Schmid, Gesetze der Angels. S 599. Konrad Maurer, KrÜ II 388 ff.
Gierke, RG der deutschen Genossenschaft I 93. Brockhaus, De comitatu
Germaniae, 1863. Sohm, Deutsche Reichs- u. Gerichtsverf. S 553. W. Scherer,
Über Heynes Beovulf, in der Z f. d. österr. Gymnas. 1869 S 100 f. Kemble, Saxons
I 162. Deloche, La Trustis et l'antrustion royal, 1873.

Der germanische Staat beruhte auf dem Grundsatz der gleichen
Pflichten und Rechte aller freien und wehrhaften Volksgenossen. Die

20 Cap. de partibus Sax. I 70 c. 34: interdiximus ut omnes Saxones generaliter
conventus publicos nec faciant, nisi forte missus noster de verbo nostro eos con-
gregare fecerit.

§ 19. Kriegswesen und Gefolgschaft.
unterworfenen Sachsen im Zaume hielt, gehörte das Verbot allge-
meiner öffentlicher Versammlungen 20.

Aus der Bedeutung der Landesgemeinde erklärt sich das ver-
hältnismäſsig lockere Gefüge der germanischen Verfassung, erklärt sich
die Leichtigkeit, mit der sich die Teilung von civitates, die Bildung
neuer Gesamtstaaten vollzog. Hatten mehrere Staaten ein Bündnis
abgeschlossen, so war bei längerer Dauer des Bundes das Bedürfnis
einer gemeinsamen Heeresversammlung und mit ihr das Organ des
aus dem Bunde herauswachsenden Staates gegeben. Wuchs die Volks-
zahl an, dehnte die Völkerschaft ihr Gebiet aus, so wurde es bei vor-
geschrittener Seſshaftigkeit allzuschwierig oder unmöglich, eine einzige
Landesversammlung regelmäſsig zu besuchen und fiel die civitas in
mehrere Teilstaaten auseinander.

Im Gegensatz zu den Kulturstaaten des Altertums, die auf
städtischer Grundlage erwachsen, von einer Stadt aus, als ihrem
Mittelpunkte, verwaltet wurden, erscheinen die germanischen civitates
recht eigentlich als Volksstaaten, die nicht von einem örtlichen Zentrum
aus zusammengehalten werden. Das Bewuſstsein gemeinsamer Ab-
stammung und gemeinsamen Volkstums blieb in ihnen so lebendig,
daſs die Völkerschaft sich gewissermaſsen als ein erweitertes Geschlecht,
die Volksgenossen sich als Landmagen gelten durften. Bei den gal-
lischen Kelten ist die der germanischen verwandte Volksverfassung
durch das städtische Verwaltungsprinzip des römischen Reiches zer-
setzt und zerstört worden. Dagegen schlug die politische Entwicklung
der germanischen Völker Bahnen ein, auf welchen sie vor einem ähn-
lichen Schicksale bewahrt worden sind.

§ 19. Kriegswesen und Gefolgschaft.

v. Peucker, Das deutsche Kriegswesen der Urzeiten, 3 Teile 1860—1864.
F. W. Barthold, Geschichte der Kriegsverfassung und des Kriegswesens der
Deutschen, 2 Teile 1855. Velschow, De Danorum institutis militaribus, 1831.
Arnold, Deutsche Urzeit S 251 ff. — Eichhorn, RG I 72 ff. Waitz, VG
I 371 ff. Schmid, Gesetze der Angels. S 599. Konrad Maurer, KrÜ II 388 ff.
Gierke, RG der deutschen Genossenschaft I 93. Brockhaus, De comitatu
Germaniae, 1863. Sohm, Deutsche Reichs- u. Gerichtsverf. S 553. W. Scherer,
Über Heynes Beóvulf, in der Z f. d. österr. Gymnas. 1869 S 100 f. Kemble, Saxons
I 162. Deloche, La Trustis et l’antrustion royal, 1873.

Der germanische Staat beruhte auf dem Grundsatz der gleichen
Pflichten und Rechte aller freien und wehrhaften Volksgenossen. Die

20 Cap. de partibus Sax. I 70 c. 34: interdiximus ut omnes Saxones generaliter
conventus publicos nec faciant, nisi forte missus noster de verbo nostro eos con-
gregare fecerit.
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[132/0150] § 19. Kriegswesen und Gefolgschaft. unterworfenen Sachsen im Zaume hielt, gehörte das Verbot allge- meiner öffentlicher Versammlungen 20. Aus der Bedeutung der Landesgemeinde erklärt sich das ver- hältnismäſsig lockere Gefüge der germanischen Verfassung, erklärt sich die Leichtigkeit, mit der sich die Teilung von civitates, die Bildung neuer Gesamtstaaten vollzog. Hatten mehrere Staaten ein Bündnis abgeschlossen, so war bei längerer Dauer des Bundes das Bedürfnis einer gemeinsamen Heeresversammlung und mit ihr das Organ des aus dem Bunde herauswachsenden Staates gegeben. Wuchs die Volks- zahl an, dehnte die Völkerschaft ihr Gebiet aus, so wurde es bei vor- geschrittener Seſshaftigkeit allzuschwierig oder unmöglich, eine einzige Landesversammlung regelmäſsig zu besuchen und fiel die civitas in mehrere Teilstaaten auseinander. Im Gegensatz zu den Kulturstaaten des Altertums, die auf städtischer Grundlage erwachsen, von einer Stadt aus, als ihrem Mittelpunkte, verwaltet wurden, erscheinen die germanischen civitates recht eigentlich als Volksstaaten, die nicht von einem örtlichen Zentrum aus zusammengehalten werden. Das Bewuſstsein gemeinsamer Ab- stammung und gemeinsamen Volkstums blieb in ihnen so lebendig, daſs die Völkerschaft sich gewissermaſsen als ein erweitertes Geschlecht, die Volksgenossen sich als Landmagen gelten durften. Bei den gal- lischen Kelten ist die der germanischen verwandte Volksverfassung durch das städtische Verwaltungsprinzip des römischen Reiches zer- setzt und zerstört worden. Dagegen schlug die politische Entwicklung der germanischen Völker Bahnen ein, auf welchen sie vor einem ähn- lichen Schicksale bewahrt worden sind. § 19. Kriegswesen und Gefolgschaft. v. Peucker, Das deutsche Kriegswesen der Urzeiten, 3 Teile 1860—1864. F. W. Barthold, Geschichte der Kriegsverfassung und des Kriegswesens der Deutschen, 2 Teile 1855. Velschow, De Danorum institutis militaribus, 1831. Arnold, Deutsche Urzeit S 251 ff. — Eichhorn, RG I 72 ff. Waitz, VG I 371 ff. Schmid, Gesetze der Angels. S 599. Konrad Maurer, KrÜ II 388 ff. Gierke, RG der deutschen Genossenschaft I 93. Brockhaus, De comitatu Germaniae, 1863. Sohm, Deutsche Reichs- u. Gerichtsverf. S 553. W. Scherer, Über Heynes Beóvulf, in der Z f. d. österr. Gymnas. 1869 S 100 f. Kemble, Saxons I 162. Deloche, La Trustis et l’antrustion royal, 1873. Der germanische Staat beruhte auf dem Grundsatz der gleichen Pflichten und Rechte aller freien und wehrhaften Volksgenossen. Die 20 Cap. de partibus Sax. I 70 c. 34: interdiximus ut omnes Saxones generaliter conventus publicos nec faciant, nisi forte missus noster de verbo nostro eos con- gregare fecerit.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/150>, abgerufen am 21.11.2024.