Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
zum irdischen Vergnügen in Gott.
Die weiße Calendula.
Jm Sommer, wie ich jüngst im Garten auf viele
Blumen Achtung gab;

Riß meinen Blick ein blendend Blitzen von allen andern
Blumen ab,

Auf ihr schneeweißes Licht allein.
Jch stutzt'. Jhr heller reiner Schein
Zwang mich, auf einmal still zu stehen,
Und ihr ausnehmend schimmernd Glänzen mit ernsten
Blicken anzusehen.

Jch stand denn und bewunderte derselben Form und
Farben Zier.

Doch, weil das Wetter kalt und windig und ziemlich
stürmisch, riethe mir

Mein Mieken, meine jüngste Tochter, nicht lange bey
ihr stehn zu bleiben,

Sie wollte, wenn es mir gefällig sie zu besehn und
zu beschreiben,

Derselben unterschiedne pflücken, und sie mir in mein
Zimmer bringen.

Jch folgte dem gegebnen Rath,
Und, wie sie das, was sie versprochen, darauf auch un-
gesäumet that,

Fing ich, mit innigem Vergnügen, derselben Schönheit
zu besingen,

Und folgends zu beschreiben, an: Wie bist du doch so
schimmerreich,

Fast blendend Blümchen! wie so schön!
Dir sind an hell- und reiner Weiße kein Tlaspiß, keine
Liljen gleich.
Die
A a 3
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die weiße Calendula.
Jm Sommer, wie ich juͤngſt im Garten auf viele
Blumen Achtung gab;

Riß meinen Blick ein blendend Blitzen von allen andern
Blumen ab,

Auf ihr ſchneeweißes Licht allein.
Jch ſtutzt’. Jhr heller reiner Schein
Zwang mich, auf einmal ſtill zu ſtehen,
Und ihr ausnehmend ſchimmernd Glaͤnzen mit ernſten
Blicken anzuſehen.

Jch ſtand denn und bewunderte derſelben Form und
Farben Zier.

Doch, weil das Wetter kalt und windig und ziemlich
ſtuͤrmiſch, riethe mir

Mein Mieken, meine juͤngſte Tochter, nicht lange bey
ihr ſtehn zu bleiben,

Sie wollte, wenn es mir gefaͤllig ſie zu beſehn und
zu beſchreiben,

Derſelben unterſchiedne pfluͤcken, und ſie mir in mein
Zimmer bringen.

Jch folgte dem gegebnen Rath,
Und, wie ſie das, was ſie verſprochen, darauf auch un-
geſaͤumet that,

Fing ich, mit innigem Vergnuͤgen, derſelben Schoͤnheit
zu beſingen,

Und folgends zu beſchreiben, an: Wie biſt du doch ſo
ſchimmerreich,

Faſt blendend Bluͤmchen! wie ſo ſchoͤn!
Dir ſind an hell- und reiner Weiße kein Tlaspiß, keine
Liljen gleich.
Die
A a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0393" n="373"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">zum irdi&#x017F;chen Vergnu&#x0364;gen in Gott.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die weiße Calendula.</hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">J</hi>m Sommer, wie ich ju&#x0364;ng&#x017F;t im Garten auf viele<lb/><hi rendition="#et">Blumen Achtung gab;</hi></l><lb/>
            <l>Riß meinen Blick ein blendend Blitzen von allen andern<lb/><hi rendition="#et">Blumen ab,</hi></l><lb/>
            <l>Auf ihr &#x017F;chneeweißes Licht allein.</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;tutzt&#x2019;. Jhr heller reiner Schein</l><lb/>
            <l>Zwang mich, auf einmal &#x017F;till zu &#x017F;tehen,</l><lb/>
            <l>Und ihr ausnehmend &#x017F;chimmernd Gla&#x0364;nzen mit ern&#x017F;ten<lb/><hi rendition="#et">Blicken anzu&#x017F;ehen.</hi></l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;tand denn und bewunderte der&#x017F;elben Form und<lb/><hi rendition="#et">Farben Zier.</hi></l><lb/>
            <l>Doch, weil das Wetter kalt und windig und ziemlich<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ch, riethe mir</hi></l><lb/>
            <l>Mein Mieken, meine ju&#x0364;ng&#x017F;te Tochter, nicht lange bey<lb/><hi rendition="#et">ihr &#x017F;tehn zu bleiben,</hi></l><lb/>
            <l>Sie wollte, wenn es mir gefa&#x0364;llig &#x017F;ie zu be&#x017F;ehn und<lb/><hi rendition="#et">zu be&#x017F;chreiben,</hi></l><lb/>
            <l>Der&#x017F;elben unter&#x017F;chiedne pflu&#x0364;cken, und &#x017F;ie mir in mein<lb/><hi rendition="#et">Zimmer bringen.</hi></l><lb/>
            <l>Jch folgte dem gegebnen Rath,</l><lb/>
            <l>Und, wie &#x017F;ie das, was &#x017F;ie ver&#x017F;prochen, darauf auch un-<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;a&#x0364;umet that,</hi></l><lb/>
            <l>Fing ich, mit innigem Vergnu&#x0364;gen, der&#x017F;elben Scho&#x0364;nheit<lb/><hi rendition="#et">zu be&#x017F;ingen,</hi></l><lb/>
            <l>Und folgends zu be&#x017F;chreiben, an: Wie bi&#x017F;t du doch &#x017F;o<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chimmerreich,</hi></l><lb/>
            <l>Fa&#x017F;t blendend Blu&#x0364;mchen! wie &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n!</l><lb/>
            <l>Dir &#x017F;ind an hell- und reiner Weiße kein Tlaspiß, keine<lb/><hi rendition="#et">Liljen gleich.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">A a 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0393] zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Die weiße Calendula. Jm Sommer, wie ich juͤngſt im Garten auf viele Blumen Achtung gab; Riß meinen Blick ein blendend Blitzen von allen andern Blumen ab, Auf ihr ſchneeweißes Licht allein. Jch ſtutzt’. Jhr heller reiner Schein Zwang mich, auf einmal ſtill zu ſtehen, Und ihr ausnehmend ſchimmernd Glaͤnzen mit ernſten Blicken anzuſehen. Jch ſtand denn und bewunderte derſelben Form und Farben Zier. Doch, weil das Wetter kalt und windig und ziemlich ſtuͤrmiſch, riethe mir Mein Mieken, meine juͤngſte Tochter, nicht lange bey ihr ſtehn zu bleiben, Sie wollte, wenn es mir gefaͤllig ſie zu beſehn und zu beſchreiben, Derſelben unterſchiedne pfluͤcken, und ſie mir in mein Zimmer bringen. Jch folgte dem gegebnen Rath, Und, wie ſie das, was ſie verſprochen, darauf auch un- geſaͤumet that, Fing ich, mit innigem Vergnuͤgen, derſelben Schoͤnheit zu beſingen, Und folgends zu beſchreiben, an: Wie biſt du doch ſo ſchimmerreich, Faſt blendend Bluͤmchen! wie ſo ſchoͤn! Dir ſind an hell- und reiner Weiße kein Tlaspiß, keine Liljen gleich. Die A a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/393
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/393>, abgerufen am 30.12.2024.