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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

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Vermischte Gedichte
Die Sonne der Sonnen.
Das Leben der Natur, die Sonne, hat nicht allein
die holde Kraft,

Daß sie erleuchtet, wärmt, befruchtet, belebet, nähret
und beweget,

Sie hat, nebst diesen, ebenfalls, daß sie berührt, um-
giebet, träget,

Erfüllt, durchdringet und erhält, zum Nutz der Welt
die Eigenschaft;

So daß, auf eine körperlich' und gleichsam fühlbar' Art
und Weise,

Sie alles fast scheint zu verrichten, was wir von Gott,
zu seinem Preise,

Jm Geistigen zu fassen glauben. Nur mit dem Unter-
scheid allein,

Daß, weil an ihr die Kräft' umschränkt, begränzt und
nicht unendlich seyn,

Sie, ganz begreiflich, von der Gottheit hierinn muß un-
terschieden bleiben;

Jmgleichen daß, so viel wir fassen und mit dem Schein
der Wahrheit gläuben,

Nicht Weisheit, Lieb und Sinnlichkeit in ihrem Wesen
sich befindet.
Ob wir nun nicht, bey solchem Zustand, und, wenn
man ihren Schein ergründet,

Von unsrer Sonnen sagen müssen: Wie aller Kreatur
das Leben

Von unserm Gott verliehen ist und von dem Schöpfer
wird gegeben;

Daß sie, zu der Geschöpf Ersprießen und Wohlseyn,
auf so mancher Erde,
So
Vermiſchte Gedichte
Die Sonne der Sonnen.
Das Leben der Natur, die Sonne, hat nicht allein
die holde Kraft,

Daß ſie erleuchtet, waͤrmt, befruchtet, belebet, naͤhret
und beweget,

Sie hat, nebſt dieſen, ebenfalls, daß ſie beruͤhrt, um-
giebet, traͤget,

Erfuͤllt, durchdringet und erhaͤlt, zum Nutz der Welt
die Eigenſchaft;

So daß, auf eine koͤrperlich’ und gleichſam fuͤhlbar’ Art
und Weiſe,

Sie alles faſt ſcheint zu verrichten, was wir von Gott,
zu ſeinem Preiſe,

Jm Geiſtigen zu faſſen glauben. Nur mit dem Unter-
ſcheid allein,

Daß, weil an ihr die Kraͤft’ umſchraͤnkt, begraͤnzt und
nicht unendlich ſeyn,

Sie, ganz begreiflich, von der Gottheit hierinn muß un-
terſchieden bleiben;

Jmgleichen daß, ſo viel wir faſſen und mit dem Schein
der Wahrheit glaͤuben,

Nicht Weisheit, Lieb und Sinnlichkeit in ihrem Weſen
ſich befindet.
Ob wir nun nicht, bey ſolchem Zuſtand, und, wenn
man ihren Schein ergruͤndet,

Von unſrer Sonnen ſagen muͤſſen: Wie aller Kreatur
das Leben

Von unſerm Gott verliehen iſt und von dem Schoͤpfer
wird gegeben;

Daß ſie, zu der Geſchoͤpf Erſprießen und Wohlſeyn,
auf ſo mancher Erde,
So
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[380/0400] Vermiſchte Gedichte Die Sonne der Sonnen. Das Leben der Natur, die Sonne, hat nicht allein die holde Kraft, Daß ſie erleuchtet, waͤrmt, befruchtet, belebet, naͤhret und beweget, Sie hat, nebſt dieſen, ebenfalls, daß ſie beruͤhrt, um- giebet, traͤget, Erfuͤllt, durchdringet und erhaͤlt, zum Nutz der Welt die Eigenſchaft; So daß, auf eine koͤrperlich’ und gleichſam fuͤhlbar’ Art und Weiſe, Sie alles faſt ſcheint zu verrichten, was wir von Gott, zu ſeinem Preiſe, Jm Geiſtigen zu faſſen glauben. Nur mit dem Unter- ſcheid allein, Daß, weil an ihr die Kraͤft’ umſchraͤnkt, begraͤnzt und nicht unendlich ſeyn, Sie, ganz begreiflich, von der Gottheit hierinn muß un- terſchieden bleiben; Jmgleichen daß, ſo viel wir faſſen und mit dem Schein der Wahrheit glaͤuben, Nicht Weisheit, Lieb und Sinnlichkeit in ihrem Weſen ſich befindet. Ob wir nun nicht, bey ſolchem Zuſtand, und, wenn man ihren Schein ergruͤndet, Von unſrer Sonnen ſagen muͤſſen: Wie aller Kreatur das Leben Von unſerm Gott verliehen iſt und von dem Schoͤpfer wird gegeben; Daß ſie, zu der Geſchoͤpf Erſprießen und Wohlſeyn, auf ſo mancher Erde, So

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/400>, abgerufen am 30.12.2024.