Das Leben der Natur, die Sonne, hat nicht allein die holde Kraft, Daß sie erleuchtet, wärmt, befruchtet, belebet, nähret und beweget, Sie hat, nebst diesen, ebenfalls, daß sie berührt, um- giebet, träget, Erfüllt, durchdringet und erhält, zum Nutz der Welt die Eigenschaft; So daß, auf eine körperlich' und gleichsam fühlbar' Art und Weise, Sie alles fast scheint zu verrichten, was wir von Gott, zu seinem Preise, Jm Geistigen zu fassen glauben. Nur mit dem Unter- scheid allein, Daß, weil an ihr die Kräft' umschränkt, begränzt und nicht unendlich seyn, Sie, ganz begreiflich, von der Gottheit hierinn muß un- terschieden bleiben; Jmgleichen daß, so viel wir fassen und mit dem Schein der Wahrheit gläuben, Nicht Weisheit, Lieb und Sinnlichkeit in ihrem Wesen sich befindet.
Ob wir nun nicht, bey solchem Zustand, und, wenn man ihren Schein ergründet, Von unsrer Sonnen sagen müssen: Wie aller Kreatur das Leben Von unserm Gott verliehen ist und von dem Schöpfer wird gegeben; Daß sie, zu der Geschöpf Ersprießen und Wohlseyn, auf so mancher Erde,
So
Vermiſchte Gedichte
Die Sonne der Sonnen.
Das Leben der Natur, die Sonne, hat nicht allein die holde Kraft, Daß ſie erleuchtet, waͤrmt, befruchtet, belebet, naͤhret und beweget, Sie hat, nebſt dieſen, ebenfalls, daß ſie beruͤhrt, um- giebet, traͤget, Erfuͤllt, durchdringet und erhaͤlt, zum Nutz der Welt die Eigenſchaft; So daß, auf eine koͤrperlich’ und gleichſam fuͤhlbar’ Art und Weiſe, Sie alles faſt ſcheint zu verrichten, was wir von Gott, zu ſeinem Preiſe, Jm Geiſtigen zu faſſen glauben. Nur mit dem Unter- ſcheid allein, Daß, weil an ihr die Kraͤft’ umſchraͤnkt, begraͤnzt und nicht unendlich ſeyn, Sie, ganz begreiflich, von der Gottheit hierinn muß un- terſchieden bleiben; Jmgleichen daß, ſo viel wir faſſen und mit dem Schein der Wahrheit glaͤuben, Nicht Weisheit, Lieb und Sinnlichkeit in ihrem Weſen ſich befindet.
Ob wir nun nicht, bey ſolchem Zuſtand, und, wenn man ihren Schein ergruͤndet, Von unſrer Sonnen ſagen muͤſſen: Wie aller Kreatur das Leben Von unſerm Gott verliehen iſt und von dem Schoͤpfer wird gegeben; Daß ſie, zu der Geſchoͤpf Erſprießen und Wohlſeyn, auf ſo mancher Erde,
So
<TEI><text><body><divn="1"><pbn="380"facs="#f0400"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#b">Vermiſchte Gedichte</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Die Sonne der Sonnen.</hi></head><lb/><lgn="1"><l><hirendition="#in">D</hi>as Leben der Natur, die Sonne, hat nicht allein<lb/><hirendition="#et">die holde Kraft,</hi></l><lb/><l>Daß ſie erleuchtet, waͤrmt, befruchtet, belebet, naͤhret<lb/><hirendition="#et">und beweget,</hi></l><lb/><l>Sie hat, nebſt dieſen, ebenfalls, daß ſie beruͤhrt, um-<lb/><hirendition="#et">giebet, traͤget,</hi></l><lb/><l>Erfuͤllt, durchdringet und erhaͤlt, zum Nutz der Welt<lb/><hirendition="#et">die Eigenſchaft;</hi></l><lb/><l>So daß, auf eine koͤrperlich’ und gleichſam fuͤhlbar’ Art<lb/><hirendition="#et">und Weiſe,</hi></l><lb/><l>Sie alles faſt ſcheint zu verrichten, was wir von Gott,<lb/><hirendition="#et">zu ſeinem Preiſe,</hi></l><lb/><l>Jm Geiſtigen zu faſſen glauben. Nur mit dem Unter-<lb/><hirendition="#et">ſcheid allein,</hi></l><lb/><l>Daß, weil an ihr die Kraͤft’ umſchraͤnkt, begraͤnzt und<lb/><hirendition="#et">nicht unendlich ſeyn,</hi></l><lb/><l>Sie, ganz begreiflich, von der Gottheit hierinn muß un-<lb/><hirendition="#et">terſchieden bleiben;</hi></l><lb/><l>Jmgleichen daß, ſo viel wir faſſen und mit dem Schein<lb/><hirendition="#et">der Wahrheit glaͤuben,</hi></l><lb/><l>Nicht Weisheit, Lieb und Sinnlichkeit in ihrem Weſen<lb/><hirendition="#et">ſich befindet.</hi></l></lg><lb/><lgn="2"><l>Ob wir nun nicht, bey ſolchem Zuſtand, und, wenn<lb/><hirendition="#et">man ihren Schein ergruͤndet,</hi></l><lb/><l>Von unſrer Sonnen ſagen muͤſſen: Wie aller Kreatur<lb/><hirendition="#et">das Leben</hi></l><lb/><l>Von unſerm Gott verliehen iſt und von dem Schoͤpfer<lb/><hirendition="#et">wird gegeben;</hi></l><lb/><l>Daß ſie, zu der Geſchoͤpf Erſprießen und Wohlſeyn,<lb/><hirendition="#et">auf ſo mancher Erde,</hi></l></lg><lb/><fwtype="catch"place="bottom">So</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[380/0400]
Vermiſchte Gedichte
Die Sonne der Sonnen.
Das Leben der Natur, die Sonne, hat nicht allein
die holde Kraft,
Daß ſie erleuchtet, waͤrmt, befruchtet, belebet, naͤhret
und beweget,
Sie hat, nebſt dieſen, ebenfalls, daß ſie beruͤhrt, um-
giebet, traͤget,
Erfuͤllt, durchdringet und erhaͤlt, zum Nutz der Welt
die Eigenſchaft;
So daß, auf eine koͤrperlich’ und gleichſam fuͤhlbar’ Art
und Weiſe,
Sie alles faſt ſcheint zu verrichten, was wir von Gott,
zu ſeinem Preiſe,
Jm Geiſtigen zu faſſen glauben. Nur mit dem Unter-
ſcheid allein,
Daß, weil an ihr die Kraͤft’ umſchraͤnkt, begraͤnzt und
nicht unendlich ſeyn,
Sie, ganz begreiflich, von der Gottheit hierinn muß un-
terſchieden bleiben;
Jmgleichen daß, ſo viel wir faſſen und mit dem Schein
der Wahrheit glaͤuben,
Nicht Weisheit, Lieb und Sinnlichkeit in ihrem Weſen
ſich befindet.
Ob wir nun nicht, bey ſolchem Zuſtand, und, wenn
man ihren Schein ergruͤndet,
Von unſrer Sonnen ſagen muͤſſen: Wie aller Kreatur
das Leben
Von unſerm Gott verliehen iſt und von dem Schoͤpfer
wird gegeben;
Daß ſie, zu der Geſchoͤpf Erſprießen und Wohlſeyn,
auf ſo mancher Erde,
So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/400>, abgerufen am 04.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.