Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.Vermischte Gedichte Die von der Durchl. Fürstinn von Schaumburg von dem Verfasser verlangte Meynung über das Ahnden. Du fragst mich durch den weisen Widow umsonst, Durchlaucht'ge Celimene, (Die du, wie er dich mir beschrieben, so weis' und voller Geist, als schöne,) Wie fern die Kraft der Seelen geh'? und ob wir Sterb- lichen die Gaben, Vernünftig was vorher zu sehn, zu träumen und zu ahn- den haben? Und was dann eigentlich das Ahnden? Hier ist mein redlicher Bericht: Jch weis es nicht. Zwar könnt' ich leicht, wie viele Weisen, um dein Ver- langen zu erfüllen, Mein' Einfalt dir in dunkle Wörter und finstre Perioden hüllen; Jch könnt ein Rieß Papier verschreiben von allem, was hervorgebracht, Was Cajus, Marcus und Elpin, hievon gedacht, und nicht gedacht, Viel Mährchen, viel Geschicht erzählen, die theils geschehn, theils nicht geschehen, Was dem Athenodor geahndet, was dem geträumt, was der gesehen; Allein ich ehre dich zu sehr, Als daß, durch eitlen Stolz verführt, ich dich zu täuschen fähig wär. Die
Vermiſchte Gedichte Die von der Durchl. Fuͤrſtinn von Schaumburg von dem Verfaſſer verlangte Meynung uͤber das Ahnden. Du fragſt mich durch den weiſen Widow umſonſt, Durchlaucht’ge Celimene, (Die du, wie er dich mir beſchrieben, ſo weiſ’ und voller Geiſt, als ſchoͤne,) Wie fern die Kraft der Seelen geh’? und ob wir Sterb- lichen die Gaben, Vernuͤnftig was vorher zu ſehn, zu traͤumen und zu ahn- den haben? Und was dann eigentlich das Ahnden? Hier iſt mein redlicher Bericht: Jch weis es nicht. Zwar koͤnnt’ ich leicht, wie viele Weiſen, um dein Ver- langen zu erfuͤllen, Mein’ Einfalt dir in dunkle Woͤrter und finſtre Perioden huͤllen; Jch koͤnnt ein Rieß Papier verſchreiben von allem, was hervorgebracht, Was Cajus, Marcus und Elpin, hievon gedacht, und nicht gedacht, Viel Maͤhrchen, viel Geſchicht erzaͤhlen, die theils geſchehn, theils nicht geſchehen, Was dem Athenodor geahndet, was dem getraͤumt, was der geſehen; Allein ich ehre dich zu ſehr, Als daß, durch eitlen Stolz verfuͤhrt, ich dich zu taͤuſchen faͤhig waͤr. Die
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Vermiſchte Gedichte
Die von der
Durchl. Fuͤrſtinn von Schaumburg
von dem Verfaſſer verlangte Meynung
uͤber das Ahnden.
Du fragſt mich durch den weiſen Widow umſonſt,
Durchlaucht’ge Celimene,
(Die du, wie er dich mir beſchrieben, ſo weiſ’ und voller
Geiſt, als ſchoͤne,)
Wie fern die Kraft der Seelen geh’? und ob wir Sterb-
lichen die Gaben,
Vernuͤnftig was vorher zu ſehn, zu traͤumen und zu ahn-
den haben?
Und was dann eigentlich das Ahnden? Hier iſt mein
redlicher Bericht:
Jch weis es nicht.
Zwar koͤnnt’ ich leicht, wie viele Weiſen, um dein Ver-
langen zu erfuͤllen,
Mein’ Einfalt dir in dunkle Woͤrter und finſtre Perioden
huͤllen;
Jch koͤnnt ein Rieß Papier verſchreiben von allem, was
hervorgebracht,
Was Cajus, Marcus und Elpin, hievon gedacht, und
nicht gedacht,
Viel Maͤhrchen, viel Geſchicht erzaͤhlen, die theils geſchehn,
theils nicht geſchehen,
Was dem Athenodor geahndet, was dem getraͤumt, was
der geſehen;
Allein ich ehre dich zu ſehr,
Als daß, durch eitlen Stolz verfuͤhrt, ich dich zu taͤuſchen
faͤhig waͤr.
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