Jm Sommer, wie ich jüngst im Garten auf viele Blumen Achtung gab; Riß meinen Blick ein blendend Blitzen von allen andern Blumen ab, Auf ihr schneeweißes Licht allein. Jch stutzt'. Jhr heller reiner Schein Zwang mich, auf einmal still zu stehen, Und ihr ausnehmend schimmernd Glänzen mit ernsten Blicken anzusehen. Jch stand denn und bewunderte derselben Form und Farben Zier. Doch, weil das Wetter kalt und windig und ziemlich stürmisch, riethe mir Mein Mieken, meine jüngste Tochter, nicht lange bey ihr stehn zu bleiben, Sie wollte, wenn es mir gefällig sie zu besehn und zu beschreiben, Derselben unterschiedne pflücken, und sie mir in mein Zimmer bringen. Jch folgte dem gegebnen Rath, Und, wie sie das, was sie versprochen, darauf auch un- gesäumet that, Fing ich, mit innigem Vergnügen, derselben Schönheit zu besingen, Und folgends zu beschreiben, an: Wie bist du doch so schimmerreich, Fast blendend Blümchen! wie so schön! Dir sind an hell- und reiner Weiße kein Tlaspiß, keine Liljen gleich.
Die
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die weiße Calendula.
Jm Sommer, wie ich juͤngſt im Garten auf viele Blumen Achtung gab; Riß meinen Blick ein blendend Blitzen von allen andern Blumen ab, Auf ihr ſchneeweißes Licht allein. Jch ſtutzt’. Jhr heller reiner Schein Zwang mich, auf einmal ſtill zu ſtehen, Und ihr ausnehmend ſchimmernd Glaͤnzen mit ernſten Blicken anzuſehen. Jch ſtand denn und bewunderte derſelben Form und Farben Zier. Doch, weil das Wetter kalt und windig und ziemlich ſtuͤrmiſch, riethe mir Mein Mieken, meine juͤngſte Tochter, nicht lange bey ihr ſtehn zu bleiben, Sie wollte, wenn es mir gefaͤllig ſie zu beſehn und zu beſchreiben, Derſelben unterſchiedne pfluͤcken, und ſie mir in mein Zimmer bringen. Jch folgte dem gegebnen Rath, Und, wie ſie das, was ſie verſprochen, darauf auch un- geſaͤumet that, Fing ich, mit innigem Vergnuͤgen, derſelben Schoͤnheit zu beſingen, Und folgends zu beſchreiben, an: Wie biſt du doch ſo ſchimmerreich, Faſt blendend Bluͤmchen! wie ſo ſchoͤn! Dir ſind an hell- und reiner Weiße kein Tlaspiß, keine Liljen gleich.
Die
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die weiße Calendula.
Jm Sommer, wie ich juͤngſt im Garten auf viele
Blumen Achtung gab;
Riß meinen Blick ein blendend Blitzen von allen andern
Blumen ab,
Auf ihr ſchneeweißes Licht allein.
Jch ſtutzt’. Jhr heller reiner Schein
Zwang mich, auf einmal ſtill zu ſtehen,
Und ihr ausnehmend ſchimmernd Glaͤnzen mit ernſten
Blicken anzuſehen.
Jch ſtand denn und bewunderte derſelben Form und
Farben Zier.
Doch, weil das Wetter kalt und windig und ziemlich
ſtuͤrmiſch, riethe mir
Mein Mieken, meine juͤngſte Tochter, nicht lange bey
ihr ſtehn zu bleiben,
Sie wollte, wenn es mir gefaͤllig ſie zu beſehn und
zu beſchreiben,
Derſelben unterſchiedne pfluͤcken, und ſie mir in mein
Zimmer bringen.
Jch folgte dem gegebnen Rath,
Und, wie ſie das, was ſie verſprochen, darauf auch un-
geſaͤumet that,
Fing ich, mit innigem Vergnuͤgen, derſelben Schoͤnheit
zu beſingen,
Und folgends zu beſchreiben, an: Wie biſt du doch ſo
ſchimmerreich,
Faſt blendend Bluͤmchen! wie ſo ſchoͤn!
Dir ſind an hell- und reiner Weiße kein Tlaspiß, keine
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/393>, abgerufen am 04.03.2025.
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