Nachdem ich die schon welke Staude der blaulichten Campanula, (Wofür ich sie zu anfangs hielte; da doch der Blume rech- ter Name Viola Mariana heißt, den sie vor Alters überkame) Mit einiger Aufmerksamkeit in meinem Garten, jüngst besah, Die eben, durch ihr schmuzigs Ansehn, und falbes Braun- roth, meine Blicke Von andern schönen grünen Pflanzen, wovon sie abstach, weg, zurücke Und mit Gewalt fast auf sich zog, Und ich, um sie recht zu betrachten, mich schnell nach ihr herunter bog, Erschrack ich fast, wie an derselben ich von dem Finger der Natur Ein' außerordentlich formirt' und nett gebogene Figur, Die fremd und seltsam, und dennoch von zierlicher Erfin- dung, sah: Die, sonder Farbe, doch gefällig. Denn ihre vormals schöne Blüte, Die jüngst in purpurfärbigem und gleichsam blauem Feuer glühte, War abgefallen, welk, verschrumpft und ihre Schönheit nicht mehr da. Allein die Bildung ihres Fußes war so verwunderlich formiret, Daß sie fast gar nicht zu beschreiben. Von oben formt ein fünffach Blatt
Zwar
Vermiſchte Gedichte
Viola Mariana.
Nachdem ich die ſchon welke Staude der blaulichten Campanula, (Wofuͤr ich ſie zu anfangs hielte; da doch der Blume rech- ter Name Viola Mariana heißt, den ſie vor Alters uͤberkame) Mit einiger Aufmerkſamkeit in meinem Garten, juͤngſt beſah, Die eben, durch ihr ſchmuzigs Anſehn, und falbes Braun- roth, meine Blicke Von andern ſchoͤnen gruͤnen Pflanzen, wovon ſie abſtach, weg, zuruͤcke Und mit Gewalt faſt auf ſich zog, Und ich, um ſie recht zu betrachten, mich ſchnell nach ihr herunter bog, Erſchrack ich faſt, wie an derſelben ich von dem Finger der Natur Ein’ außerordentlich formirt’ und nett gebogene Figur, Die fremd und ſeltſam, und dennoch von zierlicher Erfin- dung, ſah: Die, ſonder Farbe, doch gefaͤllig. Denn ihre vormals ſchoͤne Bluͤte, Die juͤngſt in purpurfaͤrbigem und gleichſam blauem Feuer gluͤhte, War abgefallen, welk, verſchrumpft und ihre Schoͤnheit nicht mehr da. Allein die Bildung ihres Fußes war ſo verwunderlich formiret, Daß ſie faſt gar nicht zu beſchreiben. Von oben formt ein fuͤnffach Blatt
Zwar
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Vermiſchte Gedichte
Viola Mariana.
Nachdem ich die ſchon welke Staude der blaulichten
Campanula,
(Wofuͤr ich ſie zu anfangs hielte; da doch der Blume rech-
ter Name
Viola Mariana heißt, den ſie vor Alters uͤberkame)
Mit einiger Aufmerkſamkeit in meinem Garten, juͤngſt
beſah,
Die eben, durch ihr ſchmuzigs Anſehn, und falbes Braun-
roth, meine Blicke
Von andern ſchoͤnen gruͤnen Pflanzen, wovon ſie abſtach,
weg, zuruͤcke
Und mit Gewalt faſt auf ſich zog,
Und ich, um ſie recht zu betrachten, mich ſchnell nach ihr
herunter bog,
Erſchrack ich faſt, wie an derſelben ich von dem Finger
der Natur
Ein’ außerordentlich formirt’ und nett gebogene Figur,
Die fremd und ſeltſam, und dennoch von zierlicher Erfin-
dung, ſah:
Die, ſonder Farbe, doch gefaͤllig. Denn ihre vormals
ſchoͤne Bluͤte,
Die juͤngſt in purpurfaͤrbigem und gleichſam blauem Feuer
gluͤhte,
War abgefallen, welk, verſchrumpft und ihre Schoͤnheit
nicht mehr da.
Allein die Bildung ihres Fußes war ſo verwunderlich
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/390>, abgerufen am 22.02.2025.
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