Daß aller Blumen bunte Pracht Für Menschen ganz allein gemacht; Davon legt die Betrachtung mir Den kräftigsten Beweisthum für: Wenn sich der Mensch vom Schlaf erhebet, Scheint die auch aufgewachte Schaar, Die in der Nacht geschlossen war, Aufs neu verschönert und belebet. Sie scheint sich ämsig zu bemühn, Auch ihrer Ruh sich zu entziehn, Und die verschloßne Lieblichkeiten, Jn ihren Blättern, zu verbreiten. Sie legen ihre bunte Zier Zum Gegenwurf der Sonne für, Die sie, bald durch- bald angestralet, Zu unsrer Lust stets schöner mahlet, Um nur aus ihren innern Schätzen Nach Möglichkeit uns zu ergetzen. Gehn wir des Abends nun zur Ruh, So schließen sich die Blumen zu, Als wenn sie gleichsam zeigen wollen: Daß sie für uns nur blühen sollen, Daß, wenn der Menschen Aug' ihr Prangen Nicht sehn, betrachten, und daran Nicht ferner sich ergetzen kann, Sie auch zu prangen nicht verlangen. Mich deucht, daß diese neue Spur Der Ordnung in der Kreatur Von neuem eine Probe giebet, Wie sehr uns unser Schöpfer liebet.
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Vermiſchte Gedichte
Beweis goͤttlicher Guͤte.
Daß aller Blumen bunte Pracht Fuͤr Menſchen ganz allein gemacht; Davon legt die Betrachtung mir Den kraͤftigſten Beweisthum fuͤr: Wenn ſich der Menſch vom Schlaf erhebet, Scheint die auch aufgewachte Schaar, Die in der Nacht geſchloſſen war, Aufs neu verſchoͤnert und belebet. Sie ſcheint ſich aͤmſig zu bemuͤhn, Auch ihrer Ruh ſich zu entziehn, Und die verſchloßne Lieblichkeiten, Jn ihren Blaͤttern, zu verbreiten. Sie legen ihre bunte Zier Zum Gegenwurf der Sonne fuͤr, Die ſie, bald durch- bald angeſtralet, Zu unſrer Luſt ſtets ſchoͤner mahlet, Um nur aus ihren innern Schaͤtzen Nach Moͤglichkeit uns zu ergetzen. Gehn wir des Abends nun zur Ruh, So ſchließen ſich die Blumen zu, Als wenn ſie gleichſam zeigen wollen: Daß ſie fuͤr uns nur bluͤhen ſollen, Daß, wenn der Menſchen Aug’ ihr Prangen Nicht ſehn, betrachten, und daran Nicht ferner ſich ergetzen kann, Sie auch zu prangen nicht verlangen. Mich deucht, daß dieſe neue Spur Der Ordnung in der Kreatur Von neuem eine Probe giebet, Wie ſehr uns unſer Schoͤpfer liebet.
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Vermiſchte Gedichte
Beweis goͤttlicher Guͤte.
Daß aller Blumen bunte Pracht
Fuͤr Menſchen ganz allein gemacht;
Davon legt die Betrachtung mir
Den kraͤftigſten Beweisthum fuͤr:
Wenn ſich der Menſch vom Schlaf erhebet,
Scheint die auch aufgewachte Schaar,
Die in der Nacht geſchloſſen war,
Aufs neu verſchoͤnert und belebet.
Sie ſcheint ſich aͤmſig zu bemuͤhn,
Auch ihrer Ruh ſich zu entziehn,
Und die verſchloßne Lieblichkeiten,
Jn ihren Blaͤttern, zu verbreiten.
Sie legen ihre bunte Zier
Zum Gegenwurf der Sonne fuͤr,
Die ſie, bald durch- bald angeſtralet,
Zu unſrer Luſt ſtets ſchoͤner mahlet,
Um nur aus ihren innern Schaͤtzen
Nach Moͤglichkeit uns zu ergetzen.
Gehn wir des Abends nun zur Ruh,
So ſchließen ſich die Blumen zu,
Als wenn ſie gleichſam zeigen wollen:
Daß ſie fuͤr uns nur bluͤhen ſollen,
Daß, wenn der Menſchen Aug’ ihr Prangen
Nicht ſehn, betrachten, und daran
Nicht ferner ſich ergetzen kann,
Sie auch zu prangen nicht verlangen.
Mich deucht, daß dieſe neue Spur
Der Ordnung in der Kreatur
Von neuem eine Probe giebet,
Wie ſehr uns unſer Schoͤpfer liebet.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/398>, abgerufen am 22.02.2025.
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