Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte
Beweis göttlicher Güte.
Daß aller Blumen bunte Pracht
Für Menschen ganz allein gemacht;
Davon legt die Betrachtung mir
Den kräftigsten Beweisthum für:
Wenn sich der Mensch vom Schlaf erhebet,
Scheint die auch aufgewachte Schaar,
Die in der Nacht geschlossen war,
Aufs neu verschönert und belebet.
Sie scheint sich ämsig zu bemühn,
Auch ihrer Ruh sich zu entziehn,
Und die verschloßne Lieblichkeiten,
Jn ihren Blättern, zu verbreiten.
Sie legen ihre bunte Zier
Zum Gegenwurf der Sonne für,
Die sie, bald durch- bald angestralet,
Zu unsrer Lust stets schöner mahlet,
Um nur aus ihren innern Schätzen
Nach Möglichkeit uns zu ergetzen.
Gehn wir des Abends nun zur Ruh,
So schließen sich die Blumen zu,
Als wenn sie gleichsam zeigen wollen:
Daß sie für uns nur blühen sollen,
Daß, wenn der Menschen Aug' ihr Prangen
Nicht sehn, betrachten, und daran
Nicht ferner sich ergetzen kann,
Sie auch zu prangen nicht verlangen.
Mich deucht, daß diese neue Spur
Der Ordnung in der Kreatur
Von neuem eine Probe giebet,
Wie sehr uns unser Schöpfer liebet.
Nutzen
Vermiſchte Gedichte
Beweis goͤttlicher Guͤte.
Daß aller Blumen bunte Pracht
Fuͤr Menſchen ganz allein gemacht;
Davon legt die Betrachtung mir
Den kraͤftigſten Beweisthum fuͤr:
Wenn ſich der Menſch vom Schlaf erhebet,
Scheint die auch aufgewachte Schaar,
Die in der Nacht geſchloſſen war,
Aufs neu verſchoͤnert und belebet.
Sie ſcheint ſich aͤmſig zu bemuͤhn,
Auch ihrer Ruh ſich zu entziehn,
Und die verſchloßne Lieblichkeiten,
Jn ihren Blaͤttern, zu verbreiten.
Sie legen ihre bunte Zier
Zum Gegenwurf der Sonne fuͤr,
Die ſie, bald durch- bald angeſtralet,
Zu unſrer Luſt ſtets ſchoͤner mahlet,
Um nur aus ihren innern Schaͤtzen
Nach Moͤglichkeit uns zu ergetzen.
Gehn wir des Abends nun zur Ruh,
So ſchließen ſich die Blumen zu,
Als wenn ſie gleichſam zeigen wollen:
Daß ſie fuͤr uns nur bluͤhen ſollen,
Daß, wenn der Menſchen Aug’ ihr Prangen
Nicht ſehn, betrachten, und daran
Nicht ferner ſich ergetzen kann,
Sie auch zu prangen nicht verlangen.
Mich deucht, daß dieſe neue Spur
Der Ordnung in der Kreatur
Von neuem eine Probe giebet,
Wie ſehr uns unſer Schoͤpfer liebet.
Nutzen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0398" n="378"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Beweis go&#x0364;ttlicher Gu&#x0364;te.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>aß aller Blumen bunte Pracht</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;r Men&#x017F;chen ganz allein gemacht;</l><lb/>
            <l>Davon legt die Betrachtung mir</l><lb/>
            <l>Den kra&#x0364;ftig&#x017F;ten Beweisthum fu&#x0364;r:</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ich der Men&#x017F;ch vom Schlaf erhebet,</l><lb/>
            <l>Scheint die auch aufgewachte Schaar,</l><lb/>
            <l>Die in der Nacht ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en war,</l><lb/>
            <l>Aufs neu ver&#x017F;cho&#x0364;nert und belebet.</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;cheint &#x017F;ich a&#x0364;m&#x017F;ig zu bemu&#x0364;hn,</l><lb/>
            <l>Auch ihrer Ruh &#x017F;ich zu entziehn,</l><lb/>
            <l>Und die ver&#x017F;chloßne Lieblichkeiten,</l><lb/>
            <l>Jn ihren Bla&#x0364;ttern, zu verbreiten.</l><lb/>
            <l>Sie legen ihre bunte Zier</l><lb/>
            <l>Zum Gegenwurf der Sonne fu&#x0364;r,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;ie, bald durch- bald ange&#x017F;tralet,</l><lb/>
            <l>Zu un&#x017F;rer Lu&#x017F;t &#x017F;tets &#x017F;cho&#x0364;ner mahlet,</l><lb/>
            <l>Um nur aus ihren innern Scha&#x0364;tzen</l><lb/>
            <l>Nach Mo&#x0364;glichkeit uns zu ergetzen.</l><lb/>
            <l>Gehn wir des Abends nun zur Ruh,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;chließen &#x017F;ich die Blumen zu,</l><lb/>
            <l>Als wenn &#x017F;ie gleich&#x017F;am zeigen wollen:</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ie fu&#x0364;r uns nur blu&#x0364;hen &#x017F;ollen,</l><lb/>
            <l>Daß, wenn der Men&#x017F;chen Aug&#x2019; ihr Prangen</l><lb/>
            <l>Nicht &#x017F;ehn, betrachten, und daran</l><lb/>
            <l>Nicht ferner &#x017F;ich ergetzen kann,</l><lb/>
            <l>Sie auch zu prangen nicht verlangen.</l><lb/>
            <l>Mich deucht, daß die&#x017F;e neue Spur</l><lb/>
            <l>Der Ordnung in der Kreatur</l><lb/>
            <l>Von neuem eine Probe giebet,</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ehr uns un&#x017F;er Scho&#x0364;pfer liebet.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Nutzen</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0398] Vermiſchte Gedichte Beweis goͤttlicher Guͤte. Daß aller Blumen bunte Pracht Fuͤr Menſchen ganz allein gemacht; Davon legt die Betrachtung mir Den kraͤftigſten Beweisthum fuͤr: Wenn ſich der Menſch vom Schlaf erhebet, Scheint die auch aufgewachte Schaar, Die in der Nacht geſchloſſen war, Aufs neu verſchoͤnert und belebet. Sie ſcheint ſich aͤmſig zu bemuͤhn, Auch ihrer Ruh ſich zu entziehn, Und die verſchloßne Lieblichkeiten, Jn ihren Blaͤttern, zu verbreiten. Sie legen ihre bunte Zier Zum Gegenwurf der Sonne fuͤr, Die ſie, bald durch- bald angeſtralet, Zu unſrer Luſt ſtets ſchoͤner mahlet, Um nur aus ihren innern Schaͤtzen Nach Moͤglichkeit uns zu ergetzen. Gehn wir des Abends nun zur Ruh, So ſchließen ſich die Blumen zu, Als wenn ſie gleichſam zeigen wollen: Daß ſie fuͤr uns nur bluͤhen ſollen, Daß, wenn der Menſchen Aug’ ihr Prangen Nicht ſehn, betrachten, und daran Nicht ferner ſich ergetzen kann, Sie auch zu prangen nicht verlangen. Mich deucht, daß dieſe neue Spur Der Ordnung in der Kreatur Von neuem eine Probe giebet, Wie ſehr uns unſer Schoͤpfer liebet. Nutzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/398
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/398>, abgerufen am 21.12.2024.