Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.Vermischte Gedichte Unbilligkeit gegen Gott. Entweder ist der Mensch geschaffen zu seines Gottes Ehr allein, Wie oder von der Gottheit Lieb' ein ewger Gegenwurf zu seyn, Wie oder auch zu allen beyden. Wo aber nicht, so bleibts dabey, Daß, da, von beyden, er zu keinem, er, sonder Zweck, erschaffen sey; Weil niemand es gelüsten wird zu sagen, daß die Gottheit wollte Den Menschen schaffen, damit er in Ewigkeit verdammt seyn sollte. Nun leugnen wir (vielleicht aus Hochmuth) den ersten Satz vermuthlich nicht: Und dennoch ist, zur Ehre Gottes, der Menschen Thun nicht eingericht. Es scheint, es theile sich die Welt hierüber in zwo Hälf- ten ein, Jn einer ehrt der Mensch nicht Gott, und in der andern sich allein. Der andre Satz wird ebenfalls von wenigen geleugnet werden, Der dritte folglich auch zugleich. Und doch nimmt manchen auf der Erden, Sogar auch selbst im Christenthume, bey Christo selbst, ein Zweifel ein, Ob, auch sogar bey Reu und Glauben, die Gottheit werde gnädig seyn. Dieß ist gewiß so ungerecht von Gottes ewger Huld gedacht, Daß es fast leidlicher, zu sagen: Es hat die Welt sich selbst gemacht. Die
Vermiſchte Gedichte Unbilligkeit gegen Gott. Entweder iſt der Menſch geſchaffen zu ſeines Gottes Ehr allein, Wie oder von der Gottheit Lieb’ ein ewger Gegenwurf zu ſeyn, Wie oder auch zu allen beyden. Wo aber nicht, ſo bleibts dabey, Daß, da, von beyden, er zu keinem, er, ſonder Zweck, erſchaffen ſey; Weil niemand es geluͤſten wird zu ſagen, daß die Gottheit wollte Den Menſchen ſchaffen, damit er in Ewigkeit verdammt ſeyn ſollte. Nun leugnen wir (vielleicht aus Hochmuth) den erſten Satz vermuthlich nicht: Und dennoch iſt, zur Ehre Gottes, der Menſchen Thun nicht eingericht. Es ſcheint, es theile ſich die Welt hieruͤber in zwo Haͤlf- ten ein, Jn einer ehrt der Menſch nicht Gott, und in der andern ſich allein. Der andre Satz wird ebenfalls von wenigen geleugnet werden, Der dritte folglich auch zugleich. Und doch nimmt manchen auf der Erden, Sogar auch ſelbſt im Chriſtenthume, bey Chriſto ſelbſt, ein Zweifel ein, Ob, auch ſogar bey Reu und Glauben, die Gottheit werde gnaͤdig ſeyn. Dieß iſt gewiß ſo ungerecht von Gottes ewger Huld gedacht, Daß es faſt leidlicher, zu ſagen: Es hat die Welt ſich ſelbſt gemacht. Die
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Vermiſchte Gedichte
Unbilligkeit gegen Gott.
Entweder iſt der Menſch geſchaffen zu ſeines Gottes Ehr
allein,
Wie oder von der Gottheit Lieb’ ein ewger Gegenwurf
zu ſeyn,
Wie oder auch zu allen beyden. Wo aber nicht, ſo bleibts
dabey,
Daß, da, von beyden, er zu keinem, er, ſonder Zweck,
erſchaffen ſey;
Weil niemand es geluͤſten wird zu ſagen, daß die Gottheit
wollte
Den Menſchen ſchaffen, damit er in Ewigkeit verdammt
ſeyn ſollte.
Nun leugnen wir (vielleicht aus Hochmuth) den
erſten Satz vermuthlich nicht:
Und dennoch iſt, zur Ehre Gottes, der Menſchen Thun
nicht eingericht.
Es ſcheint, es theile ſich die Welt hieruͤber in zwo Haͤlf-
ten ein,
Jn einer ehrt der Menſch nicht Gott, und in der andern
ſich allein.
Der andre Satz wird ebenfalls von wenigen geleugnet
werden,
Der dritte folglich auch zugleich. Und doch nimmt manchen
auf der Erden,
Sogar auch ſelbſt im Chriſtenthume, bey Chriſto ſelbſt,
ein Zweifel ein,
Ob, auch ſogar bey Reu und Glauben, die Gottheit
werde gnaͤdig ſeyn.
Dieß iſt gewiß ſo ungerecht von Gottes ewger Huld gedacht,
Daß es faſt leidlicher, zu ſagen: Es hat die Welt
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