Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.zum irdischen Vergnügen in Gott. Uebersetzung. Die Poesie ist eine Kunst, das Wesen der Natur zu schildern, Jndem sie unserm Geist die Farben von Körpern, Formen und von Bildern, Den Körpern die Lebhaftigkeit zusammt dem Feur des Geistes, giebt. Was Wunder, daß die Menschheit stets, ja die Barba- ren, sie geliebt! Sie weis der zwo beliebtsten Künste, der Tonkunst und der Mahlerey Vortrefflichkeiten zu vereinen. Sie ahmt des Pinsels Zauberschlag Jn ihren Bildern, und dabey Jn ihrem Wohllaut der Musik beliebt- und süßen Tönen nach. Nun ist dem Menschen der Geschmack zur Mahlerey und süßen Chören Natürlich, und so gut als wie die Kraft zu sehen und zu hören, So daß es fast unmöglich ist, daß uns, mit Ohren und mit Augen, Ein Klang, ein wohlgeformtes Bild, nicht sollte zu ver- gnügen taugen. Es ist demnach erlaubt zu schließen, Daß unser Geist, vom süßen Eindruck des Hörens und des Sehns gerührt, Die holde Kunst der Poesie nothwendig hab erfinden müssen, Da man ein' Art von Mahlerey und von Musik in ihr verspürt, Daher entsteht für alle Menschen ein allgemeiner Reiz. Ein jeder Liebt Verse, Mahlerey und Lieder. Ein
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Ueberſetzung. Die Poeſie iſt eine Kunſt, das Weſen der Natur zu ſchildern, Jndem ſie unſerm Geiſt die Farben von Koͤrpern, Formen und von Bildern, Den Koͤrpern die Lebhaftigkeit zuſammt dem Feur des Geiſtes, giebt. Was Wunder, daß die Menſchheit ſtets, ja die Barba- ren, ſie geliebt! Sie weis der zwo beliebtſten Kuͤnſte, der Tonkunſt und der Mahlerey Vortrefflichkeiten zu vereinen. Sie ahmt des Pinſels Zauberſchlag Jn ihren Bildern, und dabey Jn ihrem Wohllaut der Muſik beliebt- und ſuͤßen Toͤnen nach. Nun iſt dem Menſchen der Geſchmack zur Mahlerey und ſuͤßen Choͤren Natuͤrlich, und ſo gut als wie die Kraft zu ſehen und zu hoͤren, So daß es faſt unmoͤglich iſt, daß uns, mit Ohren und mit Augen, Ein Klang, ein wohlgeformtes Bild, nicht ſollte zu ver- gnuͤgen taugen. Es iſt demnach erlaubt zu ſchließen, Daß unſer Geiſt, vom ſuͤßen Eindruck des Hoͤrens und des Sehns geruͤhrt, Die holde Kunſt der Poeſie nothwendig hab erfinden muͤſſen, Da man ein’ Art von Mahlerey und von Muſik in ihr verſpuͤrt, Daher entſteht fuͤr alle Menſchen ein allgemeiner Reiz. Ein jeder Liebt Verſe, Mahlerey und Lieder. Ein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0561" n="541"/> <fw place="top" type="header">zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.</fw><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Ueberſetzung.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Poeſie iſt eine Kunſt, das Weſen der Natur zu</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſchildern,</hi> </l><lb/> <l>Jndem ſie unſerm Geiſt die Farben von Koͤrpern,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Formen und von Bildern,</hi> </l><lb/> <l>Den Koͤrpern die Lebhaftigkeit zuſammt dem Feur des</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Geiſtes, giebt.</hi> </l><lb/> <l>Was Wunder, daß die Menſchheit ſtets, ja die Barba-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ren, ſie geliebt!</hi> </l><lb/> <l>Sie weis der zwo beliebtſten Kuͤnſte, der Tonkunſt und</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">der Mahlerey</hi> </l><lb/> <l>Vortrefflichkeiten zu vereinen. Sie ahmt des Pinſels</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Zauberſchlag</hi> </l><lb/> <l>Jn ihren Bildern, und dabey</l><lb/> <l>Jn ihrem Wohllaut der Muſik beliebt- und ſuͤßen Toͤnen nach.</l><lb/> <l>Nun iſt dem Menſchen der Geſchmack zur Mahlerey und</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſuͤßen Choͤren</hi> </l><lb/> <l>Natuͤrlich, und ſo gut als wie die Kraft zu ſehen und zu hoͤren,</l><lb/> <l>So daß es faſt unmoͤglich iſt, daß uns, mit Ohren und</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">mit Augen,</hi> </l><lb/> <l>Ein Klang, ein wohlgeformtes Bild, nicht ſollte zu ver-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">gnuͤgen taugen.</hi> </l><lb/> <l>Es iſt demnach erlaubt zu ſchließen,</l><lb/> <l>Daß unſer Geiſt, vom ſuͤßen Eindruck des Hoͤrens und</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">des Sehns geruͤhrt,</hi> </l><lb/> <l>Die holde Kunſt der Poeſie nothwendig hab erfinden muͤſſen,</l><lb/> <l>Da man ein’ Art von Mahlerey und von Muſik in ihr</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">verſpuͤrt,</hi> </l><lb/> <l>Daher entſteht fuͤr alle Menſchen ein allgemeiner Reiz.</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Ein jeder</hi> </l><lb/> <l>Liebt Verſe, Mahlerey und Lieder.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ein</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [541/0561]
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Ueberſetzung.
Die Poeſie iſt eine Kunſt, das Weſen der Natur zu
ſchildern,
Jndem ſie unſerm Geiſt die Farben von Koͤrpern,
Formen und von Bildern,
Den Koͤrpern die Lebhaftigkeit zuſammt dem Feur des
Geiſtes, giebt.
Was Wunder, daß die Menſchheit ſtets, ja die Barba-
ren, ſie geliebt!
Sie weis der zwo beliebtſten Kuͤnſte, der Tonkunſt und
der Mahlerey
Vortrefflichkeiten zu vereinen. Sie ahmt des Pinſels
Zauberſchlag
Jn ihren Bildern, und dabey
Jn ihrem Wohllaut der Muſik beliebt- und ſuͤßen Toͤnen nach.
Nun iſt dem Menſchen der Geſchmack zur Mahlerey und
ſuͤßen Choͤren
Natuͤrlich, und ſo gut als wie die Kraft zu ſehen und zu hoͤren,
So daß es faſt unmoͤglich iſt, daß uns, mit Ohren und
mit Augen,
Ein Klang, ein wohlgeformtes Bild, nicht ſollte zu ver-
gnuͤgen taugen.
Es iſt demnach erlaubt zu ſchließen,
Daß unſer Geiſt, vom ſuͤßen Eindruck des Hoͤrens und
des Sehns geruͤhrt,
Die holde Kunſt der Poeſie nothwendig hab erfinden muͤſſen,
Da man ein’ Art von Mahlerey und von Muſik in ihr
verſpuͤrt,
Daher entſteht fuͤr alle Menſchen ein allgemeiner Reiz.
Ein jeder
Liebt Verſe, Mahlerey und Lieder.
Ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |