Wenn ich den Menschen, nach des Körpers und seines Geistes Kraft, betrachte, Und, bey demselbigen, die Absicht, deß, welcher ihn ge- macht, beachte; So fällt, bey den Betrachtungen, mir diese Frage billig ein: Sollt etwan nicht der Mensch von Gott auch dazu mit erschaffen seyn, Daß er der Erden Fläche ziere, Veränderung und Ordnung mache, die Kreatur dazu re- giere, Daß auf dem äußern Kreis der Erde Das Schöne nicht allein erhalten, nein, alles noch verschö- nert werde, Und daß er gleichsam der Natur zu einem Werkzeug die- nen solle, Das ihr in ihren Wirkungen und ihre Ordnung auszu- richten Behülflich sey, und zugerichtet, daß er ihr helfen könn' und wolle? Doch scheint der Mensch ein solches Werkzeug, das, in Vollbringung seiner Pflichten, Ein eigenes Vergnügen fühlen, den Schöpfer kennen, ihn verehren, Jhn lieben und ihn loben kann. Ach möchte denn doch jedermann Die Pflicht verrichten, sich vergnügen, und Gottes Herr- lichkeit vermehren!
Geho-
Vermiſchte Gedichte
Das vernuͤnftige Werkzeug.
Wenn ich den Menſchen, nach des Koͤrpers und ſeines Geiſtes Kraft, betrachte, Und, bey demſelbigen, die Abſicht, deß, welcher ihn ge- macht, beachte; So faͤllt, bey den Betrachtungen, mir dieſe Frage billig ein: Sollt etwan nicht der Menſch von Gott auch dazu mit erſchaffen ſeyn, Daß er der Erden Flaͤche ziere, Veraͤnderung und Ordnung mache, die Kreatur dazu re- giere, Daß auf dem aͤußern Kreis der Erde Das Schoͤne nicht allein erhalten, nein, alles noch verſchoͤ- nert werde, Und daß er gleichſam der Natur zu einem Werkzeug die- nen ſolle, Das ihr in ihren Wirkungen und ihre Ordnung auszu- richten Behuͤlflich ſey, und zugerichtet, daß er ihr helfen koͤnn’ und wolle? Doch ſcheint der Menſch ein ſolches Werkzeug, das, in Vollbringung ſeiner Pflichten, Ein eigenes Vergnuͤgen fuͤhlen, den Schoͤpfer kennen, ihn verehren, Jhn lieben und ihn loben kann. Ach moͤchte denn doch jedermann Die Pflicht verrichten, ſich vergnuͤgen, und Gottes Herr- lichkeit vermehren!
Geho-
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Vermiſchte Gedichte
Das vernuͤnftige Werkzeug.
Wenn ich den Menſchen, nach des Koͤrpers und ſeines
Geiſtes Kraft, betrachte,
Und, bey demſelbigen, die Abſicht, deß, welcher ihn ge-
macht, beachte;
So faͤllt, bey den Betrachtungen, mir dieſe Frage billig
ein:
Sollt etwan nicht der Menſch von Gott auch dazu mit
erſchaffen ſeyn,
Daß er der Erden Flaͤche ziere,
Veraͤnderung und Ordnung mache, die Kreatur dazu re-
giere,
Daß auf dem aͤußern Kreis der Erde
Das Schoͤne nicht allein erhalten, nein, alles noch verſchoͤ-
nert werde,
Und daß er gleichſam der Natur zu einem Werkzeug die-
nen ſolle,
Das ihr in ihren Wirkungen und ihre Ordnung auszu-
richten
Behuͤlflich ſey, und zugerichtet, daß er ihr helfen koͤnn’
und wolle?
Doch ſcheint der Menſch ein ſolches Werkzeug, das, in
Vollbringung ſeiner Pflichten,
Ein eigenes Vergnuͤgen fuͤhlen, den Schoͤpfer kennen,
ihn verehren,
Jhn lieben und ihn loben kann.
Ach moͤchte denn doch jedermann
Die Pflicht verrichten, ſich vergnuͤgen, und Gottes Herr-
lichkeit vermehren!
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/442>, abgerufen am 04.03.2025.
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