Das wundervolle Buch der lehrenden Natur Zeigt uns ein liebend- weis- allmächtges Wunder- wesen, Und giebt es unserm Geist auf jedem Blatt zu lesen. Von seinem Daseyn zeigt sich überall die Spur, Den Seelen präget er von seinem wahren Seyn Den deutlichsten Begriff in dem Begriff selbst ein, Daß er, durch seine Güt, Erbarmung, Huld und Lieben Nur ganz allein getrieben, Geschöpf' hervorgebracht, um ihnen wohlzuthun. Auf Liebe kann allein der wahre Grund beruhn, Daß etwas worden ist. Die Gottheit brauchte nicht, Als aller Seligkeit selbständig' ewge Fülle, Noch seliger zu seyn. Dieß zeiget uns das Licht Der denkenden Vernunft, auch, daß des Schöpfers Wille Wohl nicht gewesen sey, Geschöpfe zu erschaffen Zu dieser Absicht bloß, die Fehler zu bestrafen, Und folglich, daß er unser Wesen Zu einem Gegenwurf von seiner Streng' erlesen, Gerechtigkeit genannt. So viel befinden wir, Daß Gott in unsern Geist selbst den Begriff gesenket, Daß man an solchen Satz ohn Abscheu nicht gedenket.
Betrach-
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die Abſicht der Schoͤpfung.
Das wundervolle Buch der lehrenden Natur Zeigt uns ein liebend- weiſ- allmaͤchtges Wunder- weſen, Und giebt es unſerm Geiſt auf jedem Blatt zu leſen. Von ſeinem Daſeyn zeigt ſich uͤberall die Spur, Den Seelen praͤget er von ſeinem wahren Seyn Den deutlichſten Begriff in dem Begriff ſelbſt ein, Daß er, durch ſeine Guͤt, Erbarmung, Huld und Lieben Nur ganz allein getrieben, Geſchoͤpf’ hervorgebracht, um ihnen wohlzuthun. Auf Liebe kann allein der wahre Grund beruhn, Daß etwas worden iſt. Die Gottheit brauchte nicht, Als aller Seligkeit ſelbſtaͤndig’ ewge Fuͤlle, Noch ſeliger zu ſeyn. Dieß zeiget uns das Licht Der denkenden Vernunft, auch, daß des Schoͤpfers Wille Wohl nicht geweſen ſey, Geſchoͤpfe zu erſchaffen Zu dieſer Abſicht bloß, die Fehler zu beſtrafen, Und folglich, daß er unſer Weſen Zu einem Gegenwurf von ſeiner Streng’ erleſen, Gerechtigkeit genannt. So viel befinden wir, Daß Gott in unſern Geiſt ſelbſt den Begriff geſenket, Daß man an ſolchen Satz ohn Abſcheu nicht gedenket.
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[489/0509]
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die Abſicht der Schoͤpfung.
Das wundervolle Buch der lehrenden Natur
Zeigt uns ein liebend- weiſ- allmaͤchtges Wunder-
weſen,
Und giebt es unſerm Geiſt auf jedem Blatt zu leſen.
Von ſeinem Daſeyn zeigt ſich uͤberall die Spur,
Den Seelen praͤget er von ſeinem wahren Seyn
Den deutlichſten Begriff in dem Begriff ſelbſt ein,
Daß er, durch ſeine Guͤt, Erbarmung, Huld und Lieben
Nur ganz allein getrieben,
Geſchoͤpf’ hervorgebracht, um ihnen wohlzuthun.
Auf Liebe kann allein der wahre Grund beruhn,
Daß etwas worden iſt. Die Gottheit brauchte nicht,
Als aller Seligkeit ſelbſtaͤndig’ ewge Fuͤlle,
Noch ſeliger zu ſeyn. Dieß zeiget uns das Licht
Der denkenden Vernunft, auch, daß des Schoͤpfers Wille
Wohl nicht geweſen ſey, Geſchoͤpfe zu erſchaffen
Zu dieſer Abſicht bloß, die Fehler zu beſtrafen,
Und folglich, daß er unſer Weſen
Zu einem Gegenwurf von ſeiner Streng’ erleſen,
Gerechtigkeit genannt. So viel befinden wir,
Daß Gott in unſern Geiſt ſelbſt den Begriff geſenket,
Daß man an ſolchen Satz ohn Abſcheu nicht gedenket.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/509>, abgerufen am 03.03.2025.
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