Die Poesie ist eine Kunst, das Wesen der Natur zu schildern, Jndem sie unserm Geist die Farben von Körpern, Formen und von Bildern, Den Körpern die Lebhaftigkeit zusammt dem Feur des Geistes, giebt. Was Wunder, daß die Menschheit stets, ja die Barba- ren, sie geliebt! Sie weis der zwo beliebtsten Künste, der Tonkunst und der Mahlerey Vortrefflichkeiten zu vereinen. Sie ahmt des Pinsels Zauberschlag Jn ihren Bildern, und dabey Jn ihrem Wohllaut der Musik beliebt- und süßen Tönen nach. Nun ist dem Menschen der Geschmack zur Mahlerey und süßen Chören Natürlich, und so gut als wie die Kraft zu sehen und zu hören, So daß es fast unmöglich ist, daß uns, mit Ohren und mit Augen, Ein Klang, ein wohlgeformtes Bild, nicht sollte zu ver- gnügen taugen. Es ist demnach erlaubt zu schließen, Daß unser Geist, vom süßen Eindruck des Hörens und des Sehns gerührt, Die holde Kunst der Poesie nothwendig hab erfinden müssen, Da man ein' Art von Mahlerey und von Musik in ihr verspürt, Daher entsteht für alle Menschen ein allgemeiner Reiz. Ein jeder Liebt Verse, Mahlerey und Lieder.
Ein
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Ueberſetzung.
Die Poeſie iſt eine Kunſt, das Weſen der Natur zu ſchildern, Jndem ſie unſerm Geiſt die Farben von Koͤrpern, Formen und von Bildern, Den Koͤrpern die Lebhaftigkeit zuſammt dem Feur des Geiſtes, giebt. Was Wunder, daß die Menſchheit ſtets, ja die Barba- ren, ſie geliebt! Sie weis der zwo beliebtſten Kuͤnſte, der Tonkunſt und der Mahlerey Vortrefflichkeiten zu vereinen. Sie ahmt des Pinſels Zauberſchlag Jn ihren Bildern, und dabey Jn ihrem Wohllaut der Muſik beliebt- und ſuͤßen Toͤnen nach. Nun iſt dem Menſchen der Geſchmack zur Mahlerey und ſuͤßen Choͤren Natuͤrlich, und ſo gut als wie die Kraft zu ſehen und zu hoͤren, So daß es faſt unmoͤglich iſt, daß uns, mit Ohren und mit Augen, Ein Klang, ein wohlgeformtes Bild, nicht ſollte zu ver- gnuͤgen taugen. Es iſt demnach erlaubt zu ſchließen, Daß unſer Geiſt, vom ſuͤßen Eindruck des Hoͤrens und des Sehns geruͤhrt, Die holde Kunſt der Poeſie nothwendig hab erfinden muͤſſen, Da man ein’ Art von Mahlerey und von Muſik in ihr verſpuͤrt, Daher entſteht fuͤr alle Menſchen ein allgemeiner Reiz. Ein jeder Liebt Verſe, Mahlerey und Lieder.
Ein
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Ueberſetzung.
Die Poeſie iſt eine Kunſt, das Weſen der Natur zu
ſchildern,
Jndem ſie unſerm Geiſt die Farben von Koͤrpern,
Formen und von Bildern,
Den Koͤrpern die Lebhaftigkeit zuſammt dem Feur des
Geiſtes, giebt.
Was Wunder, daß die Menſchheit ſtets, ja die Barba-
ren, ſie geliebt!
Sie weis der zwo beliebtſten Kuͤnſte, der Tonkunſt und
der Mahlerey
Vortrefflichkeiten zu vereinen. Sie ahmt des Pinſels
Zauberſchlag
Jn ihren Bildern, und dabey
Jn ihrem Wohllaut der Muſik beliebt- und ſuͤßen Toͤnen nach.
Nun iſt dem Menſchen der Geſchmack zur Mahlerey und
ſuͤßen Choͤren
Natuͤrlich, und ſo gut als wie die Kraft zu ſehen und zu hoͤren,
So daß es faſt unmoͤglich iſt, daß uns, mit Ohren und
mit Augen,
Ein Klang, ein wohlgeformtes Bild, nicht ſollte zu ver-
gnuͤgen taugen.
Es iſt demnach erlaubt zu ſchließen,
Daß unſer Geiſt, vom ſuͤßen Eindruck des Hoͤrens und
des Sehns geruͤhrt,
Die holde Kunſt der Poeſie nothwendig hab erfinden muͤſſen,
Da man ein’ Art von Mahlerey und von Muſik in ihr
verſpuͤrt,
Daher entſteht fuͤr alle Menſchen ein allgemeiner Reiz.
Ein jeder
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/561>, abgerufen am 22.02.2025.
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