Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte
Gott so wohl im Kleinen, als im
Großen, groß.
Gott läßt, dergestalt, im Großen seiner Allmacht
Stralen scheinen,
Daß er kleiner nicht im Kleinen:
Das, was klein, ist, nach dem Umfang und nach seinen
eignen Größen,
Die so gar gering und winzig, eigentlich nicht abzumessen;
Sondern, nach der weisen Allmacht dessen, dem es einerley,
Ob ein Erdenkreis erschaffen, ob ein Staub bereitet sey.
Eben der, der eine Blume bildet, formet, färbt und zieret,
Hat den großen Sonnenkörper zugerichtet und formiret:
Eben der, der einen Engel in dem Reich des Lichts gemacht,
Hat auch diesen kleinen Wurm auf der Welt hervorgebracht.
Es kann auch die größte Größe Gott so wenig Ehre geben,
Noch (da für ihn nichtes groß) seine wahre Größ' erheben;
Als, die allerkleinste Kleinheit, die er einem Stoff be-
stimmt,
Seiner allgemeinen Vorsicht, Lieb und Allmacht etwas
nimmt.
Ja, wir sind fast, durch die Kleinheit, zur Bewundrung
mehr bewogen,
Da die Wunderkunst im Kleinen unsern Augen fast ent-
zogen,
Und nur bloß ein geistger Blick, was für Größ im Kleinen
steckt,
Mit erstaunendem Bewundern, unserm Gott zum Ruhm,
entdeckt.


Unter-
Vermiſchte Gedichte
Gott ſo wohl im Kleinen, als im
Großen, groß.
Gott laͤßt, dergeſtalt, im Großen ſeiner Allmacht
Stralen ſcheinen,
Daß er kleiner nicht im Kleinen:
Das, was klein, iſt, nach dem Umfang und nach ſeinen
eignen Groͤßen,
Die ſo gar gering und winzig, eigentlich nicht abzumeſſen;
Sondern, nach der weiſen Allmacht deſſen, dem es einerley,
Ob ein Erdenkreis erſchaffen, ob ein Staub bereitet ſey.
Eben der, der eine Blume bildet, formet, faͤrbt und zieret,
Hat den großen Sonnenkoͤrper zugerichtet und formiret:
Eben der, der einen Engel in dem Reich des Lichts gemacht,
Hat auch dieſen kleinen Wurm auf der Welt hervorgebracht.
Es kann auch die groͤßte Groͤße Gott ſo wenig Ehre geben,
Noch (da fuͤr ihn nichtes groß) ſeine wahre Groͤß’ erheben;
Als, die allerkleinſte Kleinheit, die er einem Stoff be-
ſtimmt,
Seiner allgemeinen Vorſicht, Lieb und Allmacht etwas
nimmt.
Ja, wir ſind faſt, durch die Kleinheit, zur Bewundrung
mehr bewogen,
Da die Wunderkunſt im Kleinen unſern Augen faſt ent-
zogen,
Und nur bloß ein geiſtger Blick, was fuͤr Groͤß im Kleinen
ſteckt,
Mit erſtaunendem Bewundern, unſerm Gott zum Ruhm,
entdeckt.


Unter-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0424" n="404"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Gott &#x017F;o wohl im Kleinen, als im</hi><lb/>
Großen, groß.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">G</hi>ott la&#x0364;ßt, derge&#x017F;talt, im Großen &#x017F;einer Allmacht</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Stralen &#x017F;cheinen,</hi> </l><lb/>
            <l>Daß er kleiner nicht im Kleinen:</l><lb/>
            <l>Das, was klein, i&#x017F;t, nach dem Umfang und nach &#x017F;einen</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">eignen Gro&#x0364;ßen,</hi> </l><lb/>
            <l>Die &#x017F;o gar gering und winzig, eigentlich nicht abzume&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Sondern, nach der wei&#x017F;en Allmacht de&#x017F;&#x017F;en, dem es einerley,</l><lb/>
            <l>Ob ein Erdenkreis er&#x017F;chaffen, ob ein Staub bereitet &#x017F;ey.</l><lb/>
            <l>Eben der, der eine Blume bildet, formet, fa&#x0364;rbt und zieret,</l><lb/>
            <l>Hat den großen Sonnenko&#x0364;rper zugerichtet und formiret:</l><lb/>
            <l>Eben der, der einen Engel in dem Reich des Lichts gemacht,</l><lb/>
            <l>Hat auch die&#x017F;en kleinen Wurm auf der Welt hervorgebracht.</l><lb/>
            <l>Es kann auch die gro&#x0364;ßte Gro&#x0364;ße Gott &#x017F;o wenig Ehre geben,</l><lb/>
            <l>Noch (da fu&#x0364;r ihn nichtes groß) &#x017F;eine wahre Gro&#x0364;ß&#x2019; erheben;</l><lb/>
            <l>Als, die allerklein&#x017F;te Kleinheit, die er einem Stoff be-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;timmt,</hi> </l><lb/>
            <l>Seiner allgemeinen Vor&#x017F;icht, Lieb und Allmacht etwas</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">nimmt.</hi> </l><lb/>
            <l>Ja, wir &#x017F;ind fa&#x017F;t, durch die Kleinheit, zur Bewundrung</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">mehr bewogen,</hi> </l><lb/>
            <l>Da die Wunderkun&#x017F;t im Kleinen un&#x017F;ern Augen fa&#x017F;t ent-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">zogen,</hi> </l><lb/>
            <l>Und nur bloß ein gei&#x017F;tger Blick, was fu&#x0364;r Gro&#x0364;ß im Kleinen</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;teckt,</hi> </l><lb/>
            <l>Mit er&#x017F;taunendem Bewundern, un&#x017F;erm Gott zum Ruhm,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">entdeckt.</hi> </l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Unter-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0424] Vermiſchte Gedichte Gott ſo wohl im Kleinen, als im Großen, groß. Gott laͤßt, dergeſtalt, im Großen ſeiner Allmacht Stralen ſcheinen, Daß er kleiner nicht im Kleinen: Das, was klein, iſt, nach dem Umfang und nach ſeinen eignen Groͤßen, Die ſo gar gering und winzig, eigentlich nicht abzumeſſen; Sondern, nach der weiſen Allmacht deſſen, dem es einerley, Ob ein Erdenkreis erſchaffen, ob ein Staub bereitet ſey. Eben der, der eine Blume bildet, formet, faͤrbt und zieret, Hat den großen Sonnenkoͤrper zugerichtet und formiret: Eben der, der einen Engel in dem Reich des Lichts gemacht, Hat auch dieſen kleinen Wurm auf der Welt hervorgebracht. Es kann auch die groͤßte Groͤße Gott ſo wenig Ehre geben, Noch (da fuͤr ihn nichtes groß) ſeine wahre Groͤß’ erheben; Als, die allerkleinſte Kleinheit, die er einem Stoff be- ſtimmt, Seiner allgemeinen Vorſicht, Lieb und Allmacht etwas nimmt. Ja, wir ſind faſt, durch die Kleinheit, zur Bewundrung mehr bewogen, Da die Wunderkunſt im Kleinen unſern Augen faſt ent- zogen, Und nur bloß ein geiſtger Blick, was fuͤr Groͤß im Kleinen ſteckt, Mit erſtaunendem Bewundern, unſerm Gott zum Ruhm, entdeckt. Unter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/424
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/424>, abgerufen am 30.12.2024.