Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.Betrachtungen Der Jgel. Unmöglich kann man dieß Geschöpf ohn einige Be- wundrung sehn, Als dessen sonderlicher Körper, zumalen wie er einge- kleidet, Von allen uns bekannten Thieren verwunderlich sich un- terscheidet. Man sieht auf seiner ganzen Haut, anstatt der Haare, Hörner stehn, Die ihn auf eine Weise schützen und so für allen Anfall decken, Daß es nur seltene Gefahren, die ihm bedrohen und ihn schrecken. Es wird, in dieses Thierchens Bildung, ein recht ab- sichtlicher Verstand, Ein richtig überlegter Endzweck, vor vielen andern noch erkannt. Der ungezählten harten, starren und sonderbaren Sta- cheln Spitzen, Die zur Erhaltung ihm so nöthig, und die ihn rings umgeben, sitzen Jn seiner Haut so ordentlich, und so beweglich einge- senkt, Daß er dieselbe, nach Gefallen, erhebt, sie durch ein- ander schrenkt, Verbreitet, spreizt und von sich strecket, auch schnell sie wieder niederleget, Und sie, dem Schein nach sonder Ordnung, dennoch ganz ordentlich beweget. Er richtet aus sich selber gleichsam lebend'ge Palisaden auf; Er
Betrachtungen Der Jgel. Unmoͤglich kann man dieß Geſchoͤpf ohn einige Be- wundrung ſehn, Als deſſen ſonderlicher Koͤrper, zumalen wie er einge- kleidet, Von allen uns bekannten Thieren verwunderlich ſich un- terſcheidet. Man ſieht auf ſeiner ganzen Haut, anſtatt der Haare, Hoͤrner ſtehn, Die ihn auf eine Weiſe ſchuͤtzen und ſo fuͤr allen Anfall decken, Daß es nur ſeltene Gefahren, die ihm bedrohen und ihn ſchrecken. Es wird, in dieſes Thierchens Bildung, ein recht ab- ſichtlicher Verſtand, Ein richtig uͤberlegter Endzweck, vor vielen andern noch erkannt. Der ungezaͤhlten harten, ſtarren und ſonderbaren Sta- cheln Spitzen, Die zur Erhaltung ihm ſo noͤthig, und die ihn rings umgeben, ſitzen Jn ſeiner Haut ſo ordentlich, und ſo beweglich einge- ſenkt, Daß er dieſelbe, nach Gefallen, erhebt, ſie durch ein- ander ſchrenkt, Verbreitet, ſpreizt und von ſich ſtrecket, auch ſchnell ſie wieder niederleget, Und ſie, dem Schein nach ſonder Ordnung, dennoch ganz ordentlich beweget. Er richtet aus ſich ſelber gleichſam lebend’ge Paliſaden auf; Er
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0322" n="302"/> <fw place="top" type="header">Betrachtungen</fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Der Jgel</hi>.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">U</hi>nmoͤglich kann man dieß Geſchoͤpf ohn einige Be-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">wundrung ſehn,</hi> </l><lb/> <l>Als deſſen ſonderlicher Koͤrper, zumalen wie er einge-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">kleidet,</hi> </l><lb/> <l>Von allen uns bekannten Thieren verwunderlich ſich un-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">terſcheidet.</hi> </l><lb/> <l>Man ſieht auf ſeiner ganzen Haut, anſtatt der Haare,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Hoͤrner ſtehn,</hi> </l><lb/> <l>Die ihn auf eine Weiſe ſchuͤtzen und ſo fuͤr allen Anfall</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">decken,</hi> </l><lb/> <l>Daß es nur ſeltene Gefahren, die ihm bedrohen und ihn</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſchrecken.</hi> </l><lb/> <l>Es wird, in dieſes Thierchens Bildung, ein recht ab-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſichtlicher Verſtand,</hi> </l><lb/> <l>Ein richtig uͤberlegter Endzweck, vor vielen andern noch</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">erkannt.</hi> </l><lb/> <l>Der ungezaͤhlten harten, ſtarren und ſonderbaren Sta-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">cheln Spitzen,</hi> </l><lb/> <l>Die zur Erhaltung ihm ſo noͤthig, und die ihn rings</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">umgeben, ſitzen</hi> </l><lb/> <l>Jn ſeiner Haut ſo ordentlich, und ſo beweglich einge-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſenkt,</hi> </l><lb/> <l>Daß er dieſelbe, nach Gefallen, erhebt, ſie durch ein-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ander ſchrenkt,</hi> </l><lb/> <l>Verbreitet, ſpreizt und von ſich ſtrecket, auch ſchnell ſie</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">wieder niederleget,</hi> </l><lb/> <l>Und ſie, dem Schein nach ſonder Ordnung, dennoch</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ganz ordentlich beweget.</hi> </l><lb/> <l>Er richtet aus ſich ſelber gleichſam lebend’ge Paliſaden</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">auf;</hi> </l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [302/0322]
Betrachtungen
Der Jgel.
Unmoͤglich kann man dieß Geſchoͤpf ohn einige Be-
wundrung ſehn,
Als deſſen ſonderlicher Koͤrper, zumalen wie er einge-
kleidet,
Von allen uns bekannten Thieren verwunderlich ſich un-
terſcheidet.
Man ſieht auf ſeiner ganzen Haut, anſtatt der Haare,
Hoͤrner ſtehn,
Die ihn auf eine Weiſe ſchuͤtzen und ſo fuͤr allen Anfall
decken,
Daß es nur ſeltene Gefahren, die ihm bedrohen und ihn
ſchrecken.
Es wird, in dieſes Thierchens Bildung, ein recht ab-
ſichtlicher Verſtand,
Ein richtig uͤberlegter Endzweck, vor vielen andern noch
erkannt.
Der ungezaͤhlten harten, ſtarren und ſonderbaren Sta-
cheln Spitzen,
Die zur Erhaltung ihm ſo noͤthig, und die ihn rings
umgeben, ſitzen
Jn ſeiner Haut ſo ordentlich, und ſo beweglich einge-
ſenkt,
Daß er dieſelbe, nach Gefallen, erhebt, ſie durch ein-
ander ſchrenkt,
Verbreitet, ſpreizt und von ſich ſtrecket, auch ſchnell ſie
wieder niederleget,
Und ſie, dem Schein nach ſonder Ordnung, dennoch
ganz ordentlich beweget.
Er richtet aus ſich ſelber gleichſam lebend’ge Paliſaden
auf;
Er
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |